Bruce Springsteen - Magic


Review


Stil (Spielzeit): Rock (47:53)
Label/Vertrieb (VÖ): Sony BMG (28.9.2007)
Bewertung: 10 / 10
Link: http://www.brucespringsteen.net

Es gibt so Tage, da haut nichts hin. Man kriegt nach einem Sturz die Diagnose, dass man sich was im Knie angebrochen hat. Eine Liebe geht zuende. Und der Winter naht. Und alles an einem Tag. Nächsten Morgen humpelt man gar nicht beschwingt zum Briefkasten und holt die neue CD von BRUCE SPRINGSTEEN „Magic“ heraus. Hoppelt so schnell wie möglich wieder in die Wohnung und ... strahlt. Nach fünf Jahren hat sich der Boss wieder mit der E-STREET-Band zusammengetan und wie immer hat er viel zu sagen. Die Single-Auskopplung „Radio Nowhere“ lief schon des öfteren im Radio, ich war sehr angetan von dem Stück und bin es noch. Aber das ist weitaus nicht der beste Song. Was da aus den Lautsprechern ertönt, ist alles so wunderbar Springsteen, so authentisch und durch und durch gut, dass es die volle Punktzahl gibt. Geben muss.

Der Produzent Brendan O´Brien hat bereits zum dritten Mal Hand angelegt (nach „The Rising“ und Springsteens Solo-Alum „Devil And Dust“) und diese Zusammenarbeit tut dem Boss und seinen Jungs augenscheinlich sehr gut. Der Sound ist rauh und erdig. Man sieht sozusagen die aufgekrempelten Ärmel und spürt die Energie. Es ist Rock´n Roll, teilweise hymnisch, teilweise besinnlich und immer typisch der Boss.
„Radio Nowhere“ ist ein Uptempo-Rocker, wo Springsteen auf persönliche Weise seine Erfahrungen zu Beginn der Karriere besingt. Mitreissend aufgrund der Ehrlichkeit und man singt nach zweimal Hören schon lauthals mit.  
„You´ll Be Comin´ Down“ ist dann wunderbar gesungen, teilweise im Duett mit Patti Scialfa. Das großartige Saxophon von Urgestein Clemons, wunderbares Piano von Roy Bittan... man merkt, ich krieg mich nicht mehr ein...
„Livin´In The Future“ geht dann wieder rockig zur Sache, das ist schon nach zwei Takten so dermaßen E-Street-Band, dass man freudig lachen muss. Wunderbar. Seit langer Zeit hat der Mann aus New Jersey wieder das geschafft, was man in den letzten Jahren doch ein wenig vermisst hat: Er beobachtet den durchschnittlichen US-Amerikaner aus der Arbeiterklasse und kommt durch den Rock´n Roll auf einen gemeinsamen, alles verbindenen Nenner.
„Your Own Worst Enemy“ ist das einzige etwas schwächere Stück. Das schluchzt doch arg daher. So ganz hab ich zu Beginn auch noch nicht  rausgefunden, was der böse Feind denn ist. Die Regierung, könnte man meinen. Aber es ist dann doch das eigene Ich, was einen Nachts manchmal nicht schlafen lässt. Und darüber denkt man denn doch nicht so gerne nach.
Eindringlich und voller Ernst besingt er in „Gypsy Bikers“ Liebe, Rückkehr, Verlust, Drogen, dazu die wunderbare Harmonika vom Boss selber und  -zack- sitzt man auf einer Maschine und erkennt das Motorrad als die einzig wahre Möglichkeit an, sich fortzubewegen.
Der 58-jährige wird dann noch mal richtig jung und beguckt sich „Girls In Their Summer Clothes“. Andauernd habe ich Visionen von Neu-England, den Diners, heissen Sommerabenden und coolem Herumhängen, kaltem Bier in der Hand und sehnsüchtigen Blicken. So wie er wohl auch, wenn er mit seinen Herren diesen Song spielt. Der Boss darf sogar „lalala“ singen. Das darf keiner, auch Mr. Bon Jovi schon ganz lange nicht mehr. Aber er, er darf!
„I´ll Work For Your Love“ ist ganz wunderbar, der Titeltrack „Magic“ lässt mich auch nach dem fünften und zehnten Anhören eine Gänsehaut bekommen, die sich mit nassen Augen prima in Verbindung bringen lässt. Die Lyrics sind verwunschen und fantasievoll.
In „Last To Die“ denkt man, all die Helden aus den alten Songs sind zurück. Müde, aber noch nicht erledigt. Nur einer kann „Another day gone down as the night turns, And I hold you here in my heart, as things fall apart“ so singen, dass man es ihm glaubt und es gleichzeitig nicht kitschig klingt.
„Long Walk Home“ ist dann der passende Abschluss. Und wieder haut einem das Saxophon die Haut in die Höhe. Es ist unglaublich. Wo war all die Energie bei „The Rising“? Hat der Mann Frischzellen getankt? Und glaubt man es immer, wenn man gesagt bekommt “ Everybody has a reason to begin again“ ? Ja, ihm schon.
„Devil´s Arcade“ ist ganz düster, fast schon bedrohlich. Die Band spielt dazu, als wenn es kein Morgen gäbe, und Bruce klingt fast schon verzerrt vor Grusel.
Eine Hommage an seinen langjährigen Freund und Partner Terry Magovern, der am 30. Juli verstarb, findet man noch als Easteregg mit „Terry´s Song“. Ein trauriges, zu Herzen gehendes Stück. Seine Stimme ist hier zärtlich, man sieht sein verzerrtes Gesicht vor sich und hört die Trauer um den Freund aus jeder Zeile.

Abschließend bleibt nicht viel und doch alles zu sagen. Der Boss ist wieder da. Besser als seit Jahren, tiefgründiger, älter, weiser, aber es ist immer noch Sommer. Wenn auch schon ein müder Sommer. Als wenn er sich auf seine Wurzeln zurückbesonnen hat und Dylan samt Cash mal nicht so sehr beachtet hat wie in den letzten Jahren. Genau so möchte man ihn hören...