Dispassionate - s/t Tipp

Dispassionate - s/t

Nach der Veröffentlichung einiger EPs und einem Lineup-Wechsel veröffentlichten DISPASSIONATE aus Trier am 21.11. ihr Debütalbum. Darauf bieten sie eine stimmige Mischung aus Post-Hardcore, Screamo und Emo. Warum das erste Album besonders überzeugt, erfahrt ihr in diesem Review.

Passionierter Emocore

Der erste Song "Fallen lassen" kommt auch als erste Single; passenderweise, da er sehr gut die Stärken des Albums konzentriert. So ist das Lied gleichermaßen melodisch und energetisch, eingängig, aber auch roh und authentisch. Nach dieser Formel funktionieren auch die restlichen Songs, bieten aber unterschiedliche Facetten der Stile der Gruppe.

In kürzeren Tracks wie "Stop Calling It Emoviolence" und "Big Buff Big Muff" zeigen sich DISPASSIONATE von ihrer härteren Seite und bieten Screamo und Emocore mit allem, was dazugehört. Schnelle und treibende Riffs mit Tempowechseln betonen die einzelnen Komponenten der Tracks, insbesondere "December" sticht in dieser Hinsicht hervor. Darin folgt auf ein dissonantes Intro eine rasante Screamo-Passage, gefolgt von einer knusprigen Bassline, die die zweite Hälfte des Songs einleitet und eine kurze Entschleunigung vor dem Finale des Tracks darstellt. Für einen Ersteindruck ist "Fallen lassen" besonders zu empfehlen.

Neben besagten kürzeren Titeln gibt es auch einige längere Tracks, in denen sich die Band an komplexere Songstrukturen wagt. Das gelingt ihr besonders gut in Songs wie "Fragen über Fragen", welcher von einer Spoken-Word-Passage eingeleitet wird. Dabei handelt es sich um die erste Ballade, wobei der Energie der vorangehenden Lieder kein Abbruch getan wird. DISPASSIONATE greifen hier aus ihrem Genre-Repertoire alles zwischen Post-Hardcore, Screamo und Emocore auf: Tempowechsel, Melodik und emotionale Lyrics über Reue.

"Falsche Welt" und "Sturm" bieten als die beiden längsten Songs des Albums jeweils eine gute Mischung aller Stärken der Band. Ersterer beginnt mit einem Emo-Intro mit Harmonien, gefolgt von Screamo (treibende Drums und teils Blastbeats, melodische Riffs); man könnte den Song gut als Screamo-Ballade zusammenfassen, sehr melodisch, gleichermaßen energetisch und eine gute Mischung aus allen Stilen, an denen sich die Band bedient. Das Outro, in dem die Musik ausklingt und in den Hintergrund tritt, während die letzten Verse in den Vordergrund rücken, stellt die Ruhe vor dem finalen "Song-Sturm" dar. Darin sticht insbesondere die zweite Strophe hervor, die aufgrund der ruhigeren Instrumentation den Rest des Songs umso stärker betont.

Das Songwriting macht das Debüt zu einer Erfahrung, für die es sich lohnt, sich hinzusetzen und aktiv zuzuhören. 

Memento mori et memento amoris

Getreu dem lateinischen Motto, das sinnbildlich für Vergänglichkeit und die Wertschätzung von Liebe steht, geht es auf „Dispassionate“ einerseits um negative Gefühle und die Welt, die diese auslöst, andererseits aber auch darum, wie Menschen einander Hoffnung und Trost spenden können. Ein großer Teil des Albums handelt von Vergänglichkeit und Reue über Fehler aus der Vergangenheit, sowie den Wunsch, sich davon zu lösen, sich fallen- oder loszulassen, wie in den Opening und Closing Tracks „Fallen lassen“ und „Sturm“ thematisiert wird. Die Thematik wird sehr aufrichtig aufgegriffen und untermalt dadurch die ebenso herzlichen Vocals. Die Hoffnung geht dabei jedoch nicht verloren, was insbesondere der Song „Sturm“ zeigt.

„Und wenn dein letzter Atemzug die Welt zum Schweigen bringt, dann soll sie heute dir gehören und endlich deine Schmerzen spüren. Immer wieder bist du gefallen und doch stehst du noch hier.“

Der Hoffnungslosigkeit, die die einzelnen Songs beschreiben, setzt die Band den Wert zwischenmenschlicher Beziehungen entgegen und zeigt auf, wie man aus diesen Hoffnung beziehen kann, sei es in „Sturm“ oder in „Fragen über Fragen“. Die Lyrik überbringt eine hoffnungsvolle Botschaft, gehüllt in Musik, die eben diese Botschaft passend untermalt und während das Leben zwischen angenehmen und harten Zeiten wechselt, spielt die Band passend mit harmonischen, melodischen und aggressiven bis melancholischen Abschnitten.  

Fazit

Das Album trägt passenderweise denselben Namen wie die Band, da es deren Sound sehr gut auf den Punkt bringt. Stimmungsvoller Screamo und Emocore werden hier mit starken Texten gepaart und kommen in einem stimmigen großen Ganzen zusammen, das auf musikalischer und lyrischer Ebene überzeugt. Damit schafft das Trierer Trio nicht nur ein solides Fundament für künftige Veröffentlichungen, sondern auch ein Werk, das gut für sich allein stehen kann.

Vor allem Fans von Screamo-Bands dürften diese Veröffentlichung genießen. Auch Freund:innen von Post-Hardcore sollten sich den neuesten Output der Gruppe anhören, insbesondere, wer einen authentischen Sound und die damit verbundene Katharsis gegenüber massentauglichen Genrekolleg:innen bevorzugt.

Marcel

Stile: Post-Hardcore, Metalcore, Mathcore, Hardcore, ein wenig Grindcore und Nu Metal

Bands: Enter Shikari, Letlive, Fever 333, Glassjaw, Vein, SeeYouSpaceCowboy, Sharptooth

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