Sólstafir - Endless Twilight Of Codependent Love

Sólstafir - Endless Twilight Of Codependent Love
    Post Rock / Metal

    Label: Season of Mist
    VÖ: 06.11.2020
    Bewertung:7/10

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25 Jahre im Geschäft, haben sich SÓLSTAFIR schon lange von den Zwängen und limitierenden Faktoren der Industrie befreit. Ursprünglich als Atmospheric-Black-Metal-Projekt gegründet, sind die Isländer ihren Wurzeln und damit auch der klassischen Metalszene seit Jahren entwachsen. Stattdessen waren es Shoegaze- und Post-Rock-Anleihen, welche der Band seit 2011 zum endgültigen Durchbruch verhalfen. Inzwischen fiebern Musikkritiker wie Musikfans aller Couleur den neuen Machwerken entgegen.

Da stellt auch "Endless Twilight Of Codependent Love“ keine Ausnahme dar. Schon seit Wochen dominiert der Nachfolger des 2017 erschienen "Berdreyminn“ die Werbebanner einschlägiger Seiten. Und wen wundert es, schließlich liefert das siebte Studioalbum der Isländer einmal mehr genau das, was von SÓLSTAFIR erwartet wird: ein fast schon unangenehm eigenes Werk, an welchem sich der geneigte Hörer gleichzeitig reiben und erfreuen kann.

Ungewohnte Songstrukturen

Das verdeutlichte schon die erste Singleauskopplung "Akkeri“, welche auf "Endless Twilight Of Codependent Love" zudem als Opener fungieren darf. Musikalisch ein Rundumschlag durch einen beträchtlichen Teil der Historie der Isländer, verzichtet das zehnminütige Stück vollständig auf die konventionelle Vers-Refrain-Vers-Struktur. Stattdessen führt "Akkeri“ von A nach B, windet sich durch immer neue instrumentelle Auswüchse und entfaltet so gegen Schluss seine vollständige emotionale Wucht.

Ein Muster, welches sich in vielen Stücken des Albums wiederfindet. So steigert sich das bluesig beginnende "Or“ schließlich zu einem gitarrengetriebenen Rock-Orkan, welcher nicht zuletzt an den grandiosen "Ótta“-Opener "Lagnætti“ erinnert. Der Zweck dessen liegt auf der Hand: SÓLSTAFIR rücken die erzählten Geschichten und Erfahrungen mitsamt den damit verknüpften emotionalen Komponenten ins Zentrum der Aufmerksamkeit.

Gewohnter Tiefgang

Und das funktioniert, nicht zuletzt aufgrund Tryggvasons beeindruckender Gesangsleistung. Dank dieser fallen die auf Isländisch gehaltenen, und damit für eine Vielzahl der Hörenden unverständlichen Texte (einzige Ausnahme: "Her Fall From Grace“), kaum ins Gewicht. Was das Hirn nicht verarbeiten kann, übernehmen hier die Ohren selbst – Tryggvasons Stimme macht die Texte allein durch ihre schiere Vielseitigkeit mit den Sinnen erlebbar und verständlich.

Nichtsdestotrotz lässt sich "Endless Twilight of Codependent Love“ bei aller Qualität auch kontrovers diskutieren. Zwar liefern die Isländer einmal mehr einen stilistisch ansprechenden und vielfältigen Output ("Dionysus“ lässt sogar die Black-Metal-Wurzeln wieder zum Vorschein kommen), an die Klasse eines "Ótta“ oder "Svartir Sandar“ reicht das Siebtwerk allerdings nur selten heran. Vielmehr entsteht teils der Eindruck, dass sich SÓLSTAFIR mit der ein oder anderen Idee verzetteln und die Kunst der Komposition zum reinen Selbstzweck erheben.

Ein klassisches Kritikeralbum

Unter dem Strich lässt sich "Endless Twilight of Codependent Love“ dementsprechend in die Kategorie eines klassischen "Kritikeralbums“ einordnen. Ein Album, über das sich viel schreiben, philosophieren und diskutieren lässt, welches bei aller Brillianz aber auch nicht selten an der eigentlichen Zielgruppe vorbeischießt. Am Kauf sollte das nicht hindern: "Endless Twilight of Codependent Love“ will erlebt und gehört werden. Ob es gefällt, steht aber auf einem anderen Blatt.

Tracklist

  1. Akkeri (10:10)
  2. Drýsill (08:52)
  3. Rökkur (07:06)
  4. Her Fall From Grace (06:36)
  5. Dionysus (05:31)
  6. Til Moldar (04:29)
  7. Alda Syndanna (04:30)
  8. Or (06:58)
  9. Úlfur (08:49)