Geschrieben von Mittwoch, 12 Juni 2013 07:27

Sweden Rock Festival 2013 - Der Bericht mit großer Bildgalerie


Vom 5. bis zum 9. Juni haben die Wikinger erneut die Fans aus aller Welt zum SWEDEN ROCK FESTIVAL nach Sölvesborg geladen, um mit ihnen bei einem Horn Met und reichlich gegrilltem Elchfleisch metallischen Klängen zu lauschen und die Matten zu schütteln. 2013 fand die Party zum ersten Mal seit vielen Jahren ohne einen Tropfen Regen und unter meist strahlend blauem Himmel statt. Besser können die Vorzeichen kaum sein, und wenn man sich dann noch das Billing vor Augen führt, kriegt der geneigte Rock und Metal Fan das Grinsen kaum noch aus dem Gesicht.

Wir haben in diesem Jahr japanische, amerikanische und australische Fans kennen gelernt, die extra wegen des SWEDEN ROCK FESTIVALS die lange Anreise angetreten haben. Unter diesem Gesichtspunkt sind die vielen Italiener, Spanier, Portugiesen und Deutschen kaum noch als „Exoten" zu verkaufen.

Mittwoch, 05.06.2013 (1.Tag):

Sweden Rock 2013 Fans 10Traditionell dient der Mittwoch als Warm Up Tag für die Veranstalter, Dienstleister und Soundleute. Heute sind nur die drei kleineren Bühnen in Betrieb, das Gelände vor der Rock Stage und der Festival Stage bleibt noch gesperrt, und die erste Band startet erst um 15:30 h.

In diesem Jahr haben THE LAST BAND die Ehre, die ersten Liveklänge unter das Volk zu hämmern. Die Jungens aus Schweden haben sich den Startplatz auf dem Festival durch den Sieg bei der „Live & Unsigned Competition" ergattert. Und dementsprechend engagiert legen die in Ganzkörperkondome (oder sollen es Powerranger-Kostüme sein?) gewandeten Metaller los.
Der Sound ist schon ordentlich und es ist fast schon Tradition, dass die erste Band bereits von etlichen tausend Fans gefeiert wird. Auf eine feste Stilrichtung haben sich THE LAST BAND noch nicht festgelegt, weswegen sie ihre Musik selber als „high class white trash steamroller rock'n roll" bezeichnen. Das scheint aber keinen so wirklich zu interessieren, Hauptsache es geht endlich los. 21°C, blauer Himmel, kühles Bier... der Anfang ist gemacht.

Auf der Sweden Stage wird es anschließend bluesiger, denn die US Amerikanerin STACIE COLLINS übernimmt den Stab von THE LAST BAND. Mit ihrem leicht an den Südstaaten Rock angelehnten Sound macht die sympathische Frau mit der Reibeisenstimme eine mehr als gute Figur auf der Bühne. Ich würde schätzen, dass ungefähr 2.000 bis 3.000 Fans die Band unterstützen, und das, obwohl die Sweden Stage in diesem Jahr die Bühne ist, die den schlechtesten Sound gemischt bekommt. Die Stimmung auf dem Gelände ist aber derart enthusiastisch, dass sich kaum jemand daran stört. „Baby Sister", „Get In Line" und „Hey Mister" bleiben bei mir am besten hängen. Im Vorbeigehen kriege ich dann noch etwas von THE SCAMS mit, die die 4Sound Stage aufmischen. Den Reaktionen der Fans zu urteilen, machen sie ihren Job wohl mehr als gut, denn die Matten kreisen ordentlich.

Eigentlich sollen um 18:15h THRESHOLD auf der Sweden Stage starten, aber statt dessen kommt eine Schar von Kindern auf die Bühne sowie drei Sängerinnen, ein Drummer, Bassist und Gitarrist. Die Kiddies sind alle 9 Jahre alt, kommen aus Sölvesborg und machen seit 2012 zusammen Musik. Drei Songs dürfen die „Kleinen" zum Besten geben, aber ich kann mich beim besten Willen nicht mehr dran erinnern, welche Titel es waren – Klassiker eben. Dementsprechend fangen THRESHOLD etwas später an und steigen mit „Mission Profile" trotz des schwachen Sounds gut ein.

Auch wenn der Grund, warum Sänger Damian Wilson wieder im Line Up ist, eher tragischer Art ist – sein Vorgänger Andrew McDermott ist nach seinem Ausstieg am 11. August gestorben – kann man das nur als Glücksfall für die Band bezeichnen, den Damian ist stimmlich wie charismatisch einfach der Hammer. Mit „Don't Look Back", „Light And Space" oder „Pilot In The Sky Of Dreams" beweisen die Briten, warum sie die zurzeit wohl stärkste Prog-Metal Band aus dem UK sind. Geile Show, für mich nur fast etwas zu kurz. (Es wurde ebenfalls gespielt: „Ashes", „The Rubicon", „Slipstream")

Auch wenn der Mittwoch noch relativ locker abläuft, bleibt nicht viel Zeit, um zur kleinsten Bühne des Festivals zu gelangen: der Rockklassiker Stage. Hier haben sich nämlich SISTER SIN angesagt, und die sind auf Scheibe schon der Burner. Blickfang und Mittelpunkt ist natürlich Sängerin Liv, die sich sichtlich freut, dass der Platz vor der Bühne brechend voll ist und die Fans laut den Bandnamen skandieren. Sound und Stimmung sind perfekt und Songs wie „Hearts Of Cold", „Fight Song" oder „I'm Not You" vom aktuellen Album reihen sich nahtlos in die Liste der starken älteren Songs ein. Obwohl die Bühne wirklich mini ist, steht Liv nicht eine Sekunde lang still und fordert die Menge permanent auf, ebenfalls in Bewegung zu bleiben.
Ich habe mich im letzten Jahr schon gewundert, warum CRUCIFIED BARBARA auf dieser kleinen Bühne spielen mussten. Dieselbe Frage stelle ich mir bei SISTER SIN auch. Die wären alleine von dem zu erwartenden Zuspruch auf der 4Sound Stage besser aufgehoben. Sei's drum, trotzdem starke Vorstellung, oder vielleicht sogar gerade deshalb.

