Kitshickers - Horror Vacui Tipp

Kitshickers - Horror Vacui
Der Anfang ist mir fast ein bisschen zu einfach: Postrock der ganz reduzierten Sorte, ein Lied, das auf einem einzigen, auf Viertelnoten pendelnden Riff basiert. Obendrauf werden dann die üblichen Lagen aus flirrenden Gitarren und sich minimal ändernden Melodien gepackt. Doch es kommt noch viel, viel mehr.

„Horror Vacui“ ist tatsächlich schon das sechste Album der KITSHICKERS aus Luxemburg. Es ist also offenbar meine Schuld, dass ich noch nichts von der Band kenne. Es könnte aber auch daran liegen, dass sie kein Label im Rücken haben und alles selbst machen. Oder daran, dass ich den Namen sofort in die Punkrock-Ecke gesteckt habe. Und nach wie vor empfinde ich ihn als unpassend für die Musik, aber da die KITSHICKERS schon seit 1997 KITSHICKERS heißen, scheinen sie selbst wohl davon überzeugt zu sein.

Mich überzeugen sie spätestens ab dem zweiten Song ihres Albums, das sie mir in der sehr schönen Vinylversion geschickt haben, vielen Dank dafür übrigens. Zu dem unaufgeregten Postrock, der mich erstmal an LONG DISTANCE CALLING erinnert, gesellen sich Streicher und Sprachsamples – letztere nehmen überhaupt eine zentrale Stellung auf „Horror Vacui“ ein, hier wird mehr gesprochen als gesungen. Das macht tatsächlich einen erheblichen Teil der Faszination aus, so geschickt ist dieses Element eingesetzt, zumal es meist aufrüttelnde Reden sind, die hier gepredigt werden. Im Verlauf der vier Plattenseiten brechen die KITSHICKERS dann immer wieder aus dem Korsett, das Postrock dann ja doch sein kann, aus. Auf Seite Zwei kommt statt sphäriger Struktur plötzlich Sludge mit rauen Schreien – und auf Seite Drei dann finsterer Doom mit Growls (alle Vocals stammen übrigens von Gastsängern).  So steuert das Schiff immer weiter vom sicheren Heimathafen weg, bis zum Schluss sogar Metal, Prog und Jazz am Horizont aufblinken.

Songtitel nenne ich nicht nur deshalb nicht, weil sie kompliziert sind – „/dv/null“, „cos 90“, „buz & jég“ -, sondern auch, weil es für den Hörer egal ist, dass die Band ihr Album in Stücke aufgeteilt hat. „Horror Vacui“ muss man als Ganzes sehen, verstehen und genießen. Erst dann wird klar, was die KITSHICKERS damit geschaffen haben: ein völlig scheuklappenfreies, schubladenfeindliches Werk, das trotz der vielen, vielen Einflüsse, die sie ohne Scheu zulassen, einen roten Faden hat. „Horror Vacui“ ist trotz deutlicher Reminiszenzen einzigartig und lässt den Hörer, der sich die Mühe macht, nach 100 Minuten beseelt zurück. Wer auch nur einen Funken Anstand im Leib hat, unterstützt die Band, geht auf ihre Homepage und kauft auf der Stelle diese liebe- und mühevoll gemachte Eigenproduktion als Vinyl oder Download.
Helge

Death Metal, Thrash Metal, Black Metal: immer gerne. Kann ich den ganzen Tag hören. Die störrische Art, unpolitisch sein zu wollen, nervt mich aber an der Metalszene – dabei ist doch alles politisch, auch Schweigen. Für Musik mit Haltung zieht es mich immer wieder zum Punk, vor allem zu melodischem US-Punk und Riot-Grrrl-Sound. Gleichzeitig habe ich einen sweet spot für 80er-Hair-Metal und für vieles, was mich in den 90ern musikalisch sozialisiert hat.

Bands

Amorphis, Amyl And The Sniffers, Bad Religion, Brutus, Cinderella, Dool, Entombed, Gggolddd, Gorefest, Grave, Guns n' Roses, Hail Spirit Noir, Iron Maiden, King Buffalo, Megadeth, Mötley Crüe, My Dying Bride, Obituary, Prong, Sodom, Solbrud, Spectral Wound, The Great Old Ones, Valborg, War On Women, White Ward, ZZ Top, ...

Prägende Alben

AC/DC - Let There Be Rock
Aerosmith - live! Bootleg
Amorphis - Tales From The Thousand Lakes
Bad Religion - Suffer
Benediction - Transcend The Rubicon
Bruce Springsteen - Nebraska
Death - The Sound Of Perseverance
Don Dokken - Up From The Ashes
Eloy - Inside
Genesis - Trespass
Grave - You'll Never See
Guns n' Roses - Use Your Illusion I & II
Kyuss - Welcome To Sky Valley
Megadeth - Rust In Peace
My Dying Bride - The Angel And The Dark River
Ramones - Loco live
Sepultura - Arise
Sodom - Agent Orange
Tankard - Two-faced
Tool - Aenima
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