Geschrieben von Donnerstag, 08 Januar 2015 18:30

29th Vibe For Philo - Vicar Street / Dublin

Es ist kaum zu glauben, dass sich der Todestag von PHIL LYNOTT am 04. Januar 2015 bereits zum 29. Mal jährt. Für mich persönlich ist die Musik immer noch so präsent und aktuell, wie eh und je. Daher stellte sich im Vorfeld für mich die Frage auch gar nicht, eventuell mal eine VIBE FOR PHILO auszulassen.

Also geht es – für mich dieses Jahr bereits zum 10. Mal – nach Dublin, um einen der begnadetsten Songwriter und Sänger zu ehren und an seine Musik zu erinnern. Als Motto für die Vibe For Philo 2015, die abermals in der Vicar Street stattfindet, hat Veranstalter Smiley Bolger den Songtitel „Get Outta Here" ausgegeben.
Der Vormittag führt mich aber erst mal nach Sutton, zum Grab von Phil Lynott. Dieser Trip hat mittlerweile auch schon Tradition bei mir und wird bei jeder Wetterlage durchgezogen.

Abends geht's dann trotz des Mottos „Get Outta Here" rein in den Club, der im Innenraum und auf der Galerie ca. 1.000 Menschen fassen kann. Ein kleiner Schock beim Betreten der Halle: Der Innenraum, eigentlich Stehplätze, wurde komplett mit Bartischen zugestellt, an denen jeweils vier Hocker montiert sind. Aus Erfahrung weiß ich, dass das einer ausgelassenen Stimmung im Publikum nicht gerade zuträglich ist. Für mich persönlich hat es den Nachteil, dass es dadurch keinen Fotograben gibt und der Wechsel von der linken zur rechten Bühnenseite relativ aufwändig ist. Der zweite Nachteil ist, dass ich die meisten Leute, die ich treffen wollte, während der Show gar nicht finde.

Während einer seiner Ansprachen zwischen den Gigs kündigt Smiley aber bereits an, dass im nächsten Jahr wieder gestanden wird. Dem Applaus nach zu urteilen fällt den zahlreich erschienenen Fans offensichtlich ein Stein vom Herzen. „Sold Out" steht wohl nicht an der Tür, aber die Halle ist gut gefüllt und auch auf der Galerie sind nur wenige freie Plätze zu erkennen.

Mit etwas Verspätung haben THE DARK LANES die Ehre, das diesjährige Event zu eröffnen. Die Band hat bei der JOUNG ROCKERS MATINEE im letzten Jahr mit ihrer Version von „The Rocker" fett abgeräumt, und als Dank für die Performance dürfen sie dieses Mal beim Main Event ran. Gitarrist und Sänger Kevin, Bassistin Deborah und Drummer Josh treten eigentlich als Trio auf, haben sich aber heute mit Gitarristin Edwina Hopkins verstärkt und geben vom ersten Ton an Vollgas.

„This Is The One" macht den Anfang und zeigt den Mut der Band, nicht auf Nummer sicher zu gehen, sondern mit einem eher nicht so oft gespielten Titel anzufangen. „Pressure Will Blow", Warriors" und „Rocker" folgen und stellen unter Beweis, dass die Band es wirklich drauf hat. Kevin versucht ununterbrochen, die Fans zum Singen und Springen zu animieren, aber der Funke ihres energiegeladenen Gigs will nicht in Gänze überspringen. „Give It Up" und ein unglaublich geiles „Holy War" sorgen dann doch dafür, dass ein paar Leute aufstehen, bevor THE DARK LANE mit „Still In Love With You" und „Fighting" ihren Gig beenden. Bei „Still In Love With You" kommt noch Gitarrist und Sänger Mark Austin von THE MINUTES mit auf die Bühne, was dem sowieso schon genialen Song die Krone aufsetzt. Alles super gemacht – die aktuelle, selbstbetitelte EP von THE DARK LANES werde ich mir wohl demnächst zulegen.