Das Schöne am SWEDEN ROCK ist jedes Jahr die Vielfältigkeit der unterschiedlichsten Stielarten. So geht's vom Metal der sündigen Schwester direkt in die Nostalgie Ecke zu SWEET. Und wer jetzt vermutet, hier würde nur die ältere Generation vor der Bühne auflaufen, den muss ich zum Glück enttäuschen. Denn als SWEET mit dem HELLO-Cover „New York Groove" starten, sind etliche AMON AMARTH, TANKARD und KREATOR Kids in der ersten Reihen am headbangen, was besonders Gitarrist Andy Scott zu freuen scheint. Der kriegt das Grinsen kaum noch aus dem Gesicht, als sich bei „Wig Wam Bam" ein kleiner Moshpit bildet. Allerdings muss man dazu auch bemerken, dass es wohl kaum eine Band gibt, deren Songs so häufig gecovered wurden wie die von SWEET. Neben Andy Scoot (übrigens geile Frisur), sind noch Pete Lincoln (vocals), Tony O'Hora (guitars / keayboards) und Drummer Bruce Bisland im Line Up. Natürlich hauen die Buben einen Hit nach dem anderen raus und sind Profis genug, hier nichts anbrennen zu lassen. Fast alle Gassenhauer wie „Teenage Rampage", „Love Is Like Oxygen", „Action", „Blockbuster" und natürlich die Megahits „Fox On The Run" und „Ballroom Blitz" werden von der feiernden Menge lautstark mitgesungen. Toller Vortrag.

Kontrastprogramm pur, denn nach SWEET, zu deren Musik unsere Eltern schon getanzt haben, geht's rüber zum traditionellen Metal von BULLET. Und die posen ja eh schon wie die jungen JUDAS PRIEST und haben heute auch noch jede Menge Pyros mit am Start, was die Show jetzt, da es langsam dunkel wird, sehr geil unterstützt. Sänger Hell Hofer und Co. machen von Beginn an klar, dass auch sie heute keine Gefangenen machen. „Midnight Oil", „Rush Hour" und „Turn It Up Loud" werden fast ohne Unterbrechung ins feierwütige Volk geschossen.
Geschätzte 5.000 bis 6.000 Fans stehen vor der Bühne und der Großteil geht extrem steil. BULLET haben das Glück, dass einfach alles passt: Das Wetter ist geil, der Sound perfekt und die Fans sind in Feierlaune, wie ich es selten am ersten Tag in Schweden gesehen habe. Das alles zusammen und die vielen Pyros on top machen Songs wie „Highway Pirates", „Dusk Til Dawn", „The Rebels Return" und „Bite The Bullet", welches den Gig abschließt, fast zu Selbstläufern. Gepost wie die Großen haben BULLET außerdem noch zu „Full Pull", „Rolling Home", „Stay Wild" und „Rambling Man".

Den Mittwoch Headliner CANDLEMASS habe ich mir nur aus einiger Entfernung gegeben, da die Band nicht wirklich zu meinen Faves gehört. Aber ich bin trotzdem schon gespannt, wie sich Mats Leven schlägt, den ich als Sänger von CANDLEMASS noch nicht live gesehen habe. Wie schon die Bands zuvor leidet der Gig von CANDLEMASS an dem bescheidenen Sound vor der Sweden Stage, der es mir manchmal wirklich schwer macht, überhaupt Songs zu erkennen. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass die Schweden Doomer „Waterwitch", „Under The Oak", „Psalms For The Dead" und „Black As Time" gespielt haben. Und zu Mats Leven muss ich noch sagen, dass er stimmlich vielleicht nicht unbedingt zum Doom Metal der Band passt, aber aufgrund seiner Fähigkeiten einen grundsoliden Gig abgeliefert hat. Aber da der Sängerposten bei CANDLEMASS eh eher ein Schleuderstuhl ist, bleibt abzuwarten, ob er überhaupt lange im Line Up bleibt.

Grundfazit des ersten Tages: So kann es weiter gehen. Offensichtlich sind alle so glücklich, dass das Wetter endlich mal wieder mitzuspielen scheint, dass die Stimmung bereits heute unerwartet euphorisch ist.


Donnerstag, 06.06.2013 (2. Tag):

Sweden Rock 2013 Fans11Los geht's mit... klar, strahlend blauem Himmel. Und da wir auf den letzten Festivals, übrigens nicht nur in Schweden, wettertechnisch immer ins Klo gegriffen haben, ist das endlich mal wieder ein ganz neues Festivalgefühl.

Musikalisch macht MIA KLOSE auf der 4Sound Stage den Anfang. Und das macht die zierliche Sängerin, die mich stimmlich während des Gigs oftmals an LEE AARON erinnert, mit ihrer Band verdammt gut. Die Schweden haben gerade ihr Debütalbum „London" veröffentlicht, auf dem natürlich auch ihre Setlist beruht. „You Drive Me Crazy", „Living For Tomorrow" und „City Of Rock" klingen wie moderner 80er L.A. Metal und machen auch deshalb so viel Spaß, weil sich die Band auf der Bühne voll reinhängt. Was für ein gelunger Start in den Tag.

Ab heute sind dann auch die beiden großen Stages (Rock & Festival Stage) in Betrieb, und die Rock Stage wird von RAUBTIER entjungfert. Die Band ist in ihrer Heimat offenbar sehr beliebt, denn trotz der frühen Stunde haben sich etliche tausend Fans eingefunden, um zunächst einmal mit der Band die schwedische Nationalhymne zu intonieren. Hammer. Da ist es endlich mal warm in Schweden und man kriegt trotzdem eine Gänsehaut. Ich stell' mir so was in Deutschland vor: KREATOR starten ihren Gig mit unserer Nationalhymne. Da singt doch bei uns keine Sau mit. Nicht so in Schweden. Selbst die Verkäufer in den Futterständen brüllen voller Inbrunst und Stolz ihr Landesliedchen mit. Sehr emotional.

Auch die beiden nächsten Songs machen ordentlich Dampf und das Trio um Sänger Per Hulkoff, Basser und Kerry King Look-Alike Jonas Kjellgren sowie Drummer Buffeln gibt mächtig Gas. Trotzdem muss ich mich auf den Weg zur Sweden Stage machen, denn dort spielen DEMON und da will ich zumindest mal kurz vorbeischauen. Das ist eben der Nachteil, wenn es mehrere Bühnen gibt und gleichzeitig gespielt wird: Irgendwann muss man immer mal Kompromisse machen.

DEMON legen wie erwartet mit „Night Of The Demon" und ziemlich schlechtem Sound los. Ich hab' keinen Schimmer, woran das liegt, die letzten Jahre war der Sound auf dieser Bühne immer ein Hammer. Ich habe trotzdem Spaß, weil ich die Band schon so lange nicht mehr gesehen habe. „The Grand Illusion", „Sign Of A Madman", „Unbroken", „Standing On The Edge" oder "Don't Break The Circle" punkten bei mir trotzdem, weil Sänger Dave Hill nicht müde wird, die ca. 5.000 Leute anzutreiben.

Auf der Rockklassiker Stage kommt ein weiterer Competition Gewinner zum Einsatz. OVERWOLRD haben die NEMIS Competition und damit einen Startplatz im Billing gewonnen. Und da gerade aus Schweden immer sehr starke Nachwuchsbands kommen, ist es für mich quasi Tradition, mir die Bands auch anzusehen. Mit mir haben sich das wohl ca. 300 Leute ebenfalls auf die Fahne geschrieben. OVERWOLRD haben gutes Songmaterial, das meistens brutal aber trotzdem melodiös rüberkommt. Was aber definitiv noch ausbaufähig wäre, ist das Stageacting der Jungens und dem Mädel am Bass, welches manchmal doch noch etwas unbeholfen wirkt. Trotzdem machen die Schweden einen guten Eindruck.

