Vogelfrei - der Dämmerung Entgegen

Vogelfrei

Stil (Spielzeit): Rock (42:42)
Label/Vertrieb (VÖ): Street Justice Records (13.05.11)
Bewertung: 8 / 10
Link: http://www.myspace.com/vogelfrei-torgau

Die Überraschung des Monats… Nicht unbedingt, weil VOGELFREI so viel besser sind, als ich vermutet habe, sondern eher, weil die musikalische Ausrichtung dieser Band so komplett anders ist. Ich war bisher dem Irrglauben verfallen, dass die Jungs aus Torgau den typischen Deutschrock spielen, welchen man von Bands wie FREI.WILD oder BÖHSE ONKELZ kennt und mehr oder weniger berechtigt der verkappt rechtslastigen Ecke zuordnet. Doch mit solch plakativ nationalstolzen oder auch bloß stumpf unzufriedenen Texten und Parolen zu immer gleich klingenden Stromgitarren hat dieses sächsische Duo glücklicherweise herzlich wenig zu schaffen. Die Musik von VOGELFREI lässt sich tatsächlich äußerst schwer mit anderen Bands vergleichen, da hier eigentlich jedes Stück eine Art Ballade darstellt. Und doch ist fast durchgehend eine gewisse Kraft zu verspüren, welche die Songs nach vorne treibt und den geneigten Hörer zum rhythmischen Mitwippen anregt. Diese seltsame Mischung aus krass emotionaler Melancholie und musikalisch verdeutlichter Stärke habe ich so zuvor noch nicht gehört. Das macht diese Band zu einem echten Unikat und dürfte die Fangemeinde ziemlich vielfältig gestalten. Das hier ist sozusagen das etwas rocklastigere Pendant zum gemeinen Doommetal...
Nun gut, meine Recherche nach älteren Werken der Jungs ergab zwar, dass diese gefühlvoll und ruhig anmutende musikalische Vorgehensweise erst auf „Der Dämmerung Entgegen“ so richtig ausgeprägt wurde und auch eine offenkundig unpolitische lyrische Ausrichtung nicht immer so klar war wie heutzutage, aber mit dieser ewigen Diskussion möchte ich mich hier aufgrund mangelnder Sachkenntnisse wirklich nicht auseinandersetzen. Denn Gerüchte und Fakten sind schwer zu differenzieren und hier geht es primär um die Musik. Also stellen wir die Vergangenheit doch einmal hinten an und konzentrieren uns auf VOGELFREI im Jahre 2011. Hier hat sich einiges getan seit der letzten Scheibe namens „Zwischen Sehnsucht Und Rebellion“, welche vor sieben Jahren ihre Hörerschaft noch mit etwas härteren Klängen zu überzeugen versuchte. Doch der Pogo ist nun immer mehr dem Schunkeln gewichen und der Melodieanteil hat an Intensität zugenommen. Und obwohl die Geschwindigkeit jetzt nur noch selten wirklich tanzbar ist, so vermag diese Scheibe ihren Konsumenten doch stets in ihren Bann zu ziehen. Oder gerade deswegen. Denn man ist schon stark verleitet, seine Gedanken schweifen zu lassen und sich ganz und gar der Musik hinzugeben, wenn die zwölf Tracks auf „Der Dämmerung Entgegen“ aus den Boxen schallen. Ganz einfach Musik zum Träumen...

Daher rührt vielleicht auch der Albumtitel. Denn die Platte eignet sich wohl am besten, dann gespielt zu werden, wenn sich der Tag dem Ende neigt. Oder auch gerade beginnt. Die leicht schwermütige Atmosphäre sämtlicher Titel passt wunderbar zum augenringbesetzten Ende einer wilden Partynacht genauso wie zu romantischer Zweisamkeit vor der untergehenden Sonne. Eine andere Interpretationsmöglichkeit wäre auch die Tatsache, dass die Songs fast alle eine gewisse Zeit benötigen, um sich nachhaltig im Ohr festzusetzen. Sollte beim ersten Durchlauf der Funke noch nicht so richtig übergesprungen sein, dann empfehle ich dringend, der Scheibe noch mindestens zwei weitere Chancen zu geben. Auch bei mir hat es etwas gedauert, bis ich mich dabei ertappt habe, die Texte mitzusummen und mich auf bestimmte Titel zu freuen. Doch nach dieser etwas holprigen Anlaufphase weiß die Platte auf alle Fälle eine intensive Langzeitmotivation aufzuweisen. Wenn auch das Wort „gewöhnungsbedürftig“ wohl auf kaum eine andere Band in diesem musikalischen Sektor so passend zutrifft wie auf VOGELFREI...

So werden sowohl Fans von SCHANDMAUL und Konsorten als auch Anhänger von Bands wie UNANTASTBAR mit diesem originellen Duo etwas anfangen können. VOGELFREI sind irgendwo dazwischen anzusiedeln. Man muss sich nur auf die etwas merkwürdigen lyrischen Ausführungen einlassen können, welche allerdings von einer sehr angenehm beruhigenden Stimme vorgetragen werden. Leicht an der Grenze zur Langweiligkeit, aber einfach schön...

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