Geschrieben von Donnerstag, 22 Februar 2018 13:22

Korpiklaani, Heidevolk, Arkona, Trollfest und Co. - Der Bericht aus der Turbinenhalle Oberhausen

Die 70.000 Tons of Metal 2018 ist Geschichte und die damit verbundene PCD ("Post Cruise Depression") hat mich voll im Griff. Es ist dringend Zeit für das nächste Konzert. Und was passt da besser, als ein Rundum-Sorglos-Paket in Sachen Folk Metal mit KORPIKLAANI, HEIDEVOLK, ARKONA und TROLLFEST? Und da in der Turbinenhalle in Oberhausen eine der "Special Extended Shows" stattfindet, dürfen vorher zusätzlich noch THE PRIVATEER, EVERTALE und BLACK MESSIAH ran – sieben Bands, insgesamt acht Stunden Musik und das zum Preis von knapp 40 Euro. Da fühlt man sich an die guten alten Zeiten des Pagan- und Heidenfestes erinnert.

Kein Folk-Abend ohne Piraten

Los geht es schon um 16 Uhr mit den Freiburger Freibeutern von THE PRIVATEER. Die Jungs und Mädels um Sänger-Neuzugang Daniel Priegnitz spielen, wie der Name schon vermuten lässt, folkigen Piraten Metal, sind thematisch passend verkleidet und sorgen in der trotz der frühen Stunde schon relativ gut gefüllten Turbinenhalle II für einen gelungenen Auftakt. Piraten Metal ist vielleicht nicht mehr das innovativste Folk-Metal-Subgenre, aber er macht einfach Spaß und THE PRIVATEER sind definitiv eine Band, in die man, wenn man ihre Genrekollegen von STORM SEEKER und THE DREAD CREW OF ODDWOOD mag, reinhören sollte.

Huch, die machen ja Power Metal

Evertale

Nach einer halben Stunde Piratenglück und einer angenehm kurzen Umbaupause betreten EVERTALE die Bühne und sorgen für ein wenig powermetallische Abwechslung im fröhlichen Folk-Reigen. Was auf dem Papier vielleicht nicht ganz zusammenpasst, funktioniert live trotz kleiner technischer Probleme am Anfang extrem gut. Auf der 70.000 Tons habe ich mich schon geärgert, ihren Gig nicht komplett sehen zu können und leider ist das auch diese Runde wieder der Fall, da HEIDEVOLK zum Interview rufen. 

So verlasse ich leicht widerwillig den Fotograben und bekomme danach nur noch das Ende der Show mit. Aus den mittlerweile zahlreich vorhandenen und laut applaudierenden Besuchern folgere ich aber, dass auch der Rest der Show sehenswert war und freue mich auf meine nächste Chance im Herbst, wenn EVERTALE als Support von VAN CANTO unterwegs sind.

BLACK MESSIAH – besser spät, als nie

Als letzte "extended" Band betreten BLACK MESSIAH die Bühne. Nach dem Powermetal-Break gibt es nun wieder Folk – dieses Mal mit deutschen Texten. Beim Publikum kommt es super an, für mich zünden BLACK MESSIAH erst spät aber dafür richtig und bescheren mir mit ihrem finalen Song einen durchaus nachhaltigen Ohrwurm.

TROLLFEST und eine #helluvaparty

Trollfest

Weiter geht es mit TROLLFEST. Wie üblich gehen die Norweger in Sachen Bühnenshow die Extra-Meile und dekorieren nicht nur sämtliche Mikrofonständer, sondern auch sich selbst mit teils hinreichend beeindruckenden Luftballon-Konstruktionen. Obendrauf gibt es noch beleuchtete Instrumente und bunte Gesichtsbemalungen und wie üblich frage ich mich im ersten Moment, wenn ich TROLLFEST sehe, "Warum?".

Dem Publikum scheint es ähnlich zu gehen, denn bei den ersten beiden Songs ist die Stimmung doch eher verhalten. Das ändert sich jedoch schlagartig, als die wohl obskurste Coverversion von Britney Spears' "Toxic" angestimmt wird. Dem skurrilen Charme der Trolle vollkommen erlegen, wird fortan jeder Anweisung  von Frontmann Trollmannen brav Folge geleistet und dieser ist dabei durchaus kreativ: "Ich hätte gern links vorn einen Moshpit, hinten machen bitte fünf Leute Liegestütze, hier vorn hüpfen drei die ganze Zeit auf und ab und Du da vorn stehst bitte komplett still und gibst mir gar nichts. Und wenn euch noch mehr willkürlicher Kram einfällt, immer her damit, denn jetzt gibt es KAPTAIN KAOS!" 

