Aus einer winzigen Jugendidee wuchs ein professionelles Bandprojekt, das nun ein Vierteljahrhundert überdauert hat, sich immer ernst nahm (aber nie zu sehr), eine kontinuierliche Weiterentwicklung vollzog und seinen eigenen Stil formte. LOGAR’S DIARY entstand 1998 in Berlin und erzählt die Abenteuer des Magiers Logar durch melodischen Powermetal. Kern des Ganzen sind Steven Schubert (g), Felix Gretzer (b, g) und Hagen Hirschmann (v). Momentan liegt die Band auf Eis – aber darunter glimmt noch ein Feuer.
Vom Bahnhof nach Bartertown
Die Bandgeschichte beginnt mit einem herrlich typischen Endneunziger-Szenario einiger gerade so eben volljähriger Metalheads. Hagen (v) erinnert sich: „Wir kannten uns vom Schulweg. Also, wir waren nicht auf derselben Schule, aber man stand halt am Bahnhof und kannte sich vom Erscheinungsbild, von den Metalshirts. Da hat man dann mal gesagt, ‚Ey, cooles Shirt!‘, und auch mal erfahren, dass jemand Gitarre spielt.“
In der aufkommenden Berliner (Live-)Metalszene waren zu diesem Zeitpunkt eher die härteren Gangarten angesagt. Felix (b, g) und Hagen starteten damals in der Death-/Thrash-Metal-Band DAWN – „relativ vertracktes, hartes Zeug. Aber wir haben totzdem auch immer melodischen Metal gehört. Wir haben uns ohnehin unser ganzes Leben lang als Metaller im Gesamten gesehen, über alle Genre-Grenzen hinweg.“
So wurde am Rande der Proben auch mal der ein oder andere balladeskere Ton angeschlagen und es reifte die Idee, diese Linie weiter auszubauen. Mit Christoph Uhl (g) fand sich ein weiterer hochmotivierter und prägender Mitstreiter. Inspiriert von Fantasywelten aus Rollenspielen und dem großen Vorbild BLIND GUARDIAN war es jedoch Steven (g), der den Anstoß zu einer Konzeptband gab und mit „Logar“ eine Figur erschuf, die genug Erzählstoff für lange Jahre musikalisches Schaffen lieferte.
Eine Welt, drei Bücher
Magier Logar ist ein frei erfundener Charakter aus dem Pen-&-Paper-Rollenspiel „Earthdawn“, einer Art Prequel von „Shadowrun“. Entsprechend lesen sich die Lyrics von LOGAR’S DIARY wie das Buch zum Spiel und die Musik könnte der offizielle Soundtrack sein. Überall finden sich Bezüge zum Earthdawn-Universum (wie etwa die Handelsstadt Bartertown oder die „Kaers“, in denen man sich vor Dämonen schützt) – aber auch ohne Kenntnisse dieser speziellen Materie vermittelt sich der grundsätzliche Fantasy-Vibe sofort.
Logars Abenteuer erstrecken sich über drei Alben: 2001 erschien das Debüt „Book I: Iostros“, anfangs als reine Demo, komplett in Eigenregie produziert und vertrieben, später in einer Sonderedition über ein brasilianisches Label. 2006 folgte „Book II: Parlainth – The Forgotten City“ via Metal Fortress Entertainment und 2016 schließlich „Book III: At the Crossroads“, eher eine umfangreiche EP, wieder aus eigenem Hause.
„Dreaming Wide Awake“ – Der Opener des dritten „Buchs“ überrascht mit harscheren Vocals.
Episch, melodisch, DIY
Musikalisch bewegt sich LOGAR’S DIARY seit jeher im melodischen Powermetal, angereichert mit sinfonischen und folkigen Elementen. Keyboard-Wälder, mittelalterliche Klangbauten und hymnische Gitarrenströme bilden Logars akustische Welt. Im späteren Verlauf geht es gelegentlich auch mal growlig-düster zur Sache. Steven und Felix komponieren dabei üblicherweise die Instrumentals, während Hagen die Gesangsmelodien beisteuert und, basierend auf Stevens Logar-Abenteuern, die Texte verfasst. Die Poduktion vom Recording über das Mixing bis teilweise sogar zum Mastering lag schon immer in Felix‘ Händen, der zwischenzeitlich eine Ausbildung zum Tontechniker absolvierte.
Reviews der drei Alben verzeichnen einen enormen Qualitätszuwachs: „Book I“ hört man – neben absoluter Leidenschaft – seinen Democharakter durchaus an, während „Book II“ erheblich professioneller und vielschichtiger daherkommt und allerspätestens „Book III“ sich vor den Werken deutlich bekannteren Genregrößen absolut nicht verstecken muss. Verbesserte Instrumentalfähigkeiten und Produktionsbedingungen, ausgefeiltere Lyrics und vor allem komplexeres Songwriting – kein Wunder, dass sich über die Jahrzehnte hier eine Steigerung in allen Bereichen bemerkbar macht. Vor allem aber ist ein Trademark-Mix entstanden, der LOGAR’s DIARY absolut wiedererkennbar macht – ein einzigartiger Logar-Sound.
Freunde seit Jugendzeiten: Steven, Hagen und Felix bilden den verbliebenen „harten Kern“ von LOGAR’S DIARY. (Foto: Steven Schubert)
Kreatives Chaos
LOGAR’S DIARY war nie auf eine große Karriere ausgelegt gewesen. Umso stärker der persönliche Zusammenhalt: Wöchentlich traf man sich, arbeitete an eigenen Ideen, feierte Metal im Allgemeinen und vernichtete gemeinsam das ein oder andere Bier. Dabei erlebte der Proberaum die unterschiedlichsten Besetzungen, aber der „harte Kern“ – Steven, Hagen und Felix – blieb.
