Rhapsody Of Fire - The Frozen Tears Of Angels Tipp



Stil (Spielzeit):
Power/Symphonic Metal (53:48)
Label/Vertrieb (VÖ): Nuclear Blast (30. 04.10)
Bewertung: 9,5/10

Link: http://www.rhapsodyoffire.com
Nach einem Rechtsstreit mit Joey DeMaios (MANOWAR) Label Magic Circle Music, mit dem RHAPSODY OF FIRE gegen Ende wohl nicht sonderlich glücklich gewesen sind, und der damit verbundenen Zwangspause von über einem Jahr bis Winter 2009 veröffentlichen die Italiener nun endlich ihr neues Album "The Frozen Tears Of Angels". Das siebte Studioalbum der fünfköpfigen Band um die Hauptsongwriter Luca Turilli und Alex Staropoli gleicht einem Befreieungsschlag: Nie zuvor waren RHAPSODY OF FIRE so variabel, melodisch, düster, episch – und gut.

An der musikalischen Grundausrichtung hat sich indes nicht sehr viel geändert. Es dominiert wie bereits auf den letzten beiden, eher schwächeren Alben melodischer Power Metal und groß angelegter, epischer Bombast, dem man seine handgemachte Herkunft (im Gegensatz zu schlechtem Konservenorchestern manch konkurrierender Bands...) deutlich anhört. Dazwischen gibt es (wenige) Erzählpassagen und ein schier unendliches Kaleidoskop an mittelalterlichen und barocken Melodien, Ideen und Einschüben. Weitestgehend bandtypisch beginnt "The Frozen Tears Of Angels" mit der Erzählstimme von Christopher Lee und einem bombastischen Intro, das Großes erahnen lässt. "Sea Of Fate", das von Turillis einzigartigem Gitarrenspiel eingeleitet wird, bestätigt diese Vermutung. Die Uptempo-Nummer spielt sämtliche Qualitäten der Italiener aus: Das akzentuierte Drumming von Alex Holzwarth, Fabio Liones melodischen Gesang, Alex Staropolis symphonische, unterstützende Keyboards, Patrice Guers klaren Bass und eben Turillis Gitarrenspiel. Nach einem großen Refrain überrascht der Opener mit Details, die man bisher so noch nie wahrgenommen hat: Staropoli soliert (die SONATA ARCTICA-artigen Einzelgänge kommen im Laufe des Albums mehrmals vor), Turilli spielt extrem songdienlich und virtuos, und – was ich persönlich am beeindruckendsten finde – Guers bekommt ebenfalls einen sehr feinen Solospot, in dem er zeigt, dass er ein meisterhafter Bassist ist.

"Crystal Moonlight" lebt von seinem Gegensatz zwischen bedrohlich-düsteren Strophen mit einem überragenden Fabio Lione und einem sehr harmonischen, romantischen Refrain, der sich nach dem ersten Hören felsenfest in die Gehörgänge setzt. Auch in diesem Song lassen Guers und Turilli mittels durchdachter und abwechslungsreicher Soli die Kinnladen des Hörers nach unten klappen. "Reign Of Terror" darf wohl als DIE Überraschung der CD gewertet werden. Trotz Verwendung eines Chores und typischer Melodien ist die rasend schnelle Nummer mit Black Metal-Anleihen (!) und einem aggressiven, fast schon shoutenden Fabio Lione definitiv die härteste Nummer, die RHAPSODY OF FIRE jemals eingespielt haben. Die Überraschung wird noch größer, wenn auf dieses hervorragende, unbedingt zu wiederholende neue Element "Danza Di Fuoco E Ghiaccio" folgt. Der durch einen kurzen Erzählpart eingeleitete Track enthält wunderschöne Flötenklänge und versetzt den Hörer in Gedanken mehrere Jahrhunderte zurück. Es hört sich an, als würde eine Metalband auf einem Mittelalter-Schloss zum Tanz aufspielen. Vor allem die zwei letzten virtuos beginnenden, sich schnell steigernden Minuten untermauern diese Vorstellung und lassen den Hörer aufgrund der völlig unerwarteten Ausrichtung staunend zurück. Mit "Raging Starfire" folgt ein schneller, metallischer Track, in dem sich sämtliche RHAPSODY OF FIRE-Trademarks wiederfinden. Erneut sind es die grandiosen Soli, die für eine dicke Gänsehaut sorgen und einmal mehr unterstreichen, dass man es hier mit fünf hervorragenden Musikern zu tun.

Einen Kontrast zu der bisher eher düsteren und bombastischen Atmosphäre und dem hohen Tempo bildet die zum Träumen schöne Ballade "Lost In Cold Dreams", die für die Bandverhältnisse beinahe schon spärlich arrangiert ist. "On The Way To Ainor", das ein wenig mit den Elementen eines Albums wie "Dawn Of Victory" spielt und wieder einmal mit einer ausladenden Solopassage für Spannung sorgt, nimmt nochmal Fahrt auf, bevor der Hörer mit dem für die Verhältnisse der Italiener kurzen ("nur" 11 Minuten) Titeltrack aus dem Album entlassen wird. Der letzte Song fasst noch einmal alles zusammen, wofür RHAPSODY OF FIRE stehen: Epik, Bombast, Melodien und auf diesem Album eine neue metallische Härte, die sich bei "The Frozen Tears Of Angels" durch Turillis dunkle, quietschende Riffs ausdrückt. So etwas hat man auf vorherigen Veröffentlichungen noch nicht gehört. Der vorzügliche Chorus lässt erneut das Herz des Hörers aufgehen und lässt ihn nach knapp 54 Minuten gebannt zurück.

RHAPSODY OF FIRE bedienen sich sowohl englischer als auch lateinischer und italienischer Sprache, die Lyrics führen die Geschichte der vorherigen CDs fort. Dieser Mix passt hervorragend zu dem epischen Konstrukt aus Power Metal und Filmsoundtrack. Das äußerst gelungene Cover rundet den meisterhaften Gesamteindruck der CD ab, und die transparente Produktion darf als die bisher gelungenste der Südeuropäer überhaupt bezeichnet werden. Nie zuvor standen Orchesterparts und Band so gleichberechtigt nebeneinander, nie zuvor hat man bei dieser Band solch druckvolle Drums, filigrane Riffs und Leads und ein solch deutliches, überzeugendes Bassspiel gehört.

Man muss es ganz klar sagen: Trotz früher, im Vergleich zur heutigen Ausrichtung simplen Hits wie "Emerald Sword", "Dawn Of Victory" oder "Holy Thunderforce" hat das Quintett mit vorliegendem Output den bisherigen Höhepunkt seiner Karriere erreicht. Besser kann man einen metallischen Soundtrack für eine Fantasystory nicht gestalten, erfüllender kann spannendes, variantenreiches Kopfkino nicht sein.