Geschrieben von Samstag, 04 Mai 2013 16:03

Turbostaat & Love A - Batschkapp / Frankfurt

Das Konzert der Nordlichter TURBOSTAAT sollte eigentlich im Club Nachtleben Frankfurt stattfinden und wurde aufgrund der enormen Nachfrage ziemlich schnell in die Batschkapp verlegt. Im Gepäck hatten TURBOSTAAT die vier Mannen von LOVE A, ebenfalls mit einer neuen Platte am Start. Somit standen für uns einige Livepremieren an, denn auch wenn „Stadt Der Angst" von TURBOSTAAT und „Irgendwie" von LOVE A wundervolle Platten sind, dann ist live noch immer die Königsklasse und erst dann zeigt sich, ob ein Song wirklich etwas taugt oder eher nicht.

Seit Mitte der Siebziger Jahre gibt es die Batschkapp in Frankfurt, vor kurzem mit dem Live Entertainment Award zum besten Club des Jahres ausgezeichnet! Wer früh genug kommt, kann sogar direkt vor der Tür parken und noch im Supermarkt einige Besorgungen machen oder im Elfer noch ein, zwei Bierchen trinken. Schon weit vor Einlass tummelten sich sehr viele Fans vor der Batschkapp, was sicherlich nicht zuletzt daran liegt, dass sie ein gemütliches Außengelände hat und man sich dort einfach perfekt fläzen kann. Für uns stand eher Reden auf dem Programm, da wir TURBOSTAAT Gitarrist Marten Ebsen zum Interview baten. Spontan nahmen wir uns dann auch noch Bassist Dominik und Sänger Jörkk von LOVE A zum Gespräch vor...

Als wir eine halbe Stunde vor Konzertbeginn wieder runter vor den Club kamen, war dort schon wildes Treiben und mehrere hundert Menschen standen vor dem Gebäude Schlange, um ihre Karten abzuholen oder machten es sich bereits im Club selbst gemütlich. Schon bei LOVE A war der Laden sehr gut gefüllt und pünktlich gegen 21 Uhr trat die Band relativ schnörkellos vor die Menge. Ich habe die Band schon mehrfach live erlebt, aber nicht auf so großer Bühne und auch noch nicht vor so vielen Leuten. Schön zu sehen, dass LOVE A auch in dieser Situation gut rüberkommt und somit nicht zwingend auf kleine Klitschen festgelegt ist. Die Resonanzen auf die beiden Alben sind umwerfend, und selbst wenn immer wieder Vergleiche zu anderen Bands gezogen werden, kann man LOVE A spätestens seit der zweiten Platte eine gewisse Selbstständigkeit im Sound bestätigen. Dass aber dann so viele Besucher vor allem schon mit dem neuen Material (!) textsicher waren, zeigt, dass LOVE A den Nerv der Leute trifft und auf großes Interesse stößt.

„Chefkoch" kam besonders gut an, mit dem Inhalt dieses Stückes können sich sicherlich viele Fans identifizieren. Sänger Jörkk brachte es auf den Punkt: „Bier trinken ist gut, Arbeit ist scheiße". Tja, wo er Recht hat. Richtig Fetz kam auch in der Butze auf, als LOVE A das tanzbare „Entweder" spielten. Genau vor mir stand ein großer Sympathisant der Band (und von Bier), der es eigentlich auf den Punkt brachte. „Schön, dass ihr da seid!" rief er zwischen zwei Songs auf die Bühne. Die Band fühlte sich sichtlich geschmeichelt von all dem Zuspruch und dem euphorischen Applaus. Gerade bei gefühlvollen Stücken wie „Kommen Und Gehen" oder dem kleinen Hit „Windmühlen" standen viele Zuschauer mit geschlossenen Augen vor der Bühne und waren ganz versunken. Besonders der Satz „...Du hast keine Ahnung, wofür mein Herz schlägt. Du hast keine Ahnung, wer ich bin..." scheint viele sehr zu berühren, anscheinend fühlen sich die meisten Menschen doch irgendwie unverstanden von irgendjemandem. Bassist Dominik befand sich eigentlich die ganze Zeit in ekstatischer Schieflage und bearbeitete seinen Bass, während Gitarrist Stefan häufig grinsend den Blick über die Menge schweifen ließ.

Sänger Mechenbier (er hat auch eins gekriegt...) betonte seine Aussagen wie immer pantomimisch und gab alles. Der Mann schwitzt sich bei Konzerten einen ab, das ist unglaublich. Gott sei Dank war genug Flüssigkeit auf der Bühne, um das wieder auszugleichen. Im Vergleich zum Auftritt im Häll Heidelberg, eine wirklich sehr kleine Location, waren LOVE A musikalisch deutlich besser auf den Punkt, was wohl nicht zuletzt der Spielfrequenz geschuldet war... oder einfach Glück, von dem die Band nach eigenen Angaben relativ viel hat. Leider kam Jan von TURBOSTAAT nicht nach vorne, um die „Husum Version" live vorzutragen, dafür stand er aber am Bühnenrand und feierte LOVE A gehörig ab. LOVE A spielte eine tolle Show und werden, warum auch immer, immer besser und immer sicherer. Die Band braucht keine große Lichtshow oder irgendwelche intelligenten Ansagen (was nicht heißen soll, dass die Jungs nur doofe Sachen sagen würden), sondern steht und spricht eindeutig durch ihre Musik. Eins mit Sternchen!