SONATA ARCTICA
haben so einen guten Eindruck schon oft genug abgegeben, daher brauchen sie auch niemandem zu beweisen, warum ausgerechnet sie die Ehre haben, die Main Stage im Jahr 2013 einzuweihen. Die Band hat meiner Meinung nach zwar Songs, die besser als Opener geeignet sind als „Only The Broken Hearts (Make You Beautiful)", aber Meinung ist ja eh subjektiv. Vor der Bühne sind geschätzte 8.000 bis 10.000 Nasen, denen es offensichtlich völlig egal ist, welcher Song den Anfang macht.
Sänger Tony Kakko nutzt die komplette Breite der Bühne aus und rennt von einer Ecke zur anderen, ohne dabei auch nur einmal außer Atem zu kommen. Der Sound ist vorbildlich und die Songauswahl der Finnen lässt kaum Wünsche offen. „Black Sheep", „Alone In Heaven", „Losing My Insanity" – man mag die Band mögen oder nicht, aber live ist der Power Metal der Finnen unbestritten eine Macht. Ein bisschen schade ist nur, dass sich außer Gitarrist Elias Vitjanen kaum mal ein Musiker am Bühnenrand blicken lässt. Aber dafür ist ja Tony doppelt agil, was dann im Endeffekt die Songs „The Gun", „The Last Amazing Grays", „I Have A Right", „Paid In Full" oder „Full Moon" zu einem Fest werden lässt. (Ebenfalls gespielt: „Replica", „Cinderblox" und „Don't Say A Word")

In der Hoffnung, dass jemand dem Soundman an der Sweden Stage auf die Finger gehauen hat, mach ich mich wieder dorthin auf den Weg, um mir MORGANA LEFAY zu geben. Da ich aber nach den ersten beiden Songs „Nowhere Island" und „The Source Of Pain" eines Besseren belehrt werde, entschließe ich mich dazu, mir eine Portion meines geliebten Elchs aus dem Wok zu besorgen und mir den Gig aus sicherer Entfernung anzusehen. Unter anderem werden noch „Hollow", „Face Of Fear", „Master Of The Masquerade" und „To Isengard" gespielt. SURVIVOR, die zeitgleich auf der Rock Stage rocken, habe ich mir daher gekniffen. Berichten zufolge soll der Gig aber ziemlich gut gewesen sein, was mich dann im Nachhinein doch etwas geärgert hat.

Ein bisschen träge durch den halben Elch in meinem Bauch mache ich mich auf den Weg zur 4Sound Stage, wo HUNTRESS ihr Unwesen treiben werden. Und bereits nach den ersten Tönen zu „Blood Sisters" ist die Müdigkeit wie weggeblasen. HUNTRESS spielen so ein fettes Pfund, dass man sofort wieder in Wallung gerät. Sängerin Jill Janis ist mit ihrer theatralischen Mimik und ihrer fantastischen Stimme sofort in der Lage, die Fans in ihren Bann zu ziehen. Egal ob sie singt oder ihre Growls losschießt, die Frau hat es wirklich drauf.
Aber auch die anderen Musiker stehen ihr in Sachen Engagement in nichts nach, und vor allem Blake Meahl und Anthony Crocamo stellen unter Beweis, dass sie zu den besten Gitarrenduos des Genres gehören. Mit „Destroy Your Life", „Starbound Beast", „Zenith" und „Oracle" spielen die Kalifornier brandneue Songs vom kommenden Album, die sie bislang noch nie live gespielt haben. Besonders stolz ist Jill aber auf den Song „I Want to Fuck You To Death", den Lemmy von MOTÖRHEAD für sie geschrieben hat. Naja, da war Lemmy aber auch schon wesentlich geistreicher, was seine Songtitel angeht.

BACKDRAFT hatte ich eigentlich gar nicht so auf dem Schirm und wollte nur mal kurz vorbeischauen. Letztendlich bin ich aber dort hängengeblieben, weil die Band, ausgestattet mit drei Gitarristen (wahrscheinlich nur fürs SWEDEN ROCK FESTIVAL stehen alle bisherigen Gitarristen der Band zusammen auf der Bühne) einen so dermaßen fetten Blues- Southernrock spielt, dass ich gar keine andere Wahl hatte. Dass Bassist Mats Rydström und Sänger Jonas Ahlen beide aussehen wie Grizzly Adams aus „Der Mann aus den Bergen" sei hier nur am Rande erwähnt. Musikalisch treffen die Schweden aber genau meinen Nerv und der Backkatalog der Band ist so gut wie bestellt.



Dadurch habe ich zwar das meiste von STATUS QUO verpasst, aber das war es mir wert. „In The Army Now", „Whatever You Want" und „Rockin' All Over The World" kriege ich dann aber doch noch mit. Wenn der Rest des Gigs genauso gut war, dann haben Francis Rossi und Co., die sogar bereits vor meiner Geburt ihren ersten Liveauftritt hatten, eine tolle Show abgeliefert. Je oller, je doller.
THE DEAD AND THE LIVING habe ich mir dann nur zwei Songs lang gegeben. Das war schon 2011 nicht mein Ding, und die weißgeschminkten Musiker konnten mich auch in diesem Jahr nicht so wirklich überzeugen. 

Tja, und dann sind sie wieder da, meine zwei Probleme. Mit THUNDER und AMON AMARTH spielen zwei Bands zur gleichen Zeit, und die Entscheidung fällt mir nicht leicht. Aber da ich THUNDER schon so oft gesehen habe, entscheide ich mich für AMON AMARTH, die sich mit kompletter Drachenboot-Bühne angesagt haben. Und ich habe es wirklich nicht bereut, denn Johan Hegg und seine Wikinger treiben den riesigen Mob vor der Bühne in Ekstase.

AMON AMARTH spielen Melodic Viking Death Metal vom Feinsten, ein Pyro jagt den nächsten, ständig sind irgendwo auf der Bühne Flammen zu sehen. Von den Kampfszenen der eigens dafür engagierten Statisten ganz zu schweigen. Der Soundtrack zu diesem Gemetzel liest sich wie folgt: „War Of The Gods", „The Pursuit Of Vikings", „Destroyer Of The Universe", „Live For The Kill", „Varyags Of Miklagaard", "The Fate Of Norns", "For Victory Or Death", "Asator", "Where Silent Gods Stand Guard", "Deceiver Of The Gods", "Runes To My Memory", "Cry Of The Black Birds", "Death In Fire", "Twilight Of The Thunder God", "Guardians Of Asgaard". Noch Fragen? Auch wenn die Setlist nicht besser hätte sein können, haben mich "Runes To My Memory" und "Death In Fire" live förmlich umgehauen.

