Evanescence - Synthesis Tipp

Evanescence - Synthesis
    Symbiose aus Klassik und Electro auf Basis von Alternative Rock

    Label: Sony
    VÖ: 10.11.2017
    Bewertung:8/10

    EVANESCENCE im Web


EVANESCENCE-Fans haben es wirklich nicht leicht: Das Durchbruchs-Debüt "Fallen" erschien vor 14 Jahren, danach kamen mit "The Open Door" und "Evanescence" lediglich zwei weitere Alben heraus. Zwischen dem selbstbetitelten Output und dem neuen Album liegen nun auch schon wieder sechs Jahre. Und dann beinhaltet "Synthesis" nicht mal lang ersehntes, neues Material. Was ist da los?

Amy und ihre Vision

Eigentlich ist es ganz einfach: Amy Lee verwirklicht eine lang gehegte Vision. Nämlich EVANESCENCE-Songs im symphonisch-elektronischen Gewand neu zu vertonen. Langzeit-Kollaborateur David Campbell kümmerte sich um die Orchester-Arrangements, Engineer/Co-Produzent Will Hunt und Mixer Damian Taylor übernahmen die Programmierung der elektronischen Passagen.

Die Band neben Lee passt sich dem Orchester-meets-Electro-Konzept an: Jen Majura feuerte keine Riffs aus der Sechssaitigen, sondern spielte Theremin. Der zweite Gitarrist Troy McLawhorn und Bassist Tim McCord ließen ihre Experimentierfreude spielen, und Drummer Will Hunt (ja, der Co-Produzent ist eine zweite Person mit gleichem Namen) sorgte für synthetische Sounds aus einem elektronischen Drumkit. Amy Lee selbst übernahm das Piano. Ihre wunderbar ausdrucksstarke Stimme steht mehr denn je im Vordergrund.

EVANESCENCE-Songs in Symphonic-Electro-Symbiose

"Lacrymosa", "My Heart Is Broken" oder "My Immortal" nahmen die orchestrale EVANESCENCE-Seite schon in ihren Albumversionen vorweg. Die Symbiose mit Electro-Sounds funktioniert vorzüglich und schafft eine zusätzliche Ebene, in die man möglichst in Ruhe unter dem Kopfhörer abtauchen sollte. Es überrascht nicht, dass gerade diese ruhigen Nummern plus "Secret Door","Lost In Paradise" und "The End Of The Dream" wie gemacht sind für Lees Vision. Insbesondere "Lacrymosa" und "Lost In Paradise" gewinnen durch den Einsatz eines vollen Orchesters und elektronische Sounds: Mehr Dramatik und Epik geht nicht.

"Lithium" klingt bittersüß wie nie. Das Symphonische steht ganz im Vordergrund, während elektronische Sounds auf ein Minimum zurückgefahren werden. "Bring Me To Life" – die einzige ursprünglich hart rockende, hier auf das Wesentliche reduzierte Nummer – erklingt so, wie es sich Lee stets vorgestellt hat: Ohne den Rap-Part, dessen Text die Sängerin selbst singend intoniert, dafür mit leicht arabischer Note. Kleine Randnotiz: Im Demo zum Mega-Hit erklingt ein gelungenes Gitarrensolo statt Sprechgesang.

Appetithäppchen auf die Zukunft

So ganz ohne neues Material wollte das amerikanische Quintett "Synthesis" dann doch nicht veröffentlichen. Mit "Hi-Lo" dürfen sich Fans auf einen bedächtigen, perfekt auf die Electro-Orchester-Symbiose zugeschnittenen Song mit Solo von Star-Violinistin Lindsey Sterling freuen. Der Song klingt ganz unverkennbar nach EVANESCENCE – was allerdings nicht weiter verwundert, wenn man weiß, dass er bereits zehn Jahre alt ist und ursprünglich Platz auf dem dritten Album finden sollte. Auf "Synthesis" wird er erstmals offiziell veröffentlicht.

Die Single "Imperfection" ist somit der erste (und einzige) brandneue Track, den das Quintett seit 2011 geschrieben hat – und überrascht im Gegensatz zu den ruhigen Neuvertonungen mit hektischem Trip-Hop-Rhythmus und lässigen Raps. Im Hintergrund schimmern zeitweise elektrische Gitarren durch, Bridge und Ohrwurm-Chorus sind EVANESCENCE in Reinkultur. Das macht Lust auf ein Album voll neuer Tracks.

Ein dramatisch ruhiges Vergnügen

Fließende Übergänge, Overtüre, Interlude und Piano-Solo lassen "Synthesis" wie aus einem Guss erscheinen. Die Stimmung ist dicht, dramtisch packend, die Neuinterpretationen im symphonischen und elektrischen Gewand sind ein absoluter Genuss, der Sound klingt differenziert und fett, wenn auch das Clipping in besonders bombastischen Passagen stört. Vielleicht liegt das aber auch nur am Bemusterungs-Stream.

Wer Rock sucht und Nummern wie "Call Me When You're Sober" oder "Going Under" vermisst, wird enttäuscht. Wer Amy Lees Vision von einem neuen Gewand für ruhigere EVANESCENCE-Nummern teilen möchte, wird "Synthesis" lieben.

Trackliste

1. Overture
2. Never Go Back
3. Hi-Lo
4. My Heart Is Broken
5. Lacrymosa
6. The End Of The Dream
7. Bring Me To Life (Synthesis)
8. Unraveling (Interlude)
9. Imaginary
10. Secret Door
11. Lithium
12. Lost In Paradise
13. Your Star
14. My Immortal
15. The In-Between (Piano Solo)
16. Imperfection

Band

Amy Lee - Vocals, Piano
Jen Majura - Guitars
Troy McLawhorn - Guitars
Tim McCord - Bass
Will Hunt - Drums