Geschrieben von Samstag, 09 März 2013 14:30

Neaera, Bury Tomorrow & The Defiled - Schlachthof, Wiesbaden

NEAERA haben gerade ihr beeindruckendes Album „Ours Is The Storm" veröffentlicht – eine Scheibe, die durchweg positive Reaktionen von der schreibenden Zunft kassiert hat. Aber was nutzt die geilste Platte, wenn live nix rüberkommt? BurnYourEars war für Euch im Schlachthof Wiesbaden, traf Benny zum Interview im Stasi-ähnlichen Kämmerlein und genoss das NEAERA Konzert mit THE DEFILED und BURY TOMORROW als Support. Wer NEAERA noch nicht live gesehen hat, sollte sich schleunigst beeilen.

Auch wenn ich damit etwas vorweggreifen muss: NEAERA entfachten keinen Sturm... sondern einen Orkan! Schon weit vor Einlassbeginn um 19 Uhr war einiges los vor dem Schlachthof Wiesbaden, übrigens eine Location mit genialer Lage. Für Autofahrer gibt es Parkplätze en masse und der Bahnhof liegt in Fußnähe. Wir kamen kurz vor Einlass an und durften Sänger Benny backstage treffen, um ihm einige Fragen zu stellen. (Siehe Interview) Das Publikum vor der Halle war schon drollig anzusehen, wies eine gesunde Mischung aus Metalheads und Corefreunden im Sportdress auf.

Nach dem Interview zurück in der Halle, ging es gleich los mit THE DEFILED, die sich zumindest lookmäßig von der Coreszene abhoben. Ein Tauber würde sicher denken, dass auf der Bühne eine abgedrehte Gothic Elektroformation auftritt und keine Mischung aus Core, Metal und irgendwie auch Industrial aus den Boxen schallt. THE DEFILED gaben alles und wurden von einigen Fans auch ordentlich abgefeiert, während viele sich von etwas weiter weg mit dem ungewohnten Anblick vertraut machten und lediglich kopfnickend mitfeierten. War schon spannend anzuschauen, wie sich die komplette Band um Kopf und Kragen bangte. Highlight war auf jeden Fall der Keyboarder, der sein blutiges Tasteninstrument ordentlich durch die Gegend schleuderte. Ich kannte schon einige Lieder der Band und habe sie als erfrischend und anders wahrgenommen, rückblickend kann ich sagen, dass bei keiner der folgenden Bands der Bass so enorm gedrückt hat, wie bei THE DEFILED. Ich mag den Sound der Band und einige Umstehenden gaben an, die Band mal daheim in Ruhe anhören zu wollen. Mutige Wahl und tolle Show!

Wer sich bei den folgenden BURY TOMORROW nicht in Sicherheit brachte, wurde gnadenlos in den Pit gezogen. BURY TOMORROW sind live deutlich härter und impulsiver, als sie auf Platte rüberkommen. Ich kenne lediglich deren Album „The Unions Of Crown", welches ich als etwas zu soft empfand, aber live konnte mich die Band komplett überzeugen. Da wurden Pits gestartet, gesurft, was die überschaubare Menge hergab, und auf der Bühne war mitreißendes Gewusel. Der Gitarrist erklomm den Boxenturm ebenso wie der Bassist und auch der Sänger. Sportdress war hier auf jeden Fall angesagt. Leider hat der Schlachthof zwei dicke Pfeiler, die irgendwie störten, aber trotzdem hatte das Publikum ordentlich Spaß am energetischen Auftritt. Überraschenderweise waren sogar viele wegen BURY TOMORROW gekommen und zogen nach dem Auftritt ab.

