Geschrieben von Mittwoch, 04 Juli 2007 17:34

Hell Sweet Hell Festival - Freiburg / Crash


Review

 

23.06.07 - Seit zwanzig Jahren vielen ein Dorn im Auge, seit zwanzig Jahren mehr oder weniger häufig Ziel von Hausbesuchen der örtlichen Polizei und seit zwanzig Jahren Versammlungsort für alle, die in die regulären Diskotheken nicht gehen wollen oder nicht hereingelassen werden. Das Freiburger „Cräsh" ist zudem legendär für heiße, familiäre und laute Konzerte im Süden, an denen ich schon unzählige Male literweise schwitzte. Von diesem Samstag erhofften wir uns bei diesem Aufgebot natürlich Einiges, während wir in der Abendsonne oben an der Straße saßen. Immerhin hatten alle auf dem Programm stehenden Gruppen mindestens einmal in meiner Anwesenheit getobt, sodass ich mein Luftschloss nicht nur auf Sand baute.

Ich habe selten so viel Energie und Druck bei einer Vorband erlebt, wie nun bei LIES BEHIND THE SMILE. Verglichen mit dem Auftritt im Frühjahr des letzten Jahres hatten sie einiges in Sachen Posen, Bühnenpräsenz und Druck gelernt und drehten zu dem nahezu perfekt gemischten Klang noch ein paar Gänge hoch. Brutal, modern und solide zimmerten die Fünf ein Metal-Brett, das der nicht von der Hand zu weisenden etablierten, internationalen Konkurrenz problemlos das Wasser reichen kann.
Mit „Lifelessness", „Funeral Procession" und „Helpless Devotion" gaben sie zwar den Großteil der mir bekannten Veröffentlichung zum Besten, doch verzichteten leider auf „Just To Be Sure", dem meiner Meinung nach besten Stück auf dem handgemachten Wurf. Neue Stücke gab es auch, und obwohl das Publikum vereinzelt ein paar Gymnastikübungen zum besten gab, waren die Reaktionen seltsamerweise zurückhaltend. Applaudiert, bejubelt und honoriert wurden die Offenburger aber trotzdem, und ich freue mich auf ein nächstes Mal.

PRAY FOR REDEMPTION hingegen waren noch einen Zacken weniger leicht zugänglich, denn ihre Laute schienen direkt aus der Unterwelt zu hallen. Durch Mark und Bein fuhren die ätzend schweren Gitarren und dumpf und dröhnend zogen die Schwarzwälder eine Spur der Verwüstung hinter sich her. Melodien, Harmonien und Erbarmen suchte man hier vergebens.
Die Reaktionen waren auch hier ähnlich, und ein gutes Duzend Matten wirbelte bereits die warm-feuchte Sommerluft durch den Keller. Wie ihre Vorredner spielten auch sie etwa dreißig Minuten, bevor sie das Feld räumten.

Ich schätze, dass kaum eine Band aus Freiburg und Umgebung derzeit so gefeiert wird, wie FEAR MY THOUGHTS - vorausgesetzt, man sieht von dem letzten „Popstars"-Wurf einmal ab. Spätestens seit „Vulcanus", das ich zu meiner Schande kaum kenne, taucht ihr Name andauernd im Zusammenhang mit gut gemachtem Death Metal mit verschiedenen Anleihen auf.
Reine akustische Energie, wie sie mitreißender und kompromissloser kaum sein kann, schwemmte über den inzwischen gut gefüllten Zuschauerraum. Ob "Accelerate Or Die", "Hell, Sweet Hell", das fabelhafte "Windows For The Dead" oder die in der Zugabe zum Besten gegeben Stücke "Fear My Thoughts" und "Reign" ließen für Zweifel kaum Platz. Bei den neueren Stücken trieb eine Synthesizer-Spur im Hintergrund die verspielten und tödlichen Gitarren voran, während das Schlagzeug alles in mundgerechte Häppchen zerhackte. Von Schweiß getränkte Haare kreisten durch den heißen Dunst aus Kunstnebel und Wasserdampf mit einer Note von teils kaltem Zigarettenrauch, während die Jungspunde um ihr Leben liefen und tanzten.

MAROON konnten trotz fehlenden Heimvorteils dem Ganzen meist das Wasser reichen, auch ihre steinharte Mischung aus rhythmischem Todesmetall mit dick Ethik und aggressiven Tanzpassagen sorgte für eine hervorragende Stimmung. Von "Sword And Bullet" über "Wake Up In Hell" bis hin zu "The Worlds Havoc" wurde alles geboten, und sogar "Annular Eclipse" klang ohne den zwar witzigen, aber nicht gerade angenehmen Eunuchengesang auf Platte ziemlich fetzig. "At The Gates Of Demise", "And If I Lose Welcome Annihilation", "24 Hour Hate" oder "Endorsed By Hate" animierten zu einem Tanz, den ich selten so friedlich, entschlossen und dynamisch gesehen habe. Es geht anscheinend auch ohne gestauchte Nasen und gebrochene Finger. Ob das daran lag, dass Viele, die für platzintensiveren und umstritteneren Ausdruckstanz bekannt sind, auf dem Pressure-Festival herumhingen, weiß ich nicht, doch empfand ich die Atmosphäre wesentlich entspannter und familiärer als bei meinem letzten Konzert dort.

Gnadenlos, sympathisch und mit Begeisterung bei der Sache: Was bleibt mir dazu noch zu sagen? Verschwitzt, begeistert und glücklich lösten wir nach den Zugaben unser Stelldichein an diesem milden Sommerabend auf und traten unsere Heimwege an. 

Fazit: Vier gewinnt!