Kettcar - Zwischen Den Runden

Kettcar Zwischen_den_Runden

Stil (Spielzeit):
Rock / Pop / ? (41:07)
Label/Vertrieb (VÖ): GHvC / Indigo (10.02.12)
Bewertung: 7 /10

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KETTCAR waren für mich mal DIE Band der Stunde. Ich habe ihre allererste Show gesehen, die damals verteilte EP abgefeiert, sie so oft gesehen wie es sich anbot und dann gejubelt, als sie ihr Debütalbum ankündigten. Und "Du und wie viel von deinen Freunden" ist für mich bis heute eines der wichtigsten und besten deutschsprachigen Alben überhaupt.

Mit „Von Spatzen und Tauben, Dächern und Händen" kam dann die Ernüchterung: der eingeschlagene Weg wurde gegen jede Menge ruhigere Töne ausgewechselt. Bis heute kann ich fast nichts mit diesem Album anfangen. Als dann ihr letztes Album „Sylt" erschien, habe ich mich schon gar nicht mehr rangetraut. „Graceland" war cool als Single, aber lieber ein wenig Mythos bewahren, statt eine ehemalige Gott-Band begraben zu müssen.

„Zwischen Den Runden" ist jetzt ein neuer Versuch mit den Hamburgern. Und was soll ich sagen? Es ist doch wesentlich besser zwischen uns gelaufen, als ich erwartet hatte.
Zwar waren sie vermutlich noch nie poppiger, aber ich finde die Songs alle wesentlich stimmiger als die „Von Spatzen...". Auch die ganz ruhigen Songs gehen hier absolut in Ordnung. Aber das liegt auch daran, dass sich bei KETTCAR nun mal einiges getan hat: mehr Streicher und Bläser (teilweise schon beinahe jazzig), das Keyboard übernimmt eine sehr wichtige Rolle und die Gitarren sind meist akustisch und fast eher hintergründig. Das klingt nicht wie die Suche, sondern wie das Angekommen-Sein.

Auf WDR4 (dem Hausfrauen/Schlager-Sender in NRW) wurden die BROILERS vor kurzem als neuer deutscher Schlager angekündigt – keine Ahnung was diese Blitzbirnen dann erst über KETTCAR anno 2012 schreiben müssten – aber das soll uns egal sein (zu Anfangstagen habe ich mich mal über den Vergleich zu PUR mit Alkoholproblemen totlachen dürfen). Denn KETTCAR haben nach wie vor etwas, das ihnen kaum jemand nachmacht: die Texte. Und die mehr als individuelle Stimme von Marcus Wiebusch. Ein paar schöne Liebeslieder sind dabei, tragische Geschichten, Gesellschaftskritik (weit ab von: böse Politiker und Bonzenschweine, aber da waren ja bereits die Vorgängerbands RANTANPLAN und ...BUT ALIVE absolute Ausnahmestellungen) und der alltägliche Wahnsinn. Und selten waren sie deutlicher in den Liebesliedern.

Aber es gibt noch ein paar Stücke, die zumindest ansatzweise erkennen lassen, dass hier mal der Punk der Vater der Musik war. Wenn auch nur im Gestus oder der Einstellung. Es klingt halt heute nur anders (checkt mal „Schrilles buntes Hamburg" aus). Was ich an KETTCAR bewundere, ist der Mut zur Veränderung (auch wenn ich nicht unbedingt mit den Ergebnissen zufrieden bin) – das muss man sich aber erst mal trauen – auf Nummer Sicher gehen klingt anders.

Es ist zwar auch mit ihrem vierten Album einfach, die Band (gegründet 2001) abzukanzeln, wenn man ansonsten eher auf kreischende Gitarren steht – aber man würde sich eine extrem gute Band entgehen lassen, die konsequent ihren Weg geht . Und dabei viele Umwege mit Absicht einschlägt. Zwar ist das schon extrem poppig, aber auf eine gute Art. Ich glaube, ich sollte mich doch noch mal an „Sylt" versuchen. Wenn ich das hier auch nicht als eine der Platten des Jahres anpreisen kann, bin ich doch froh, mich wieder mit KETTCAR beschäftigt zu haben.