Geschrieben von Mittwoch, 01 Mai 2019 15:36

Myrath im Interview: "Metal ist in Tunesien eng mit Satanismus verknüpft"

Endlich steht das lang ersehnte neue MYRATH-Album „Shehili“ vor der Tür. Wir haben uns mit Sänger Zaher Zorgati über das neue Album, die Metalszene in Afrika und die mögliche Veröffentlichung einer Live-DVD unterhalten.

Hallo Zaher, herzlichen Glückwunsch zur Veröffentlichung des neuen MYRATH-Albums "Shehili“. Bist du zufrieden mit der neuen Scheibe?

Danke! Ganz ehrlich, es ist das erste Mal, dass ich mit einem Album zu 100 Prozent zufrieden bin. Wir haben jetzt mehr als zehn Jahre hart daran gearbeitet, unseren eigenen Weg, unseren eigenen Stil zu finden. Und mit "Shehili“ sind wir jetzt am Ende des Weges gelangt und haben musikalisch ein neues Genre geschaffen – Blazing Desert Metal.

Jede Albumveröffentlichung geht immer auch mit der Unsicherheit einher, wie das Album aufgenommen wird. Wie nimmst du das wahr?

Erfahrungsgemäß ist es unmöglich, die Fans zu 100 Prozent zufrieden zu stellen. Jede Band hat da die gleichen Probleme: Das vorherige Album ist besser, das neue ist besser – es ist eine niemals endende Geschichte. Früher hat uns das sehr gestresst, aber wir haben uns daran gewöhnt.

Bevor wir jetzt gleich in das Album eintauchen: Was ist eigentlich der "Shehili“?

Der "Shehili“ ist ein heißer und trockener Wind, welcher aus dem Süden Tunesiens weht. Er ist eine Art "Madeleine de Proust“ für die Band. Jedes tunesische Kind, welches von der Schule heim kam, musste sich dem "Shehili“ stellen.

"Shehili“ ist meiner Meinung nach einmal mehr ein gutes Album geworden. Manchmal habe ich jedoch das Gefühl, dass die Refrains nicht ganz zu der großen Kreativität der Songs selbst aufleben können.

Als Komponist ist es mir überhaupt nicht möglich, das selbst zu beurteilen. Schließlich klingen die Refrains so, wie wir sie uns ausgedacht haben. Von daher denke ich nicht, dass es eine Frage von "zu etwas aufleben können“, sondern eine Frage des Geschmacks ist. Einige Leute teilen uns das Gegenteil mit.

Wir werden immer Leute finden, welche die Refrains lieben werden und – auf der anderen Seite – welche, die völlig unberührt davon bleiben. Und das ist normal, wenn alle unsere Songs mögen würden, würden wir Millionen an CDs verkaufen. (lacht)

"Dance“ ist für mich einer der besten Songs des Jahres bisher. Kannst du uns die Geschichte hinter dem Song erzählen?

"Dance“ ist die Geschichte eines syrischen Tänzers, welcher von ISIS mit dem Tode bedroht wurde. Trotzdem tanzte er weiter und ließ sich sogar "Dance or die“ auf den Hals tätowieren. Es ist eine sehr bewegende Geschichte.

 

Die Zeile „We dance to celebrate our history and faith“ hat mich sehr beeindruckt. Wie wichtig sind diese beiden Komponenten für dich und die Menschheit im Allgemeinen?

Ja klar, die Lyrics lassen sich selbstverständlich auf die Menschheit im Allgemeinen ausweiten, sind aber letztlich sehr persönlich. Vor einigen Jahren erlebte Tunesien den "Arabischen Frühling“ und wir mussten um unsere Häuser kämpfen. Es war sehr schwierig für uns, tagsüber unserer Häuser zu beschützen und nachts "Tales Of The Sands“ zu komponieren und aufzunehmen. Das ist unser Vermächtnis, unser Erbe.

MYRATH ist eine der wenigen afrikanischen Metalbands, welche es je zu Erfolg auf dem europäischen Markt gebracht haben. Wie sehr unterscheiden sich die Szenen auf den Kontinenten?

Die Metalszene in Afrika hat keinerlei Plattform, durch welche sie sich vernünftig entwickeln könnte. Wir haben keinerlei CD-Vertriebe, Plattenlabels oder überhaupt gute Musikläden. Und das ist der Grund, warum so viele Bands einfach nur darum kämpfen, nicht aufhören zu müssen, Musik zu machen. Es ist wie Tag und Nacht, wenn du das zu Europa vergleichst.

Es ist zehn Mal komplizierter für eine afrikanische Band, etwas professionell zu machen. Wir haben ein paar Bands, aber niemand außer MYRATH hat einen Plattenvertrag bei einem Musiklabel. In Tunesien gibt es Bands wie PERSONA, NAWATHER oder CARTHAGODS, aber sie alle kämpfen darum, überhaupt etwas auf die Beine zu stellen. Ohne Hilfe von externen Leuten aus Europa ist es fast unmöglich, etwas zu erreichen.

Hast du schon mal negative Erlebnisse in deiner Heimat gemacht, einfach nur, weil du der Frontmann einer Metalband bist?

Natürlich, Metal ist in Tunesien eng mit Satanismus verknüpft. Ähnlich wie in Europa, nur stärker. Dementsprechend haben wir in der Vergangenheit schon ein bisschen negatives Feedback bekommen. Aber, um ehrlich zu sein, für uns ist das eigentlich fast vorbei. MYRATH ist inzwischen eine der größten Metalbands Afrikas geworden und selbst Menschen, die unsere Musik nicht mögen, fangen an, uns zu respektieren.

Bei eurer Show in Karthago waren ja jetzt auch über 7.000 Besucher im Publikum. Wie war das für euch?

Absolut fantastisch! 7.000 MYRATH-Fans, die geschrien und zusammen gesungen haben – es war eine fantastische Erfahrung. Wir haben die Gelegenheit genutzt, eine wirklich große Show zu präsentieren, mit großen Bildschirmen, Gastauftritten, Bauchtänzerinnen, Percussion etc.. Wir haben gezeigt, wie MYRATH-Shows in der nahen Zukunft auch in Europa sein werden.

Ihr habt die Show ja auch aufgenommen, wie man am Video zur Single "Born To Survive“ sehen kann. Wird es davon noch mehr, vielleicht sogar eine DVD geben?

Selbstverständlich. Wir haben mit zwölf verschiedenen Kameras gearbeitet und sitzen momentan daran, alles zusammen zu schneiden und bald schon eine DVD zu veröffentlichen. Unser Gitarrist Malek ist ein wirklich guter Video-Editor und übernimmt das Zusammenschneiden der verschiedenen Songs für die DVD.

Du hast ja gerade schon angekündigt, dass es die große Produktion eventuell auch bald nach Europa schaffen könnte. Gibt es also schon Pläne für eine Headlinertour?

Tatsächlich arbeiten wir gerade an einer Tour für November 2019. Mehr Daten werden dann in Kürze angekündigt.