Zum Abschluss gibt es dann noch die obligatorische Conga-Reihe, traditionell angeführt von Bassist Lodd Bold und ich denke mir "TROLLFEST – warum eigentlich nicht?". Vor Menschen, die sich TROLLFEST Sonntagabend gemütlich im Sessel sitzend und Single Malt trinkend anhören, habe ich allerdings weiterhin Angst.

Melancholische Volksweisen bei ARKONA …

Arkona

Mit ARKONA verlassen wir nun das kalt-lustige Norwegen in Richtung kalt-melancholisches Russland. Vielleicht war TROLLFEST einfach ein bisschen zu viel des Guten, vielleicht liegt es an der doch eher mystisch-melancholischen Aufmachung – aber die Stimmung ist bei ARKONA verhalten. Dass vom bisher guten Sound nicht mehr viel übrig und es vor allem nur noch eins, nämlich laut ist, hilft leider auch nicht wirklich, so dass ein recht großer Teil des Publikums den Auftritt für eine Essens- und Verschnaufpause nutzt. Glücklicherweise packen ARKONA im letzten Konzertdrittel auch die eher fröhlichen Volksweisen aus und sorgen mit dem obligatorischen "Yarilo" für einen versöhnlichen Abschluss.

… und streitlustige Germanen bei HEIDEVOLK

Andere Konzerte wären an dieser Stelle schon vorbei, doch bei den "Folk Metal Superstars", wie die Tour inoffiziell heißt, geht es jetzt erst richtig los. Das Wort Europatour bekommt bei diesem Billing tatsächlich noch eine zusätzliche Bedeutung, denn weiter geht es in die Niederlande zu HEIDEVOLK.

Zweistimmig und in ihrer Muttersprache singend, haben HEIDEVOLK ihre ganz eigene Folk-Nische gefunden und fühlen sich in dieser sichtlich wohl. Und auch das Publikum wird durch die vermeintliche Sprachbarriere (wobei man argumentieren könnte, dass ab einem bestimmten Pegel die Grenzen zwischen Deutsch und Holländisch ohnehin verschwimmen) nicht vom Mitgröhlen abgehalten. Im Gegenteil, die einzigen (nicht ganz ernst gemeinten) Buhrufe ertönen, als die Sänger Lars und Jacco anbieten, den Song "A Wolf in My Heart" auf Englisch zu singen.  

Natürlich dürfen auch Klassiker wie "Krijgsvolk" nicht in der Setlist fehlen und spätestens beim finalen "Vulgaris Magistralis" ist das Publikum nicht mehr zu halten. Abgesehen von ein paar winzigen technischen Problemen zu Beginn, die von der Band allerdings sehr humorvoll überspielt werden, liefern HEIDEVOLK einen durchweg gelungenen Auftritt.

KORPIKLAANI – einer geht noch, einer geht noch rein!

Korpiklaani

Letzter Halt: Finnland. Nach mittlerweile sechs Bands und fast sieben Stunden Musik ist es Zeit für das Finale mit den trinkfreudigen Finnen von KORPIKLAANI. Mit Songs wie "Vodka", "Beer Beer" und "Tequila" liest sich die Setlist ungefähr genauso, wie die Getränkekarte des Backstagebereichs und insbesondere Bassist Jarkko legt eine Energie an den Tag, dass man sich ernsthaft fragen muss, ob er den restlichen Tag über irgendwo angekettet wird – anders kann ich mir den Bewegungsdrang, der es tatsächlich schwierig macht, ihn auf Bildern einzufangen, nicht erklären.

Die anderen Bandmitglieder sind nicht minder agil und auf der Bühne herrscht ein fröhliches Party-Chaos, das sich auch ins Publikum überträgt. Leider hat der Abend insgesamt bei den Gästen schon seinen Tribut gefordert und die Turbinenhalle ist zwar noch lange nicht leer, aber auch nicht mehr wie noch bei HEIDEVOLK bis zum Rand gefüllt. Die verbleibenden Zuschauer machen aber das Beste aus der neu gewonnenen Bewegungsfreiheit und sorgen für einen räumlich deutlich ausgedehnten Moshpit.

Nach knapp 90 Minuten Spielzeit inklusive Zugabe endet mit KORPIKLAANIs Auftritt auch gleichzeitig die vermutlich größte Folk-Metal-Party des Jahres und wer hier nicht verschwitzt und glücklich nach Hause torkelt, hat irgendwas falsch gemacht.