Die Umbaupause wird durch ein paar Begrüßungsworte von Smiley sowie der Performance des Voice Of The UK Teilnehmers CONOR SCOTT überbrückt. Zumindest bei Conor kann man aber eigentlich nicht von „überbrücken" reden: Der Junge, der 2014 schon für Begeisterung auf den Vibe sorgte, macht auch dieses Jahr mit der Performance seiner Versionen von „King's Call", „She Knows" und „Dear Lord" alles richtig. Nur mit der akustischen Gitarre ausgerüstet, bringt Conor eine enorme Leidenschaft auf die Bretter. Ich wäre auch nicht böse gewesen, wenn er noch ein paar mehr Songs hätte dranhängen können.

15 Vibe For Philo 2015 Low Riders 1Die Bühne ist aber mittlerweile für die LOW RIDERS umgebaut, die ja quasi zum Inventar der Vibe gehören. Dass die Jungens um den musikalischen Direktor der Vibe, Brian Grace, alle in unterschiedlichen Bands spielen und sich jedes Jahr nur für dieses Event zusammen tun, lässt meinen Respekt für die Leistung nur größer werden. Ein fettes „Angel Of Death" und „Sweetheart" sind als Einstieg in den Gig gut gewählt. Der Sound in der Vicar Street ist grandios, was für den Soundman bei all den vielen stilistisch unterschiedlich ausgerichteten Bands bestimmt eine große Herausforderung darstellt.

LOW RIDERS wirken unglaublich eingespielt, es passt jeder Ton und jeder Schritt. Die doppelten Leadgitarren, für die THIN LIZZY immer bekannt waren, schütteln Brian und Phil Edgar nur so aus dem Ärmel. Sänger Matt ist eh ein Ass in selbigem, weil er nicht nur sehr nah an Phil Lynotts Stimme herankommt, sondern ihm auch zumindest frisurtechnisch sehr ähnlich sieht.
Auch in diesem Jahr versuchen die LOW RIDERS, eine Mischung aus bekannten und weniger oft gespielten Songs zu finden, was ihnen auch gelingt. „We Will Be Strong", Hey You", „Hollywood" habe ich live schon Jahre nicht mehr gehört, um dann von den megastarken „Genocide" und „Renegade" gefolgt zu werden. Vor allem „Renegade" haut mich aus den Schuhen.

Zwischen den Songs gibt es lauten Applaus, aber während des Gigs ist die Stimmung eher übersichtlich. Und ich hoffe inständig, dass Smiley die Ankündigung wahr macht und 2016 die Tische und Hocker wieder rausschmeißt. „No One Told Him" und „It's Getting Dangerous" rocken trotzdem, und mir macht es Spaß, wie die Jungens auf der Bühne trotzdem um die Wette grinsen. Beim abschließenden „Killer On The Loose" stehen dann aber doch etliche Fans auf und feiern mit.

Die erneute Umbaupause nutzt Smiley, um für die Verlosung zu werben, deren Erlös in diesem Jahr dem Barretstown House zu Gute kommt, das sich um elternlose und gefährdete Kinder und Jugendliche kümmert. Unter anderem kann man das Original Ölgemälde des diesjährigen Vibe-Plakats gewinnen. Grund genug, einen Streifen Lose zu kaufen, denn so oder so wird es Gewinner bei dieser Veranstaltung geben. Für den Rest der Umbaupause kommen die DUNFORD BROTHERS Josh und Luke auf die Bühne. Josh hat ja im letzten Jahr mit seiner Band SAL VITRO die Halle gerockt, und als ihn Smiley fragte, ob er in 2015 nur mit seinem Bruder Luke an den Keybords für einen Kurzauftritt zur Verfügung stehen würde, sofort zugestimmt.