Selbst schuld, kann ich nur sagen, denn im Anschluss um ca. 21:45 Uhr fegten NEAERA auf die Bühne. Mit dem Titelsong vom neuen Album „Ours Is The Storm" machten die Münsteraner klar, was in der nächsten knappen Stunde (viel zu kurz!) das Programm sein würde. Nämlich Feiern, Tanzen, Bangen, Springen, Schreien und einfach hemmungslos Durchdrehen. Das Tolle an NEAERA ist, dass die Band auf der einen Seite große Songs am Start hat und fette Produktionen abliefert, aber auf der anderen Seite auch noch wirklich mit den Fans gemeinsam feiert. Sänger Benny geht ebenso auf das ständig reingegröhlte „Münsteeeeeeeeeeeer" ein, wie er sich auch andauernd auf die Menge plumpsen lässt, Hände abklatscht, Fans auf die Bühne kommen lässt und es irgendwie kaum zu fassen scheint, dass die Fans das natürlich extrem geil finden.

Beim zweiten Stück des Abends „Walls Instead Of Bridges" war die Stimmung schon dermaßen am Kochen, dass man auf den letzten Song des Abends getippt hätte. Unfassbar, wie kurz (Sekunden?) die Warmlaufphase von Band und Publikum auf einem NEAERA Konzert ist. Von null auf eine Million in wenigen Augenblicken! Ebenso beim folgenden „Armamentarium", welches den Pit ebenso zum (durch)drehen brachte, wie „Decolonize The Mind" und „Through Treacherous Flames" vom neuen Album. Ohne Gnade bretterten NEAERA mit ihrer spannenden Mischung aus Death Metal, Black Metal und Core über das Wiesbadener Publikum und auch wenn Benny sich bedankte, dass die Leute extra gekommen seien und dann auch noch an einem Donnerstag, so schien es für die Fans doch vollkommen selbstverständlich.

Benny gab Anweisungen zum Thema „Circle Pit, aber richtig!", indem er auf die Dringlichkeit der Einigung auf eine Richtung hinwies und auch auf die zwei Spaßbremsen, die eingangs genannten Pfeiler. Besonders habe ich mich über "I Loathe" gefreut, auch wenn viele die "Omnicide Creation Unleashed" Platte eher mäßig fanden. Mir hat genau diese "Ohne Ende auf die Fresse" Platte von NEAERA besonders gut gefallen. Auch wenn NEAERA gar nicht sooo dicken Sound in Wiesbaden hatten, man konnte die Black Metal Parts besonders gut genießen und auch die Blastattacken kamen richtig toll an. Stimmlich war ebenfalls alles im Lot, einwandfrei wurde gekonnt zwischen Schreien und Growling gewechselt.

Zwei Damen enterten die Bühne und sprangen freudig in die Menge, trotz „Grapscherwarnung" von Benny, der sich selbst kurze Zeit später wieder in die Masse schmiss. Ich hatte den Eindruck, dass NEAERA am liebsten direkt in der Menge gespielt hätten. Doch auch so war praktisch keine Distanz zwischen Band und Publikum.

Ein toller, schweißtreibender Abend ging zu Ende, der sich mit Nackenschmerzen gerächt hat und leider viel zu kurz war. NEAERA sehe ich immer wieder gerne, die Band sollte mal überlegen, ob man ihre Konzerte von der Krankenkasse als Kurse zur Aggressionsbewältigung zertifizieren lassen kann. Das Publikum schien komplett platt, viele mussten sich schon zwischendurch mal kurz an der Seite hinsetzen. Stressgefühle dürfte an dem Abend keiner mehr gehabt haben, eher entspannende Müdigkeit.



NEAERA sind eine tolle Band, die es schafft authentisch zu bleiben und mit ihrer überschäumenden Spielfreude zwingend ansteckt. Geilster Kommentar, den ich beim Verlassen der Halle gehört habe "... tja, besser als daheim auf der Couch Fernseh' kucken, oder?" Ja, aber mindestens! Hier auch nur die kleinste Kritik bezüglich Engagement oder Liveperformance zu bringen, wäre schon fast unverschämt.

Setlist NEAERA

Intro: The Deafning
Ours Is The Storm
Walls Instead of Bridges
Armamentarium
Decolonize The Mind
Spearheading The Spawn
In Defiance
I Loathe
The World Devourers
Plagueheritage
hrough Treacherous Flames
Let The Tempest Come

Zugaben:
Paradigm Lost
Synergy