Jethro Tull - A Passion Play (An Extended Performance) Tipp

Jethro Tull - A Passion Play (An Extended Performance)
Das 1973 erschienene JETHRO TULL-Konzeptalbum "A Passion Play" galt lange Zeit als ungeliebtes Kind. Warum, will sich mir nicht so recht entschließen, denn trotz der Komplexität, Ian Andersons reduziertem Flötenspiel und verstärktem Saxophon-Einsatz ist und bleibt die Scheibe ein tiefgängiges Progressive Rock-Meisterwerk, das viel Stoff zum Entdecken bietet. Umso schöner, dass die opulent aufgemachte Neuauflage "A Passion Play (An Extended Performance)" genügend lohnenswerten Stoff auch für Besitzer des Originals bietet.

Der Re-Release in Buchform bietet wie schon die Wiederveröffentlichung von "Benefit" extrem viel fürs Geld: Die erste Scheibe enthält  das komplette "A Passion Play"-Album in korrekter Songreihenfolge (nein, nicht mehr nur zwei Chapter wie auf früheren CD-Releases), auf dem zweiten Silberling befinden sich die "Château d’’Hérouville"-Sessions, die zum größten Teil bereits bekannt sind. Für diesen Re-Release sind sie aber zum ersten Mal komplett und in richtiger Reihenfolge auf eine CD gepresst worden. Wie bereits auf den vorherigen Neuveröffentlichungen ist auch diesmal Steven Wilson für einen neuen Mix beider Alben zuständig gewesen. Der Stereo-Mix sowohl des originalen Albums als auch der französischen Sessions, die damals komplett verworfen wurden, klingt dann auch so gut, klar und mit Vibe, wie man es von Wilson erwartet. Er gibt im Begleitbuch zu Protokoll, dass er beispielsweise die "Château d’’Hérouville"-Sessions nicht auf seine Art interpretieren wollte (was auch nicht Aufgabe des Remixers sei), sondern ihnen das Feeling der Sebziger wieder geben wollte. So kann man die Sessions erstmals so hören, wie sie bei der ursrpünglichen Veröffentlichung hätten klingen können. Das “verlorene” Album stellt eine wunderbare Ergänzung zum Hauptwerk dar.

Der Fokus dieser Veröffentlichung liegt aber auf “A Passion Play”, einem schwierigen, aber sehr lohnenswerten JETHRO TULL-Album. Nach “Thick As A Brick” wollten TULL eigentlich ein Doppelalbum mit einzelnen Tracks erschaffen, was aufgrund verschiedener Umstände nicht klappte. Statt auf den “Château d’’Hérouville"-Sessions, die den eigentlichen Nachfolger hätten abgeben sollen, aufzubauen, entschloss sich die Band, komplett neu anzufangen. Dabei kam erneut ein dreiviertelstündiges Konzeptalbum heraus, das nur aus zwei Songs (Part I und II für die jeweiligen LP-Seiten) bestand. Hier ist das komplexe Werk in 15 Tracks abgebildet, “A Passion Play” funktioniert dennoch nur am Stück. Besonders interessant: “The Foot Of Our Stairs” ist zum ersten Mal in der richtigen Version zu hören, da zwei zusätzliche Strophen in den Archiven gefunden wurde. “A Passion Play” ist ein lange Zeit zu unrecht vernachlässigtes Werk gewesen, dessen Komplexität man sich erst einmal erschließen muss, bevor man belohnt wird. Die Flöte spielt keine allzu große Rolle mehr, Anderson setzte mehr auf das Saxophon. Auch Effekte sind oft zu hören, doch im Großen und Ganzen bleibt das Album ein durch und durch progressives Album mit allem, was man sich von JETHRO TULL wünschen konnte - inkl. der total behämmerten Nummer “The Story Of The Hare Who Lost His Spectacles” mit typisch britischem Humor.

Steven Wilson wäre nicht Steven Wilson, wenn er es bei den beiden Stereo-Mixen für die Audio CDs belassen würde. Nein, “A Passion Play (An Extended Performance” enthält gleich zwei DVDs mit weiterem Audiomaterial. Darauf sind verschiedene Mixe von “A Passion Play” und den “Château d’’Hérouville"-Sessions enthalten. Ob hochauflösender Zweikanalton oder die Surround-Spur in DTS - die DVDs sind definitiv ein Fall für Audiofetischisten, die ein Album in allen möglichen Facetten beleuchten wollen. Für mich ist es ein netter Bonus (gerade die Mehrkanal-Abmischung), aber kein wesentlicher Kaufgrund.

Ein Kaufanreiz ist da schon eher das extrem gut konzeptionierte, 80-seitige Digibook mit raren Fotos, einem detaillierten Artikel über die Albumentstehung, Steven Wilsons Kommentaren zum Remix, Songtexten, Tourprogrammen etc. pp. Überhaupt ist die Verpackung mit Inhalt sensationell gut gemacht - so gut, dass auch Fans, die das Album bereits in mehreren Konstellationen besitzen, die mehr als fairen 20 bis 25 Euro für dieses Schmuckstück wohl gerne ausgeben. Der Kauf der regulären Version lohnt sich mit diesem Prachtexemplar überhaupt nicht mehr.

Tracklist:
CD 1 - A Passion Play (Neuer Steven Wilson Stereo-Mix)
01. Lifebeats /Prelude
02. The Silver Cord
03. Re-Assuring Tune
04. Memory Bank
05. Best Friends
06. Critique Oblique
07. Forest Dance #1
08. The Story Of The Hare Who Lost His Spectacles
09. Forest Dance #2
10. The Foot Of Our Stairs (2 zusätzliche Strophen, die sich am Ende der Multi-Track-Spule fanden, wurden hinzugefügt.)
11. Overseer Overture.
12. Flight From Lucifer
13. 10.08 to Paddington
14. Magus Perde
15. Epilogue

CD 2
The Château d'Hérouville Sessions (Neuer Steven Wilson Stereo-Mix)
01. The Big Top
02. Scenario
03. Audition
04. Skating Away
05. Sailor
06. No Rehearsal
07. Left Right
08. Solitaire
09. Critique Oblique (Part I)
10. Critique Oblique (Part II)
11. Animelee (1st Dance) [Instrumental]
12. Animelee (2nd Dance) [Instrumental]
13. Law Of The Bungle (Part I)
14. Tiger
15. Law Of The Bungle (Part II)

DVD 1
  • • A Passion Play 5.1 DTS und AC3 Dolby Digital Surround Sound sowie PCM 96/24 PCM-Stereo.
  • • Eine direkte Übertragung des Original-Masters in PCM 96/24 Stereo
  • • Videoclips von ‘The Story Of The Hare Who Lost His Spectacles’ - ein Intro- und Outro-Film, der während der Passion Play Tour von 1973 gezeigt wurde.

DVD 2
  • • Die Château d'Hérouville Sessions in 5.1 DTS und AC3 Dolby Digital Surround Sound
  • • PCM 96/24 PCM Stereo