Thrice - Vheissu


Review

Stil (Spielzeit): PostRock (49:27)
Label/Vertrieb (VÖ): Island/Universal (18.10.05)
Bewertung: 8/10
Link: http://www6.islandrecords.com/thrice/index.php
VHEISSU – Ein Album, welches mehr Fragen aufwirft, als beantwortet. Zum Beispiel: Was bedeutet der Titel (in einer Ecke des Covers steht auf Deutsch „Wie heißt du?“)? Haben sich Thrice nur entwickelt oder schon stark verändert? Können sie ihre Fans halten oder finden sie neue? Und wie nenne ich die Musik???
Die erste Frage kann ich nicht beantworten, sorry. Da hilft auch der Beipackzettel nicht, der das ganze eher noch versucht zu verkomplizieren. Bei der zweiten Frage kann man sich wenigstens ordentlich streiten. „Vheissu“ hat kaum noch etwas mit dem flotten Hüpfer „The Artist In The Ambulance“ von 2003 zu tun. Damals konnte man Thrice noch relativ einfach als Punk/Screamo-Band bezeichnen, die sich auch an Metalelementen bediente, wo Gesang auf Geschrei, Punk-Drive auf interessantes Riffing stieß. Anno 2005 muss man sich da wohl etwas Neues einfallen lassen.
Die typischen Punkgitarren und Single-Hits wie „Stare At The Sun“ oder „Under A Killing Moon“ sind vorbei. Die Kalifornier bewegen sich zum größten Teil im Midtempo-Bereich und darunter. Der Sound ist wesentlich differenzierter und um einige Instrumente wie ein Rhodes-Piano, ein Glockenspiel und viel Syntheziser und Programmings erweitert (allerdings alles selbst eingespielt und programmiert). Hier treffen oft ruhige, vom Gesang getragene Strophen auf heftige Refrains, ohne allerdings in typische Singalongs zu verfallen. Manchmal gibt es nur ein Glockenspiel und Synthis zur Stimme („Between The End And Where We Lie!“ oder „Atlantic“) und eine Atmosphäre wird erzeugt, wie man sie bei Bands wie Death Cab For Cutie erwarten würde. Die meisten Soundlandschaften werden allerdings irgendwann im Song durch ein schweres Riff oder eine Schreiattacke niedergewalzt („Like Moths To Flame“). Aber wieder muss ich sagen, dass diese Wechselspiele zwischen laut und leise nichts mit gängigen Screamo-Konventionen zu tun haben. So finden sich bei „The Earth Will Shake“ sogar Gospel-Versatzstücke, bei denen Sänger Dustin über die Wünsche Gefangener nach Freiheit singt und zeigt, dass er richtig Blues in die Stimme legen kann.
Überhaupt gefällt mir die Leistung des Sängers auf „Vheissu“ sehr gut. Die Melodien sind teilweise sehr groß und ausufernd, reichen von sehr hohen Lagen bis zu derbem Geschrei. Allein der Inhalt der Texte lässt mich fast in jedem Song etwas „Spirituelles“ hineininterpretieren, was angesichts der Danksagungen an Gott im Booklet auch nicht sehr verwundert. Es dreht sich oft um Hoffnung, um das Vertrauen darin, „Children of the light“ zu sein. Naja, wenn sie es denn so meinen…
Thrice scheinen erwachsen werden zu wollen, gehen diesen Schritt sehr konsequent und schlagen hier definitiv ein neues Kapitel in ihrer Geschichte auf. Es bleibt also den Fans zu entscheiden, wie sie zu den „neuen“ Thrice stehen. Alle die erwartet haben, Thrice reiten weiter auf der Screamo-Welle und beackern eventuell noch ein wenig das Metalcore-Feld, werden arg enttäuscht sein. Dieses Album muss man sich erst erschließen, wenn man es denn will. Aber es lohnt sich.