Die Stimme von Josh hat mich 2014 schon begeistert, aber ohne eine Band im Rücken, quasi pur, zeigt sich erst seine ganze Bandbreite. Gott, kann der Typ singen. Zur Verstärkung hat er die Jazzsängerin Nichola Hegarty mit auf der Bühne und die beiden Stimmen ergänzen sich perfekt, wobei Josh den Hauptpart übernimmt und Nichola nur gelegentlich einsetzt. Aber genau diese Mischung macht es.
Bei „It's Really Worthwhile" und „Dear Miss Lonely Hearts" bleibt mir der Mund offen stehen und eine Gänsehaut jagt die nächste. Da hätte es auch etwas mehr sein dürfen, aber die Uhr tickt und auch Josh und Co. müssen nach einem grandiosen und von den Fans mitgesungenen „With A Little Help From My Friends" die Bühne wieder räumen. Die Standing Ovations haben sich die Drei aber definitiv verdient.

45 Vibe For Philo 2015 Pat McManusÜber PAT MCMANUS braucht man keinem THIN LIZZY Fan etwas zu erzählen. Der Sänger/Gitarrist war 1983 auf der letzten THIN LIZZY Tour überhaupt als Vorband am Start und hat allein deshalb schon einen gewissen Kultstatus. Sein Auftritt auf den 25. Vibe war bereits absolut legendär und die Erwartungshaltung ist bei mir enorm. Pat selber scheint sich aber weniger Druck zu machen, denn er entert extrem locker und entspannt mit „Leave This Town" die Bühne. Ständig in Bewegung und permanent den Kontakt zum Publikum suchend beweist Pat, dass er ein Entertainer der alten Schule ist.

Und siehe da, er schafft es als erster, die Fans vor der Bühne richtig in Bewegung zu bringen. „It's Only Money" und „Jailbreak" wirken wie ein Defibrillator auf das Publikum und die starke Perfomance des Trios und besonders das Gitarrenspiel von Pat McManus beeindrucken enorm. Bei Musik, die mich emotional berührt, habe ich eh nah am Wasser gebaut, aber als er das Instrumental „The Messiah Will Come Again" (eigentlich von Roy Buchanan, aber richtig bekannt erst durch die Version auf GARY MOOREs Album „After The War"), läuft mir echt ein Schauer über den Rücken und mir bleibt die Luft weg.

Eigentlich ist das kaum zu toppen. Ich muss mich dann aber eines Besseren belehren lassen, als er „Black Rose" anstimmt. PAT MCMANUS schafft es tatsächlich, die Soli des Songs, die eigentlich für zwei Leadgitarren geschrieben sind, alleine zu spielen, ohne dass man einen Unterschied hören kann. Sprachlos Teil II. Jetzt sitzt niemand mehr in der Halle und zwischen den Songs minutenlanger Applaus. „Parisienne Walkways" ist für mich der emotionale Dolchstoß – und egal, was jetzt noch kommt, diese Performance kann niemand mehr toppen.

Die Eigenkomposition „Belfast Boy", die Pat zum Andenken an den am 06.02.2011 verstorbenen Ausnahmegitarristen Gary Moore geschrieben hat (vom 2013er PAT MCMANUS Album „Dark Memory Highway") begeistert die Vicar Street nicht weniger, bevor er mit „Needle In The Groove" noch einen Song aus seinem eigenen Backkatalog (MAMA'S BOYS – „Plug It In" 1982) zum Besten gibt. Puuh, jetzt brauch ich erstmal ein frisches Guinness.

Auf jeder Vibe ist die Rede von Philomena Lynott, Phil's Mum, ein fester Punkt im Ablaufprogramm. In diesem Jahr ist sie besonders redselig und äußerst emotional. Während sie Geschichten von Phil erzählt, kämpft sie mal mit den Tränen und mal lacht sie herzhaft. Auch als sie zugibt, bereits den ein oder anderen Cocktail getrunken zu haben. Sie und Smiley werfen sich verbal Bälle zu und sorgen für einen äußerst unterhaltsamen Auftritt, der wahrscheinlich in dieser Länge nicht geplant war.