Wie findet man jetzt den Übergang von AMON AMARTH zu KISS? Unterschiedlicher könnte es wirklich kaum sein. Aber da der ganze Tag – oder besser: das ganze Festival – im Zeichen von KISS stand bzw. steht, hat einen dieses Thema sowieso permanent verfolgt. Egal, ob es die Schminkstände am Eingang waren, wo man sich das KISS Make Up verpassen lassen konnte, oder Security Leute, die entweder ein Paul Stanley oder Gene Simmons Face mit Gehörschutz über den Ohren auf ihre Westen gedruckt hatten, oder die Verkäufer an den Merchandise Ständen oder Fressbuden, die wie KISS geschminkt waren. KISS sind allgegenwärtig.

Und deswegen ist der Jubel auch groß, als das bekannte Intro: „You want the best..." aus den Boxen ertönt. „Psycho Circus" startet und Paul Stanley, Gene Simmons und Tommy Thayer werden auf dem Rücken einer Riesenspinne von der Bühnendecke herabgelassen. Eric Singer hat bereits hinter dem Drumkit Platz genommen. Das ist schon mal geil und typisch KISS. Nicht kleckern, sondern klotzen.
Die erste Begeisterung legt sich aber, als Paul Stanley anfängt zu singen. Entweder ist er fürchterlich erkältet oder was weiß ich. Auf alle Fälle schafft er es nicht, auch nur einen Ton vernünftig zu halten. Krächzen ist vielleicht die richtige Beschreibung für diesen Zustand. Naja, vielleicht muss er ja auch erst warm werden. „Shout It Out Loud", „Let Me Go, Rock'n Roll" und „I Love It Loud" folgen, und offensichtlich sind genau aus dem eben beschriebenem Grund hier schon viel zu viele Songs zu hören, bei denen Gene die Lead Vocals singt. Mir egal, schlecht bei Stimme darf jeder mal sein, und auf der anderen Seite darf man auch nicht vergessen, dass der Mann über 60 ist. Die Show ist jedenfalls geil, es werden permanent Feuerwerkskörper in den Sölverborger Nachthimmel gejagt, und auch die Pyros auf der Bühne sind der Hammer.

Bei „God Of Thunder" weiß auch jeder, was kommt. Genes großer Auftritt: Basssolo, Blutspucken und unter die Bühnendecke fliegen. Auch wenn man es schon öfter gesehen hat, mir macht es immer wieder Spaß. Mit „Lick It Up" ist auch mal wieder einer meiner Faves von KISS am Start, bevor Paul Stanley bei „Love Gun" via Drahtseil zum Soundturm gezogen wird. Auch wenn seine Stimme heute Scheiße ist, seine Show zieht er wie gewohnt souverän durch. „Rock'n Roll All Nite", bei dem zwei Rampen über das Publikum fahren, auf denen jeweils Gene und Tommy stehen, und bei dem das Publikum traditionell zum Mitsingen des Refrains animiert wird, kommt megastark und klingt mit einem Riesenfeuerwerk aus. „Detroit Rock City" (ganz stark), „I Was Made For Loving You" (geht so) und „Black Diamond" (hammer) werden noch als Zugaben rausgehauen.

Dass viele der Fans eher enttäuscht sind, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Bis auf Pauls Stimme war es genau die Show, die ich erwartet habe. Und die Setlist war im Vergleich zur letzten Hallentour doch erheblich geändert. Also, alles ist gut. KISS Setlist: "Psycho Circus", "Shout It Out Loud", "Let Me Go, Rock'n Roll", "I Love It Loud", "Hell Or Hallelujah", "War Machine", "Calling Doctor Love", "Deuce", "Say Yeah", "Shock Me / Outta This World", "God Of Thunder", " Lick It Up", "Love Gun", "Rock'n Roll All Nite" --- "Detroit Rock City", "I was made For Lovin' You", "Black Diamond"


Freitag, 07.06.2013 (3. Tag):

Sweden Rock 2013 Fans12Heute merkt man, dass es gestern Abend dann doch etwas länger ging als am Mittwoch, denn als KLOGR aus Italien die 4Sound Stage betreten, ist die Schar der Fans auf dem Gelände doch noch recht übersichtlich. Allerdings haben KLOGR auch nicht mehr Crowd verdient, denn die Jungens wirken bis auf Sänger und Gitarrist Gabriele Rustichelli ziemlich müde und unmotiviert. Vielleicht ist das aber auch ihr normales Stageacting. Keine Ahnung, aber sie schaffen es zumindest nicht, dass der Funke überspringt.

Da sind TREAT auf der Rock Stage schon ein ganz anderes Kaliber. Die Schweden, die Ende der 80er Jahre ihre beste Zeit hatten, sind alte Hasen und wissen, wie man ein (noch) müdes Publikum in den Griff bekommt. Mit „The War Is Over" legen die Mannen um Sänger Robert Ernlund und Gitarrist Anders Wikström den Grundstein für einen mehr als gelungenen Gig. Natürlich profitieren die Schweden auch von der Tatsache, dass der Platz vor der Rockstage um diese Zeit die einzige Stelle auf dem Gelände ist, die noch im Schatten liegt.

Aber es wären auch nicht viel weniger Leute gekommen, wenn es nicht so wäre. „Ready For The Taking" und „Get You On The Run" bestätigen den guten Eindruck. Auch wenn man vielen Fans die lange Nacht zuvor ansieht, wird ordentlich abgerockt und mitgesungen. Zu „Learn To Fly" kommt als Gast noch CANDLEMASS Sänger Mats Leven auf die Bühne und bestätigt meine Aussage vom Mittwoch, dass seine Stimme wesentlich besser zu eher melodischen Songs passt. Als letzter Song kommt dann endlich auch noch „Conspiracy". Außerdem wurden noch gespielt: „We Own The Night", Medley „Changes" / „Party All Over" / „Rev It Up" / "Too Wild", "Paper Tiger", "Roar", "Sole Survivor", "Dancin' On The Edge", "Strike Without A Warning", "Skies Of Mongolia", "World Of Promises"

Auf FIREWIND freue ich mich dann besonders, weil a) Gus G. einer der besten Gitarristen der Szene für mich ist und ich b) auf den neuen Sänger Kelly Sundown Carpenter gespannt bin. Vor der 4Sound Stage ist es mächtig voll, als die Griechen mit „Wall Of Sound" die Bühne entern. Kelly macht sich gut, klingt auch ähnlich wie Apollo, also braucht niemand Angst zu haben, dass die Songs jetzt ganz anders klingen. Weiter geht's mit „Head Up High" und der Mob tobt. „Destination Forever" folgt und Gus Gitarrenspiel ist wirklich zum Niederknien.
Und wenn er während seiner Zeit bei OZZY eines gelernt hat, dann zu posen wie Zakk Wylde. Mit „Few Against Many" und „World On Fire" machen FIREWIND endgültig den Sack zu, und in den ersten Reihen vor der Bühne wird gebangt bis der Arzt kommt. Wie zu erwarten zieht Gus beim anschließenden Solo alle Register und lässt viele Hobbygitarristen mit offenen Mündern zurück. Wahnsinn, was der Typ drauf hat. „The Fire And The Fury", „Till The End Of Time", "Losing My Mind", das leicht THIN LIZZY angehauchte "Mercenary Man", die völlig überflüssige Tanznummer "Maniac" und "Falling To Pieces" machen diesen Gig zu einem der Höhepunkte des diesjährigen Sweden Rock für mich.