Highlights aus all der Zeit? Für Hagen einerseits der Stolz, aus eigener Kraft etwas erreicht zu haben: „Gerade das erste Album. Da gab es kein Label dahinter oder so. Wir haben das einfach alleine gepresst und mit Christophs Engagement wurde das dann viel in Online-Fanzines bemustert und über Mailorder vertrieben. Und da gab es wirklich eine große Resonanz, wir haben mehrere tausend Stück von diesem Ding verkauft. Das war ein gutes Gefühl, das rein mit der eigenen Power hinzubekommen, das war wirklich sehr, sehr cool!“
Andererseits die – eher rar gesäten – Live-Auftritte. Besonders in Erinnerung geblieben sind Hagen zwei Open-Air-Gigs beim „Rocktreff“ in Berlin. Samstage im Sommer, bester Zeitslot, heimische Fanbasis – Momente, von denen man immer noch zehrt.
Grabstein im Keller
Zwischen „Book II“ und „Book III“ liegen zehn Jahre; fast ebenso viel Zeit ist seit „Book III“ vergangen. Da liegt die Vermutung nahe, es habe längere Bandpausen gegeben. Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Tatsächlich probten die Freunde durchgehend – zumindest bis 2022. Dann wurde LOGAR’S DIARY, nachdem Schlagzeuger und Bassist ausgestiegen waren, doch auf Eis gelegt: „Da habe ich den Proberaum dann wirklich abgesägt und das ganze Equipment, ein riesen Banner und ein Pappmaché-Grabstein, das steht jetzt bei mir im Keller“, resümiert Hagen trocken.
Es sieht also nicht danach aus, dass – nach 2006 und 2016 konsequenterweise 2026 – „Book IV“ ins Haus steht. Dabei gibt es durchaus noch unveröffentlichtes Material („eine Tonne von Ideen“). „Wenn wir jetzt eine neue Scheibe machen wollten, dann wäre es eigentlich gar nicht so aufwändig“, sagt Hagen, „bis auf die Tatsache, dass man eben in diesen Prozess hineingehen muss. Die Flamme müsste neu entzündet werden“.
Der Schunkel-Ohrwurm „Ti’An – A Troubadour’s Ballad“ handelt vom Gedenken an einen tragisch verstorbenen Troubadour. Auftritt beim „Rocktreff“ 2013 – stilecht mit Pappmaché-Grabstein!
Aus der Zauber?
Was die Flamme auf natürliche Weise flach hält, sind in erster Linie die gut laufenden Hauptprojekte sämtlicher Akteure. Hagen ist Leadsänger bei VAN CANTO, einer A-cappella-Metalband mit beachtlicher Festivalpräsenz, kleineren Clubtouren, eingeschworener Fangemeinde und bald 20-jähriger Bandgeschichte. Außerdem betreibt er mit Felix ein kleines Unterhaltungs-Musikprojekt, das Coverstücke und eigene Songs in Kneipen zum Besten gibt. Felix spielt darüber hinaus bei HERZBLUT (deutschsprachiger Punkrock), Steven hat letztes Jahr MASSAFACTION (Oldschool-Deathmetal) neu gegründet.
„Im Endeffekt haben wir uns Wirkungsstellen gesucht, mit denen wir das machen konnten, was mit Logar so nicht möglich war“, bringt Hagen es auf den Punkt. „Wir haben zum Beispiel diesen Sprung nicht geschafft, uns auf Festivalbühnen zu etablieren. Das Bedürfnis war aber schon da und jetzt haben wir alle drei das mit anderen Bands gut hinbekommen.“
Trotzdem ist LOGAR’S DIARY so sehr mit der eigenen Entwicklung der drei Musiker verknüpft, dass es für sie einen ganz besonderen Wert hat. Pause ja, vergessen nie. Weitermachen? Durchaus möglich, irgendwie, irgendwann. Dann aber in erster Linie an internen Maßstäben orientiert, so Hagen: „Logar kann für mich trotzdem eine Band sein, bei der eben in langen Abständen mal was kommt. Ich höre mir die Sachen selber super gerne an. Wenn wir was Neues machen würden, dann erstmal für uns, sodass wir selbst mit dieser Musik glücklich sind. Wenn es dann auch für Publikum funktioniert, sind wir natürlich auch dafür offen.“
Totgesagte leben länger
Eine Band neu zu entdecken, nur um festzustellen, dass sie nicht mehr (so richtig) aktiv ist, ist immer so eine Sache. Fans von melodischem Metal, fantasiereichem Storytelling, ehrlicher Handwerkskunst, nostalgischer Schwärmerei – oder all dem – sei dies im Fall von LOGAR’S DIARY trotzdem wärmstens angeraten. Anders als in ihrer Anfangszeit, als dieses Genre gerade erst aus dem Ei schlüpfte, ist der Markt heute überschwemmt von Ritter-und-Drachen-Kombos. Bands mit wirklich eigenständigem Sound, der sich trotz musikalischer Weiterentwicklung über Jahrzehnte treu bleibt, ohne langweilig zu werden, sind jedoch umso rarer. LOGAR’S DIARY ist eine von ihnen. Logars Magie ist längst nicht verloschen – und wer weiß, vielleicht ist das nächste Kapitel seiner Memoiren doch näher, als man denkt.
Hier findet ihr ein Gespräch mit Hagen Hirschmann über Konzepte, Herausforderungen und Erfolgsfaktoren für Bands.