THE BARLEY MOB sind dann wieder Kontrastprogramm, wie es die Vibe ausmacht: Leichte Reggae- und Soulelemente und darauf aufbauend ein „Whiskey In The Jar", zu dem sogar Philomena nochmal auf die Bühne kommt und mitsingt, lassen den Song in einem völlig anderen Licht erscheinen. Die irischen Folkelemente hört man kaum heraus, trotzdem rockt der Song auch in dieser Version.
Auch „Dancing In The Moonlight" kommt richtig gut in der THE BARLEY MOB Version und Adam schafft es sogar, die Fans nochmal zum richtig lauten Mitsingen zu animieren. Die sechs Musiker um Sänger Adam Daly geben Vollgas, obwohl die Halle nicht mehr richtig gut gefüllt ist, da die meisten Fans nach der Rede von Philomena an die Bars und die frische Luft gewechselt sind. Das ist schade, denn die Leute verpassen einen kurzen, aber sehr energiegeladenen Gig und einen Sänger, der wahrscheinlich auch vor drei Leuten noch die Rampensau rauslässt.

Direkt im Anschluss an den gelungenen Auftritt von THE MARLEY BOB werden die Gewinner der Charity Verlosung gezogen, die ihre Preise am Merchandise Stand abholen können. Es sind einige hundert Euro für die Kinder des Barretstown House zusammengekommen, was vor allem Smiley sehr freut und wofür er sich artig bedankt.

Die Ehre, die diesjährigen Vibe zu beenden, gebührt BAD REPUTATION – eine Band um Flash Murphy, der schon öfter mit anderen Formationen ein Teil der Vibe war. Zusammen mit Gitarrero Col McSharry und Kieran MacDonnell und Johnny Kerr, die durch ihre GUNS 'N ROSES Tribute Bands bekannt sind, hauen die Jungens ein sehr motiviertes Set raus, das entgegen aller Stielvielfalt wie bei den LOW RIDERS purer Rock ist. Außerdem verlassen sich BAD REPUTATION nicht auf selten gespielte Juwelen, sondern hauen das raus, was man als Fan zum Abschluss der Vibe hören möchte: die Hits, die wirklich alle mitgrölen können. Was kann man denn auch falsch machen, wenn man mit Songs wie „Are You Ready", „Emerald" und „Southbound" seinen Gig beginnt? Eben, nichts.

Die Fans, die jetzt gegen 00:45 noch in der Halle sind, feiern trotz Tischen und Hockern richtig ab. Soundtechnisch hat der Mann am Mischpult die Regler nochmal ein bisschen nach oben geschoben, was dem Hard Rock von BAD REPUTUATION ordentlich in die Karten spielt. Nach den drei ersten Songs legen BAD REPUTATION nach, mit „Rosalie", „Waiting For An Alibi", „Massacre", „Bad Reputation", „Cold Sweet", "Still In Love With You", "Suicide", "Baby Please Don't Go" (mein Highlight des Gigs), "The Cowboy Song" (das Jaulen zu Beginn des Songs aus dem Publikum klingt leider ziemlich mickrig, wahrscheinlich dem Guinness geschuldet), das natürlich megagefeierte „The Boys Are Back In Town", „Don't Believe A Word" und als Rauschmeißer „Thunder & Lightning".

01 Vibe For Philo 2015 Phil 1Fazit: Bis auf die Geschichte mit den Tischen waren die 29th VIBES FOR PHILO wieder genau das, was sie sein sollen: eine Hommage an einen der größten Songwriter der Rockmusik. Gerade Bands wie THE DARK LANES, THE DUNFORD BROTHERS, CONOR SCOTT oder THE BARLEY MOB dürften auch Phil gefallen haben, wenn er noch unter uns weilen würde. Er war ja immer für unterschiedliche Stilarten offen und würde sich bestimmt freuen, wenn er hören könnte, wie seine Songs auch heute noch, 29 Jahre nach seinem Tod, interpretiert werden.

Aber auch die immer starken THE LOW RIDERS, ein phänomenaler und überirdischer PAT MCMANUS und die ganz fetten BAD REPUTATION sorgen dafür, dass mir auch die 29. Vibe For Philo in guter Erinnerung bleiben werden und ich mich jetzt schon wie ein kleines Kind auf die 30. freue.

Ein dickes Danke an alle, die an der Organisiation und Durchführung der Vibes beteiligt waren. See you all next year!

All pictures (c) by Dirk Goetze