Derart euphorisiert geht es direkt weiter zur Sweden Stage. Jason Newsted, ehemaliger METALLICA Bassist, bittet mit seiner neuen Band NEWSTED zum kollektiven Haare schütteln. Zum ersten Mal in diesem Jahr ist auch der Sound ganz annehmbar. Jasons neue Songs klingen ein bisschen wie die frühen METALLICA, was mir besonders gut gefällt. Ich habe es seinerzeit sehr bedauert, dass er METALLICA verlassen musste und ich hoffe, er kann mit seinen neuen Songs endlich auch die Erfolge einfahren, die ihm zustehen. Ich bin mit dem Material noch nicht ganz vertraut, aber „Heroic Dose", „Skyscraper" und „Long Time Dead" konnte ich mir merken. Alles geile Songs zum Headbangen, die logischerweise sehr basslastig sind. Allerdings hat Jason zwischendurch auch mit Gitarrist J.R. das Instrument gewechselt und ist auf die Gitarre umgestiegen. Ganz zum Schluss gibt es dann auch noch das, wo alle drauf gewartet haben, nämlich „Whiplash", wobei der wohl größte Moshpit des Wochenendes entsteht. Mit dem MOTÖRHEAD Cover „We Are The Roadcrew" geht ein sehr energiegeladener Gig zu Ende.

Die nächste Frage ist eigentlich gar keine: DORO oder AXXIS? Klar, dass wir zu AXXIS gehen. Die Festival Stage, auf der DORO spielt, haben wir aber ab und zu im Auge, und die Crowd, die sich davor versammelt hat, ist schon bemerkenswert. Bei AXXIS geht es etwas familiärer und übersichtlicher, aber dafür heftiger zur Sache. Es ist für AXXIS die erste Teilnahme beim SWEDEN ROCK, aber trotzdem wird die Band sehr euphorisch empfangen. Bernhard Weiß ist kaum zu bremsen, und auch der Rest der Truppe zeigt sich in Topform. Natürlich fehlen die Klassiker wie „Kingdom Of The Night", „Living In A World" oder eine neue Version der Halbballade „Stay Don't Leave Me" nicht, auf die eine Gruppe italienischer Fans neben uns extrem abgeht. Und dass AXXIS auch für jeden Spaß zu haben sind, zeigt die Tatsache, dass sie einen ca. 11jährigen Jungen namens Matthias auf die Bühne holen, der mit einem Schellenkranz ausgerüstet mit der Band spielen darf. Und weil er das so gut macht, darf er anschließend beim Schlagzeugsolo auch noch mit machen.
 

Bei DORO ist die Stimmung währenddessen wohl auch ziemlich gut. „All We Are", „Für Immer" und „Breaking The Law" sowie ihren Tribute Song für Ronnie James Dio kriegen wir irgendwie mit einem Ohr mit.

Auf AMARANTHE habe ich mich ebenfalls im Vorfeld besonders gefreut. Die Alben der Band sind Dauerläufer in meinem CD Player. Leider klappt bei den Schweden gar nichts. Zuerst ist der Sound schlecht. Dann kommt Bassist Johan Andreassen mit anderthalb Songs Verspätung auf die Bühne (der Beginn der Show wurde komplett ohne Bass bestritten), um – nachdem er sich eingeklinkt hat – den Sound mit seinem Gewummer total zu übertönen. Vielleicht musste er ja noch AA machen oder so was, aber da war der Gig für mich persönlich schon gegessen. Jake E. habe ich so gut wie gar nicht gehört, und auch Elize kam sountechnisch ziemlich dünn rüber. Nur Andy mit seinen Screams kam ordentlich ausgepegelt aus den Lautsprechern. Nach kurzer Überlegung entscheide ich mich, doch noch schnell zur Sweden Stage zu laufen, um den Anfang der LENINGRAD COWBOYS mitzukriegen. 

Und ich komme gerade richtig, um das Intro zu ihrer Show „Bueno Vodka Social Club" zu sehen. Ich glaube, zwischenzeitlich sind die im positiven Sinne bekloppten Finnen mit 18 Leuten auf der Bühne, und man weiß gar nicht, wo man zuerst hingucken soll, da immer irgendwo gerade etwas passiert. „Back In The USSR", „Gimme All Your Lovin", „Let There Be Rock", "Enter Sandman" oder das unumgängliche "Ring Of Fire" sorgen für viel Spaß auf und vor der Bühne. Hier wird alles gecovert, was nicht niet- und nagelfest ist, und das ist gut so.

KROKUS rocken danach die Festival Stage und machen das auch ganz gut. Nicht spektakulär, aber dafür grundsolide, auch wenn nicht einmal halb so viele Fans vor der Bühne sind wie noch zuvor bei DORO. Ich bin bei KROKUS ja immer mehr für die älteren Songs wie zum Beispiel „Heatstroke" oder „Screaming In The Night", aber die neueren Stücke kommen auch ganz gut. Hard Rock der alten Schule eben, entweder man liebt oder man hasst es. Neben den erwähnten Songs kamen auch noch „Hallelujah Rock'n Roll", „Go Baby Go", „Long Stick Goes Boom", „Better Than Sex", „Winning Man", „Dög Song", „Fire", „American Woman", „Tokyo Nights", "Easy Rocker", "Bedside Radio", "Hoodoo Woman", "Eat The Rich" und "Mighty Quinn" zum Zug.

Wenn es eine Band gibt, die ich neben MOTÖRHEAD so oft wie keine andere gesehen habe, dann ist das SAXON. Aber ich werde es auch irgendwie nicht leid, weil die Band einfach so unglaublich viele geile Songs im Backkatalog hat. Also werde ich mich auch dieses Mal wieder vor der Rock Stage platzieren, um mir Biff und Co. zu geben. Die wollen es wohl mal wieder etwas interessanter machen und hauen bei toller Lightshow und wirklich fettem Sound während der ersten fünf Songs mit „Sacrifice", „Made In Belfast" und „Wheels Of Terror" direkt mal drei Titel vom aktuellen Album „Sacrifice" raus – und die machen sich live wirklich gut.
Der Rest ist das gewohnte Best Of, das man eigentlich immer von SAXON hört. Außer „Dallas 1 p.m." ist es das gewohnte SAXON Standard-Wohlfühl-Programm.

