Geschrieben von Mittwoch, 18 September 2019 08:20

Joseph Boys + Kontrolle im Tube Düsseldorf - Der Bericht

14.09.2019 – "Ist das Kunst oder kann das weg?" – Nach einer Legende über eine Installation von dem Düsseldorfer Künstler Joseph Beuys, die besagt, dass die Putzfrau der hiesigen Kunsthalle einen Müllberg von Joseph Beuys wegschaffen wollte. Die Nähe zu Düsseldorf, zu Joseph Beuys ist Programm: Kunst ist ein unausweichliches Moment der musikalischen Punkattitüde von den JOSEPH BOYS! Die Band, die sich im Jahr 2015 „aus Margarine zu einem menschgewordenen Agglomerat aus Wut, Erneuerung und Kunst“ formierte, spielte vor einem ziemlich überquellenden Tube in Düsseldorf.

Die recht jung vereinigte Band, die sowas wie "Düsseldorfer Street-Art-Punk" macht, sind alte Bekannte des kunstfördernden und kunstschaffenden subkulturellen Milieu Düsseldorfs. Im Vorprogramm erfrischt uns KONTROLLE aus Solingen, noch jüngerer als die JB, gegründet in den süßen 2017ern. Ihr Debüt „Egal“ ist unterkühlter „Düster-Punk mit Augenzwinkern“. Das klingt schon mal nach einem ereignisreichen Abend voller musikalischer Auf-die-Fresse-Attitüde.

Dark Wave vereint sich mit Punk

Während KONTROLLE die Menge begeistert, sagt Dieter aus dem Publikum sowas wie, er sei ja an das Kindergeschrei von zu Hause gewöhnt, aber die Band sei unfassbar laut für ihn. Er lacht und ist hellauf begeistert über das Soundgewumme der dark-wavigen Punk-Rocker. Dieter kennt halt nur die äußerst hohen Töne eines Kinderstimmbandes, wenn die Gummibärchen wieder leer sind.

Die Unterkühltheit spürt man, aber das ist KONTROLLE, das macht sie spürbar authentisch. Alles passt, alles ist KONTROLLiert auf eine gewisse Art, Emotionsgewusel gibt es da nicht. Klares Durchhämmern an den Synthesizern, dem Schlaginstrument und der Gitarre. Der Gesang: Klare Botschaften, nicht verschnörkelt, aber gewissenhaft durchdacht und auf den Punkt gebracht. Aber kryptisch und damit angehalten zum Nachdenken.

Es ist schon ein hartes Brett, was die drei Solinger da abliefern, das ist kein rein musikalisches Unterhalten, da muss man sich drauf einlassen können. Auf fetzige Wortwitzeleien wartet man hier vergebens, da muss man tiefer graben und zwischen den Zeilen lesen. 

This is not my DUS

Auf beuyeske Art treten die fünf Düsseldorfer auf die kleine Kunstbühne des vollgequetschten Tubes, Projektionen von Texten, Wortfetzen, Werbeparolen auf ihren weißen Bühnenoutfits. Im Hintergrund die mahnenden magischen Worte auf der Tube-Letterbox: "This is not my dus!" Davor auf der Bühne: Musikalisch 1a auf die Mappe gehauen! Also wenn KONTROLLE schon ein Brett war, was ist das dann jetzt? Hammergeröll auf Joseph Beuyssche Art? Was würde denn Joseph Heinrich (Beuys) eigentlich dazu sagen? Mitwippend erfreut er sich an diesem fundamentalen Werk musikalischen Aufbegehrens im Düsseldorfer Schnösel-Hort.

Randinformation: Düsseldorf hat mittlerweile eine massiv schrumpfende alternative Szene. Die Gentrifizierung der ganzen Stadt geht seit Jahren einher. Ein schleichender aber voranschreitender Prozess. Anfang dieses Jahres wurde die von Andreas Artelt (Sänger der JB) und Fränkie Disco (weiteres Mitglied der JB) einst gegründete Brause-Metzgerei Schnitzel ev. Kunst- und Kulturverein dem Erdboden gleich gemacht. Was früher ein Raum für jede Art von Kunst war, existiert nun nicht mehr. Darin begründet sich vielleicht auch die aufsteigende Wut der fünf Kunstschaffenden JOSEPH BOYS, die nicht nur Bock auf Musik zusammen haben, sondern auch mit klugem Wortwitz auf JOSEPH BOYssche Art Düsseldorfs gesellschaftliche Abgründe aufzeigen.

„Rochus“, das im April diesen Jahres erschienene Debütalbum der fünf Boys, überzeugt mich in der Live-Darbietung vollends. Anfangs war ich überzeugt, dass es sich um eine elitäre verkopfte Durchmischung von Punk, Kunst und zu viel Ernsthaftigkeit handeln könnte, dem Vorurteil kann ich nicht statt geben. Um es mit den Abschlussworten Artelts auf den Punkt zu bringen: Letzte Nummer ich und du und er und sie … sind wir alle gleich!

Publikum-Outtakes

Nach dem Konzert ist vor dem Konzert: Ulli sagt sowas wie, das heute Abend ist so typisch deutsch für sie. Es sei schön, wieder hier zu sein. (Ulli hat die letzten 20 Jahre in der halben Welt verbracht, New York, Afghanistan, Australien und jetzt zurück nach Krefeld. Sie ist dankbar, dass Dirk sie heute Abend zu diesem musikalischen Fiasko mitgenommen hat.) Dirk sagt, dass er die JOSEPH BOYS zum ersten Mal als Vorband der FEHLFARBEN erleben durfte, das hat ihn umgehauen, deswegen wollte er mit all seinen musikbegeisterten Freunden diesen Abend zusammen genießen.

Zusammengefasst: Prädikat äußerst sehenswert! Folgende Tourdaten könnten euch einen wundervollen Abend bescheren. Erscheint zahlreich.

28/09/2019 - Hamburg, Störte + tba
11/10/2019 - Wermelskirchen, Ajz Bahndamm + Ernste 77 und Kontrolle
12/10/2019 - Kassel, Sandershaus Keller
26/10/2019 - Münster, Gleis 22 + Slime