Die Pause zwischen LOVE A und TURBOSTAAT war sehr kurz, leider stand ich bei den ersten Tönen, die kurz nach 22 Uhr von TURBOSTAAT erklangen, beim Klo an. Die Batschkapp war rappelvoll, es war kaum Durchkommen, aber durch die Abstufung im Club konnte eigentlich jeder einen Platz ergattern, von dem aus man gut sehen konnte. TURBOSTAAT sind ebenfalls nicht so die Laberbacken auf der Bühne und konzentrieren sich auf das, wegen dem alle gekommen sind: ihre wundervolle Musik. Die Band gönnte sich und uns einen Ausflug durch fast alle ihre Alben und bot eine vielfältige Setlist. Für die Fans machte es keinen Unterschied, ob es Klassiker oder Neues zu hören gab. Obwohl „Stadt Der Angst" erst kurze Zeit veröffentlicht ist, waren alle text- und taktsicher. Es waren viele unterschiedliche Leute gekommen und jeder genoss auf seine eigene Art und Weise das Konzert. Mir fiel auf, dass TURBOSTAAT nicht ausschließlich junge Erwachsene anspricht, sondern auch viele Fans so um die 35-40 Jahre.

„Oz Antep" von der Platte „Das Island Manöver" hatte ich jetzt gar nicht so als Brüller in Erinnerung, war aber stimmungsmäßig ein Highlight und wurde laut mitgesungen. Sänger Jan nutzte die Bühne richtig aus und dopste von links nach rechts. Von weiter hinten sah das witzig aus, wenn er nur so sporadisch mit dem Kopf auftauchte. Er nahm häufig Kontakt zum Publikum auf, hob das Mikro zum Mitsingen in die Menge und zeigte einige Male unterstützend den Mittelfinger. Ich habe ihn oder auch TURBOSTAAT generell noch nie gelangweilt oder halbgar bei einem Auftritt gesehen, ein TURBOSTAAT Konzert ist immer laut, Band und Fans sind sich nah.

Im Interview offenbarte ich Gitarrist Marten, dass ich „Das Island Manöver" gar nicht so oft am Stück hören kann, da ich die Platte doch als dunkel und bedrückend empfinde. Live ist das mit den Stücken dieses Albums etwas anders. TURBOSTAAT schaffen auf der Bühne das Unmögliche, denn zu eigentlich ernsten und auch traurigen Texten bringen sie die Menschen zum Feiern und fröhlich sein. Ich habe gestern keinen offensichtlich traurigen Menschen gesehen... Besonders "Fraukes Ende" oder "Urlaub Auf Fuhferden" schaffen live meterdicke Gänsehaut und lassen den Zuschauer alles vergessen.

Bei „Harm Rochel" machte Frankfurt Jan aber mal kurz überflüssig, indem wir so laut die Lyrics schrien, dass er richtig verdattert war. Nicht wenige werden mit „Vormann Leiss" bei TURBOSTAAT eingestiegen sein (das war die Zeit, in der die Band durch die BEATSTEAKS einem breiteren Publikum vorgestellt wurde) und deshalb sind diese Lyrics („Guten Tag!...") eventuell besonders packend. Auch beim „Fünfwürstchengriff" wurde das Publikum beschäftigt und bekam die Aufgabe, mit „Alarm!" den Einstieg zu singen. Mich packt dieser Song nicht so richtig, ist mir irgendwie zu schunkelig. Live scheint der Titel aber immer gerne genommen und wird von den meisten frenetisch mitgesungen und dazu im Takt gewippt.

Jan bedankte sich mehrfach für den Zuspruch, die praktisch ausverkaufte Batschkapp und freute sich über die Tatsache, dass Leute alle ihre Karten beim Friesen gekauft haben und eben nicht bei irgendwelchen geldgeilen Zwischenhändlern, die eigentlich nichts zu tun, außer fünf Euro auf die Karte draufzuschlagen und dann am besten nochmals fünf Euro für unversicherten Versand zu verlangen. Was das angeht, tun TURBOSTAAT etwas ganz Einfaches und trotzdem folgen leider so wenige Bands ihrem Beispiel: Sie bieten eine Alternative, nämlich ihren eigenen Ticketverkauf zu fairen Preisen.

Schon seit einiger Zeit spielen TURBOSTAAT „Sohnemann Heinz" auch live, mit der kleinen Besonderheit, dass die komplette Band sich im Halbkreis um das Schlagzeug stellt und im Chor das Ende des Songs singt. „Auf „Sohnemann Heinz" folgte das düstere „Sohnemann Zwei", kein Song zum Mitschwoofen, aber in Folge haben diese Lieder plötzlich eine andere Bedeutung. Denn während „Sohnemann Heinz" ein packender Tanzsong ist, holt einen „Sohnemann Zwei" runter und das Publikum konzentrierte sich darauf, Jan anzustarren, der das düstere Stück sehr schön vortrug.

Zum Abschluss gab es den „Schwan", ein Highlight der TURBOSTAAT Diskografie. In dem Song heißt es unter anderem „...Wärme kommt ins Haus", TURBOSTAAT brachten gestern Wärme in die Batschkapp und spielten mal wieder ein intimes und ansteckendes Konzert. Ganz ohne großes Tam-Tam und Effekte, dafür mit großen Songs und spürbarer Leidenschaft für das, was sie tun. Danke!