Lustig ist, dass Biff sich mittlerweile angewöhnt hat, den Fans bei jedem Konzert weiß zu machen, dass eine Live DVD mitgeschnitten wird. Auf die DVD aus 2011 vom SWEDEN ROCK warten wir bis heute noch. Setlist SAXON ausser der erwähnten Songs: „Power And The Glory", „Heavy Metal Thunder", „Crusader", „And The Bands Played On", „I've Got To Rock", "Conquistador", "Solid Ball Of Rock", "Stand Up And Fight", "747 (Strangers In The Night)", "Strong Arm Of The Law", "Wheels Of Steel", "Denim And Leather", "Princess Of The Night".

Der für mich stärkste Headliner in diesem Jahr sind EUROPE. Nicht unbedingt, weil sie so unglaublich viele tolle Songs hätten, sondern weil es einfach ein Heimspiel für die Band ist. Und dabei habe ich stimmungstechnisch schon viel erwartet. Der Jubel ist auch unbeschreiblich, als Joey Tempest, John Norum, Ian Haugland und Mic Michaelis die Bühne entern und mit „Riches To Rag" loslegen. Der Sound ist von Beginn an super und auch die Lightshow ist sehr atmosphärisch und gediegen. Die Band feiert in diesem Jahr ihr 30jähriges Jubiläum, weswegen dieser Gig auch von unzähligen Kameras für eine Live DVD aufgezeichet wird. Joey Tempest zeigt auch heute Abend, dass er ein sehr charismatischer Frontman sein kann. Nur leider post er für meine Begriffe etwas zu viel mit den Kameras. Auf das Publikum geht er sehr selten ein, wodurch die Stimmung auch nach den ersten Songs etwas abfällt.

Die Setlist finde ich sehr gelungen, es ist von fast jedem Album etwas dabei, und auch die großen Hits aus den 80ern und 90ern "Superstitious", "Prisoners in Paradise", "Rock The Night" und "Seven Doors Hotel" fehlen natürlich nicht. Highlight der Show ist für mich, als zum THIN LIZZY Song „Jailbreak" Scott Gorham mit auf die Bühne springt und frenetisch bejubelt wird. Der Song klingt mit Joeys Stimme zwar irgendwie komisch, aber was soll's.
Dann spielt die Band mit "Lights Out" noch einen Song von UFO, zu dem sich Michael Schenker mit auf die Bühne gesellt. John Norum und Michael Schenker zusammen auf der Bühne zu sehen und zu hören, das hat schon was.

Wenn es einen Un-Song von EUROPE gibt, dann ist das „The Final Countdown". Der darf zwar nicht fehlen, logisch, ist für mich aber das Signal zum Aufbruch. EUROPE haben einen starken Gig gespielt, vor lauter Kameras aber das Publikum vergessen und da hatte ich mir dann doch wirklich viel, viel mehr erhofft.

EUROPE Setlist: "Riches To Rags", "Firebox", "Not Supposed To Sing The Blues", "Scream Of Anger", "Superstitious", "No Stone Unturned", "New Love In Town", "In The Future To Come", "Paradize Bay", "Girl From Lebanon", "Prisoners in Paradise", "Always The Pretender", -- acustic set: "Drink And A Smile", "Open Your Heart"--, "Love Is Not The Enemy", "Sign Of The Times", "Start From The Dark", "Wings Of Tomorrow", "Carrie", "Jailbreak" (mit Scott Gorham), "Seven Doors Hotel", "Drum Solo Ian", "The Beast", "Let The Good Times Rock", "Lights Out" (mit Michael Schenker), "Rock The Night" --- "Last Look At Eden", "The Final Countdown"


Samstag, 08.06.2013 (4.Tag):

Sweden Rock 2013 Fans13Heute lassen wir es etwas langsamer angehen. Nachdem wir bisher jeden Tag zur ersten Band auf dem Gelände gestanden haben, sind wir heute erst zu JON ENGLISH dabei. Warum gerade zu JON ENGLISH, kann ich gar nicht sagen, weil ich von dem Mann noch nie was gehört habe – aber um den Tag entspannt zu starten, ist gediegener Rock gar nicht so schlecht.

Und die Songs von JON ENGLISH, vor allem die Version von "Turn The Page", sind perfekt dazu geeignet, langsam in Fahrt zu kommen. Das ist auch nötig, um nicht anschließend vom TANKARD Zug überrollt zu werden. Die geben nämlich mit „Zombie Attack" Vollgas. Gerre ist wie immer total außer Rand und Band, wetzt wie ein Verrückter über die Bühne und zeigt immer wieder seine Plauze. Echt unbegreiflich, wie der Mann wieder so zulegen konnte, bei dem Aktionsradius, den er auf Konzerten an den Tag legt.

„Time Warp" und „The Morning After" folgen, und vor der Bühne geht auch schon gut die Post ab. Ich habe die Tage zuvor schon viele Fans in TANKARD Kutten und Shirts gesehen, und die sind es wahrscheinlich auch, die kollektiv mit Gerre ausrasten und einen Moshpit starten. „Not One Day Dead", „Stay Thirsty!" und „Rules For Fools" beweisen, dass Thrash Metal aus Deutschland immer noch in der ersten Liga mitspielt.

Der Titel „Die With A Beer in Your Hand" sollte später noch eine ganz tragische Bedeutung bekommen. Am nächsten Tag erfahren wir von einem Taxifahrer, dass ein Fan wohl ungefähr zu dieser Zeit vor der Festival Stage mit einem Bier in der Hand zusammen gebrochen und auf dem Weg ins Krankenhaus verstorben sein soll. Wenn dem so war, ist das mehr als tragisch. Mit „Chemical Invasion" und „A Girl Called Cerveza" verabschieden sich TANKARD nach einem phänomenalen Gig von den Fans.

THE QUIREBOYS spielen als nächstes auf der Festival Stage, und zwar ein Acustic Set. Was das für einen Sinn macht, fünf Musiker auf Hockern auf die riesige Festival Stage zu platzieren, erschließt sich mir nicht wirklich. Da hocken die Jungens auf 5qm zusammen auf einer Bühne, die 50 Meter oder breiter ist, das sieht schon ein bisschen albern aus. Dementsprechend schnell leert sich der Platz vor der Bühne – auch deshalb, weil man von den sitzenden Musikern kaum etwas sehen kann. Das ist eigentlich schade, denn THE QUIREBOYS haben vor ein paar Jahren schon einmal ein Acustic Set auf einer kleinen Bühne in Schweden gespielt, und das war der absolute Hammer. „There She Goes Again", „Mona Lisa Smiled", „Have A Drink On Me" und "7 o'clock" kommen zwar auch diesmal musikalisch gut, aber die Band wirkt auf der Riesenbühne völlig deplatziert.

