Doch nach einem langen Wochenende mit zwei eigenen Konzerten sehnte sich ein gewisser Redakteur eines kleinen Metal-Webzines nach einem entspannten Feierabendbier in gemütlicher Münchner Abendsonne bei guter Gesellschaft.
Wie es der Zufall will, gab am selben Abend niemand Geringeres als Taylor Swift, der größte Popstar aller Zeiten, im Olympiastadion der Bayerischen Landeshauptstadt ein Konzert zum Besten, das man darüber hinaus kostenfrei zumindest akustisch im umliegenden Olympiapark mitverfolgen konnte. Mit dabei war mit PARAMORE sogar ein echtes Schwergewicht der Rock- und Poppunk-Szene. Grund genug also für einen Abstecher in den Olympiapark, der für mich zur interessanten Mischung aus seichter Unterhaltung, Fankult-Bewunderung und Selbsterkenntnis werden sollte.
Wenn Taylor in der Stadt ist, lässt sich das auch ein beträchtlicher Teil an Menschen, die nicht zum Kauf einer hunderte Euros teuren Karte bereit sind, nicht entgehen. Der Münchner Olympiapark ist schließlich bekannt dafür, dass Fans und Freiwillige hier auch außerhalb des heiligen Bodens des Stadions in den Genuss eines Konzerts kommen können. So fanden sich am Sonntagabend, wie auch am Vorabend beim ersten von zwei Konzerten, neben den 74.000 Besuchern im Stadion noch weitere 42.000 ein, die das Konzert vom Olympiaberg und dem umliegenden Park aus verfolgten. Unter ihnen auch jener Redakteur eines kleinen Metal-Webzines.
Radtour zu Taylor
Bei einer derartigen Menschenansammlung empfiehlt sich zur Anreise am fraglichen Abend naheliegenderweise die Verwendung eines alternativen Verkehrsmittels als Bus, Bahn oder Auto, und so wird mein Konzert- und Feierabend durch eine friedliche, abendliche Radtour in den Olympiapark eingeleitet, vorbei am Schloss Blutenburg, dem Botanischen Garten und dem Nymphenburger Schlosspark. Es ist ruhig, und damit das perfekte Kontrastprogramm zu dem, was mit jedem Kilometer näher rückt.
Die Seismographen des Landes erwarten angesichts bisheriger Erfahrungen mit den sprunggewaltigen Swifties auch heute eine erhöhte Erdbebenaktivität in der Stadt, und die Zeichen darauf stehen gut. Der Olympiapark platzt vor Besuchern aus allen Nähten, die Merchstände vor dem Stadion sind überlaufen, die Churros-, Pizza- und Pommensstände gut besucht. Schnell fällt der Blick auf den Olympiaberg, von dessen sommerlichem Grün heute nicht viel übrig ist, denn wie ein gigantischer Ameisenhügel tummeln sich hier ganz besonders viele Schaulustige, um einen Blick ins Stadion und auf die LED-Leinwände zu erhaschen, über die Taylor ab ca. 19:30 für etwa dreieinhalb Stunden huscht.
Mit Blick auf mein entspanntes Feierabendbier entscheide ich mich heute gegen den Hügel, denn von Entspannung kann hier keine Rede sein. Etwas abseits findet sich schließlich ein weniger besuchtes Plätzchen, was in diesem Fall bedeutet, dass auf etwa fünf Quadratmeter nicht zehn, sondern nur zwei bis drei Besucher kommen. Etwas ruhiger und abschüssiger fühle ich mich hier eher unter meinesgleichen und erfreue mich endlich an meinem mitgebrachten Bier, das mir auch das Ärgernis über die horrenden Preise an den Bierständen erspart.
Von Links ertönen die Klänge aus dem Stadion, von rechts die tausenden Swifties auf dem Hügel. Welch eine Kulisse für die folgenden Stunden. Allmählich tut sich jedoch auch die Frage auf, wen ich hier bewundere – Konzert oder Fankult? Die Swifties auf dem Hügel sind zeitweise jedenfalls besser zu hören als der Popstar im Stadion nebenan.
Im Laufe des Abends erkenne ich zwischen den dumpfen Klängen aus dem Stadion und den lauten Fangesängen immer wieder moderne Klassiker wie "Cruel Summer", "Shake It Off" oder "Blank Space" und freue mich, dass die Musik so viele Menschen heute glücklich macht und singe zu meiner eigenen Verwunderung hier und da sogar selbst mit.
Achtung, ansteckend!
Ich kenne nicht viele von Taylors Songs und werde heute Abend auch nicht zum Swiftie, doch dieser mir bisher schleierhaft gebliebene Kult wird heute Abend wirklich sympathisch. Die Euphorie der Fans ist ansteckend und ich erkenne, dass die Liebe zur Musik etwas ist, das uns heute allesamt verbindet, ungeachtet unserer sonstigen musikalischen Präferenzen.
Es ist friedlich, alle feiern Taylor, zelebrieren ihre Musik, tanzen auf den Wegen und im Grünen, viele von ihnen tragen glitzernde Kleider und Outfits, die dem Erscheinungsbild des Megastars auf der Bühne nachempfunden sind. Andere liegen gemeinsam auf Picknickdecken, schließen die Augen und lauschen dieser seltsamen Mischung aus Livemusik, Fangesängen und geschäftigem Trubel, wieder andere lesen tatsächlich Zeitung oder genießen schlichtweg den Feierabend, so wie ich.
Welch ein Fest, welch herzliches, geselliges und so außergewöhnliches Zusammenkommen im Herzen Münchens, das ganz passend mit einem fulminanten Feuerwerk endet. Ja, heute Abend vergesse ich, dass ich mit noch am selben Morgen mit BODYSNATCHER zum Kaffee wach wurde und unter dem Hoodie vom letzten Hardcore-Festival ein HATEBREED-Shirt trage. Es ist faszinierend.
Wo ist Maggus?
Nur einer fehlt: Die Bierzelt-Diva des bayerischen Instagram-Populismus, die qua Amtstitel den Posten des Ministerpräsidenten im schönsten (Bundes-) Land der Welt bekleidet. Das ist ein bisschen verwunderlich, denn eigentlich ist Markus Söder ja bei allem in überheblich staatsmännischer Manier vor Ort, was Bayerns internationale Relevanz und Rolle als heimlicher Mittelpunkt der Welt unterstreichen könnte. Doch nachdem er am Samstag in seiner fränkischen Heimat Nürnberg ein Konzert der Heavy-Metal-Urgesteine AC/DC besuchte, um medienwirksam um die Gunst der Hardrock-und Metalfans zu werben, war König Maggus gestern lieber erst bei seinem Lieblings-Döner-Imbiss, um sich beim Schneiden eines Drehspießes filmen zu lassen, bevor er anschließend dorthin reiste, wo er hingehört: ins Bierzelt. Wäre ja auch seltsam gewesen, so zwischen lauter bunten und fröhlichen jungen Menschen und ganz ohne Schweinsbraten, Leberkas und Bier im Maßkrug.
Gewohnt staatsmännisch am Swiftie-Wochenende: Markus Söder