Bruce Springsteen - Working On A Dream Tipp

working

Stil (Spielzeit): Rock (49:58)
Label/Vertrieb (VÖ): Sony/BMG (23.01.09)
Bewertung: 9,5/10

Nur achtzehn Monate nach dem grandiosen "Magic" kommt der Boss erneut mit einem Album an. "Working On A Dream" heisst es und selten war ein Name passender als dieser. Drei Tage nach der Inauguration von Barrack Obama lässt Springsteen seine neuen Hoffnungen musikalisch ertönen. Wo bei "Magic" noch vieles düster und Amerika im Krieg war, so glänzt "Working…" wie ein frischgeschrubbtes Weißes Haus mit geballter Faust. Ärmel werden hochgekrempelt und die Liebe für die Vereinigten Staaten neu entdeckt.

So ab und an geht mit dem Boss aber der pathetische Gaul durch. Jedenfalls für europäische Ohren. Aber der Reihe nach:

"Outlaw Pete" ist eine wunderschöne Ballade im Wildwest-Stil, irritierend ist hier einzig die musikalische Quote des Kiss-Heulers "I Was Made For Loving You". Inklusive düppdüdüdüdidüpp. Wenn man das verdaut hat dann ist "Outlaw Pete" eine der schönsten Balladen seit langem und eine grundehrliche Reminiszens an die zahllosen jungen Männer die das damals junge Amerika aufbauten.

Mit "My Lucky Day" geht es gleich energisch weiter. Ein echter E-Street-Band Song, der vor Hoffnung nur so strotzt. Der Titelsong "Working On A Dream" wurde schon während des präsidialen Wahlkampfes live gespielt und ist in seiner Aussage den Reden von Obama so ähnlich dass er auch als "Yes We Can" benamst werden könnte. Nach den letzten acht Jahren entwickelte sich Springsteen immer mehr zu einem politischen Sprecher, der auf den letzten Alben noch voller verzweifelter Wut gegen seine Regierung sang. Mit der neuen Hoffnung durch den 44. Präsidenten scheint auch der Boss mehr als glücklich zu sein.

Was ihn dann aber leider bei dem irrsinnig kitschigen "Queen Of The Supermarket" den bereits erwähnten Pathos-Zossen durchgehen lässt. Er hat sich in eine Supermarkt-Verkäuferin verknallt und die Weißbeschürzte lässt den großen Boss dahinschmelzen als " I turn back for a moment and catch a smile that blows this whole fucking place away". Hauerha. Den Song muss man wohl mit Humor betrachten. Samt Scannerkassen-"plöngg" am Ende.

"What Love Can Do" ist dann wunderbarerweise wieder herrlich. Liebe kann halt eine Menge erreichen, auch wenn es mal dunkel und regnerisch ist. Toller Chorus und die irisch angehauchte Fiedel trägt zum Wohlgefühl mehr als bei. Ist das schön!

"This Life" knödelt leider auch ziemlich daher. In wen ist er nun verschossen. Patti? Sein Land? Gar Barrack? Vielleicht auch alles zusammen. Man weiß es nicht, aber auch hier ist es eher die Kategorie Heuler. "Good Eye" haut einen dann mit einem grandiosen Rocker aus dem Sitz. Bluesharp und Banjo grooven cool daher und Springsteen beweist dass er mit seinen knapp sechzig Jahren sehr wohl noch rocken kann bis die Schuhsohle glüht. Es fällt sehr schwer dabei still zu sitzen.

"Tomorrow Never Knows" ist richtig, keiner weiß was die Zukunft bringen wird, grade jetzt nicht, ganz egal wo auf der Erde man sein Leben lebt. Aber er macht hier soviel Mut, mit einer so schönen Stimme dass man heulen könnte. Der Song ist in seiner Schlichtheit herzzerreissend hoffnungsvoll.

Die E-Street-Band und Springsteens Poesie in ihre vollen Kraft kommen dann bei "Live Itself" .Wo nimmt der nur immer die Bilder her. Hier ist gar nichts pathetisch. Hier singt er die Wahrheit. Und sie klingt soviel positiver als vor dem letzten magischen Jahr!

Liebe, nicht mehr und nicht weniger ist in "Kingdom Of Days" dran. Wenn man sich nach langen Jahren noch so liebt dann besteht immer Hoffnung. Ganz egal was war und was vielleicht kommen mag. Schon beim ersten Hören fing ich an ein paar Tränchen wegzublinzeln. Das schafft auch nur der Boss. Ein ruhiges, klavierbetontes Lied ohne Kitsch. Ehrlich und erdig.

Leider hüpft danach der Gaul wieder und stolpert über konfettibuntes Gestrüpp. "Surprise Surprise" ist Kindergeburtstag mit Disneykitsch und würde auch gut als Schlusssong eines sehr patriotischen Broadway-Musicals funktionieren. Sehr simpel und so ganz und gar untypisch.

"The Last Carnival" ist ein todtrauriges Reqiuem für einen verstorbenen Freund. Das beherrscht Springsteen natürlich genauso gut wie Arbeitergesänge. Bei der Gitarre und seinem Gesang kann man gar nicht anders als gedankenverloren vor sich hin zu sinnieren.

Der letzte Song ist der Titeltrack zum gleichnamigen Film "Der Wrestler" mit Mickey Rourke. Er und Springsteen sind seit Jahren befreundet und als der Boss letztes Jahr in Europa auf Tournee war rief Rourke an, erzählte ein wenig von dem Film und bat seinen Buddy, einen Song zu schreiben. Und hier ist er nun. Ein Fabel-Song voller Melancholie der perfekt zu dem Film passt.

Ja, da wären wir nun. Fazit? Nicht so mitreissend wie der Vorgänger "Magic", dazu sind einige, wenn auch wenige Songs dann doch zu schwach und scheinen irgendwie hingeklatscht zu sein. Aber wenn man sich auf die wirklich tollen Stücke besinnt dann hat der Boss samt Band ein faszinierendes Album abgeliefert. Ich werde es noch sehr sehr oft hören, soviel steht fest!