Um jetzt mal wieder langsam in den Quark zu kommen, ist BLOODBOUND auf der Rockklassiker Stage genau das Richtige. „Bless The Unholy", „Drop The Bomb", „Bang Your Head" und „Book Of The Dead" sind einfach geile Metal Songs, die besonders live erst ihre Intensität voll entwickeln. Und auch hier bei BLOODBOUND ist der Platz vor der Bühne viel zu klein. Sänger Patrik Johansson ist ein begnadeter Live Sänger, der es versteht, mit dem Publikum zu spielen. Und auch die Gitarrenfront um die Brüder Tomas und Henrik Olsson zeigt sich als unglaublich fett und baut um die Vocals eine mächtige Riffwand auf. Das ist moderner Heavy Metal, der definitiv auf eine größere Bühne gehört.

KREATOR
haben platztechnisch keine Probleme, weder vor noch auf der Rock Stage. Mille und seine Mannen haben die komplette Bühnenausstattung ihrer Phantom Antichrist Tour mitgebracht, was schon richtig Eindruck macht, bevor überhaupt ein Ton gespielt wird. Pünktlich um 17:00 h kommen Mille, Sami, Christian und Jürgen mit „Phantom Antichrist" auf die Bühne und knüppeln ohne Rücksicht auf Verluste los. Schön zu sehen, dass erneut eine deutsche Band so abgefeiert wird. Mit „From Flood Into Fire" und „Warcurse" halten KREATOR weiter die deutschen Thrashfahnen im Wind. Ich hab KREATOR jetzt schon lange nicht mehr live gesehen und freue mich wie verrückt, die Ruhrpottler in dieser bestechenden Form mit meinen Lieblingssongs wie „Endless Pain", „Pleasure To Kill", „Enemy Of God", „Violent Revolution" und „Flag Of Hate" zu sehen. Geil.

Allerdings ist meine Vorfreude auf die BLACK STAR RIDERS noch größer. Die treten um 18:30 h auf der (omg) Sweden Stage an. Das aktuelle Album der THIN LIZZY Nachfolger Band ist der absolute Hammer und ich bin gespannt, wie die Song live rüberkommen und ob und wenn ja, welche LIZZY Songs in der Setlist auftauchen werden. Mit „All Hell Breaks Loose" starten Ricky Warwick, Scot Gorham, Damon Johnson, Marco Mendoza und Jimmy DeGrasso erwartungsgemäß, da dies auch der Titeltrack der Scheibe ist. Auch wenn der Sound nicht so schlecht ist wie zu Beginn des Festivals, ist auch jetzt noch Luft nach oben. „Jailbreak" und „Massacre" sind dann direkt die ersten beiden THIN LIZZY Songs.

Ricky Warwick lässt auch keine Zweifel daran, dass hier eigentlich immer noch THIN LIZZY auf der Bühne stehen, die sich nur für die neuen Songs einen anderen Namen zugelegt haben. „Bloodshot" und „Bound For Glory" reihen sich nahtlos an. Ich muss überhaupt sagen, dass es die Band geschafft hat, den neuen Songs immer noch den LIZZY Stempel aufzudrücken. Und das ist auch gut so. „Roslalie", „Hey Judas" und „Emerald" sind drei Songs von unterschiedlichen Songwritern, die aber alle sofort als THIN LIZZY Songs zu erkennen sind. Scott Gorham spielt überraschenderweise viele Soli in den neuen Songs, damit hätte ich auch nicht unbedingt gerechnet, da er in den letzten Jahren immer mehr Soli an seine Partner in Crime abgegen hat. Nach „Hoodoo Voodoo" und „Whiskey In The Jar", das wie immer laut mitgesungen wird, kommt der Übersong der neuen Scheibe: „Kingdom Of The Lost" kommt live noch besser als auf CD. Der Song überzeugt mit seinen irischen Folkelementen und dem tollen Text. Ja, es gibt auch noch Songs, bei denen einen Message rüberkommt.

Die BLACK STAR RIDERS sind größenteils seit Jahren aufeinander eingespielt und das sieht man der Band auch an. Jetzt noch mit Songs zu rechnen, die sie eher selten unter dem LIZZY Banner gespielt haben, wäre wohl zuviel erwartet, und so sind „Valley Of The Stone", „Cowboy Song" und „The Boys Are Back In Town" eher Standardmaterial. Trotzdem hat mich die Band, vor allem aber das neue Songmaterial live total überzeugt und ich freue mich jetzt schon auf die kommende Hallentour.

Wenn ACCEPT nicht besoffen von der Bühne fallen, ihre Instrumente vergessen oder der Strom ausfällt, können die deutschen Urgesteine nicht viel falsch machen. Die Alben, die sie bisher mit Sänger Mark Tornillo eingespielt haben, sind großartig, und über den Backkatalog von ACCEPT braucht man auch keine Worte zu verlieren. „Hung, Drawn And Quartered" macht den Anfang. Sound geil, Wetter geil, Band und Fans in Hochform. Und die Bandmitglieder posen auf der Bühne um die Wette. Entweder jeder für sich, oder alle zusammen.

Nur Hermann Frank hält sich etwas zurück. 2011 hat er ja noch gefehlt, weil er kurz zuvor von der Bühne gefallen war und sich schwer verletzt hatte. Aber jetzt, wieder mit zwei Gitarristen, ist der Sound noch fetter. „Hellfire" genial, „Restless And Wild" Kult, „Losers And Winner" eher Mittelmaß, „Stalingrad" großartig. Die Liste kann man so weiterführen. Die Mischung zwischen den neuen und den alten Songs ist perfekt, nur leider ist mit „Teutonic Terror" und „Balls To The Wall" Schluss. Bei „Balls To The Wall" verhält es sich bei mir übrigens wie mit „The Final Countdown" bei EUROPE – den Song brauche ich einfach live nicht. Aber da er nun mal dazu gehört, muss man es nehmen wie ein Mann. ACCEPT Setlist: „Hung, Drawn And Quartered", "Hellfire", "Restless And Wild", "Losers And Winner", "Stalingrad", "Breaker", "Shadow Soldier", "Bucket Full Of Hate", "Bulletproof", "Pandemic","Princess Of The Dawn", "Up To The Limit", "Fast As A Shark", "Metal Heart", "Teutonic Terror", "Balls To The Wall"

Warum der Headliner RUSH bereits um 21:30 h spielt und nicht wie normal als letzte Band, konnte mir niemand erklären. Aber irgendwie ist es schon etwas Besonderes, heute dabei zu sein, da es der erste Festivalauftritt in Europa seit 33 Jahren ist. Mit einer Animation auf den beiden Außenmonitoren und dem großen Monitor hinter dem Drumkit gelingt ein schöner Einstieg in den Gig, der mit „Subdivisions" anfängt. Geddy Lee, Alex Lifeson und Neil Peart sind absolute Perfektionisten, die nichts dem Zufall überlassen. Dadurch, dass immer passend zu den Songs Animationen mitlaufen, fehlt der Show ein bisschen die Spontanität, die man sich von einem Konzert wünscht. „The Big Money" und „ Grand Design" verstärken diesen Eindruck.

Trotz der leichten Kritik sind Sound und Licht sehr beeindruckend und es macht Spaß, dem Trio aus Kananda zuzusehen. Allerdings fällt auch auf, dass spätestens nach „The Analog Kid" immer mehr Menschen zum Ausgang strömen. Ich habe vorher schon vermutet, dass die Musik von RUSH, die sehr komplex ist und bei der man auch zuhören sollte, die Fans auf einem Festival zu dieser fortgeschrittenen Stunde eventuell etwas „überfordern" könnte. In Schweden haben es die Headliner eigentlich immer schwer, die Leute nochmal aufzurütteln, aber das geht natürlich leichter mit „Mitten in die Fresse Party Rock" als mit den manchmal komplizierten Arrangements der RUSH Songs. Die meiste Zeit ist noch ein Streicher-Ensemble mit auf der Bühne, das „Clockwork Angels String Ensemble", was den Songs noch mehr Komplexität und Tiefgang verleiht.

Die Die Hard Rush Fans flippen natürlich völlig aus und die Songs und der Gesang von Geddy Lee und die Gitarrenläufe von Alex Lifeson werden laut mitgesungen und gefeiert. Für mich wird es ehrlich gesagt ab einem gewissen Punkt nur noch anstrengend. Bei „Tom Sawyer" werde auch ich nochmal hellhörig, aber ansonsten baue ich auch mehr und mehr ab. Gleichzeitig spielt noch SKID ROW auf der Sweden Stage und ich habe mich mehr als einmal bei dem Gedanken ertappt, vielleicht doch noch dorthin zu gehen. Aber ich habe dann doch durchgehalten. RUSH auf einem Einzelkonzert wäre für mich ein Fest, aber am letzten Tag als vorletzte Band eines Vier-Tage Festivals ist mir das doch eine Nummer zu hoch. Sorry Jungens. 

RUSH Setlist: "Subdivisions", "The Big Money", "Grand Designs", "Limelight", "The Analog Kid", "Where's My Thing", "Far Cry", "Caravan", "Clockwork Angels", "The Anarchist", "Carnies", "Headlong Flight", "The Garden", "Red Sector A", "YYZ", "The Spirit Of Radio"--- "Tom Sawyer", "2112 Part 1: Overture", "2112 Part 2: The Tempels Of Syrinx", "2112 Part 7: Grand Finale"

Die Arschkarte haben in diesem Fall AVANTASIA gezogen, denn sie müssen jetzt ab 00:00 h das Festival beenden, bei dem fast die Hälfte der Zuschauer schon nicht mehr auf dem Gelände sind und die andere Hälfte einfach fertig oder aber voll wie ein Treteimer ist. Doch Tobi wäre wohl nicht Tobi, wenn er das nicht als Herausforderung ansehen würde. Das Bühnenbild ist dem Albumcover der aktuellen Scheibe nachempfunden und sieht mit der meist blauen Beleuchtung sehr mystisch aus. Mit „Spectres" starten AVANTASIA in ihre Show. Und siehe da, es zuckt noch ein Funken Leben im Publikum, denn die Arme sind alle oben.

Als Gastsänger dabei sind Ronnie Atkins von PRETTY MAIDS, Michael Kiske von UNISONIC, Eric Martin von MR. BIG und natürlich BOB CATLEY von MAGNUM. Besonders Ronnie Atkins, der bei den älteren Songs den Part von Jorn Lande einnimmt, begeistert mich ungemein. Ich hätte mich zwar gefreut, wenn auch Biff Byford von SAXON mit von der Partie gewesen wäre, zumal SAXON ja auch in Schweden waren. Aber die waren wohl schon unterwegs zum nächsten Festival. Schade. „Invoke The Machine" und das megastarke „Black Orchid" bringen die Fans noch einmal richtig auf Betriebstemperatur. Es ist wirklich schade, dass AVANTASIA diesen Slot im Billing bekommen haben. Was hätte das für eine Show werden können, wenn die Band um 21:00 h gespielt hätte.

Dass Tobi auch mal wieder die eine oder andere Minute mit seinen Ansagen verbrät, ist ja auch schon fast Tradition. Neu ist allerdings, dass er bei „The Scarecrow" mal eben einen völligen Blackout hat und den Text nicht mehr weiß, was er natürlich sofort kundtut. Oliver Hartmann springt aber geistesgegenwärtig ein. Nach dem nächsten Refrain steigt Mr. Sammet in die neue Strophe wieder gewohnt enthusiastisch mit ein. „Savior In The Clockwork" finde ich dann etwas schwach, aber den Song mochte ich auf der CD schon nicht besonders. Mit „Twisted Mind", „Lost In Space" und „Sign Of The Cross / The Seven Angel" machen sie dann aber wieder alles richtig. Auch dass während des letzten Songs wie auch auf der DVD alle Bandmitglieder und Gastmusiker vorgestellt werden, finde ich eine feine Sache. Die restlichen Fans, die bis jetzt durchgehalten haben, sind offensichtlich derselben Meinung, denn jeder der Protagonisten wird lautstark abgefeiert. Ganz starker Auftritt.

Damit steht zudem fest, dass mit AVANTASIA auch die letzte deutsche Band im Billing ganz fett abgeräumt hat. Der einzige Wermutstropfen ist, dass gleichzeitig auch noch PARADISE LOST gespielt haben, die es auch wert gewesen wären, zu sehen. Naja, man kann nicht alles haben. AVANTASIA Setlist: "Spectres", "Invoke The Machine", "Black Orchid", "Reach Out For The Light", "Avantasia", "The Story Ain't Over", "The Great Mystery", "Dying For An Angel", "Promised Land", "Farewell", "Shelter From The Rain", "The Scarecrow", "Savior In The Clockwork", "Twisted Mind", "Lost In Space", "Sign Of The Cross / The Seven Angels"


Fazit:
Wie bisher in jedem Jahr war die Organisation beim SWEDEN ROCK vorbildlich. Ständig waren Aufräumtrupps unterwegs, die sofort nachdem eine Bühne frei wurde, den Müll weggeräumt haben. Auch die Security arbeitete unauffällig und stets freundlich. Dass in diesem Jahr auch noch das Wetter mitgespielt hat, war nach den regenreichen letzten Jahren das Sahnehäubchen on top. Und dass die Headliner beim SWEDEN ROCK nicht immer so richtig zünden, ist auch normal – dafür starten sie einfach zu spät. Dafür war in 2013 das Billing aber auch in der Breite enorm stark aufgestellt. Für mich war es im Vorfeld das stärkste Billing, und das hat sich auch im Nachhinein bestätigt. Das Sweden Rock Festival war mal wieder ein Fest. Vielen Dank an alle im SWEDEN ROCK TEAM, der Countdown für 2014 läuft!

All pictures (c) by Dirk Götze for BurnYourEars Webzine

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