Geschrieben von Montag, 27 Juni 2005 00:37

Bang Your Head 2005 - Der Festivalbericht



Zum zehnten Mal hat die Redaktion des HEAVY Magazins am letzten Juni-Wochenende nach Balingen eingeladen, um auf dem Messegelände das Bang Your Head Jubiläum zu feiern. Das Motto in diesem Jahr lautet „Best Of Ten Years“ und so sind nur Bands eingeladen, die bereits auf dem Bang Your Head gespielt haben. - Und dann ist da noch der geheimnisvolle Very Special Guest von dem man eigentlich im Vorfeld nur wusste, dass er noch nie in Balingen aufgetreten ist.


Da die Clubshow am Donnerstag  wie gewohnt nicht im Ticket enthalten ist, ich in der extremen Hitze auch nicht wirklich Lust habe, mich in die Shuttle-Busse zum neuen WOM in Hechingen zu quetschen und ich außerdem viele liebe Bekannte getroffen habe, verbringe ich den ersten Abend in Balingen lieber auf dem Zeltplatz und am Grill. 

Die undankbare Aufgabe, das Festival zu eröffnen, fällt Morgana Lefay zu. Die Zuschauer konnten über die Billingplatzierung abstimmen und die Schweden haben den kürzeren gezogen. Allerdings merkt man auch schon zu so früher Stunde, dass dieses Jahr, in dem das Bang Your Head erstmals ausverkauft ist, deutlich mehr Menschen auf dem Gelände sind als in den früheren Jahren. Obwohl die Schweden relativ viel neues Material spielen, kommt die Band gut beim Publikum an und darf sich über weit mehr als nur Höflichkeitsapplaus freuen.

Exciter lassen es danach richtig krachen und erteilen den für diese Tageszeit sehr zahlreichen Zuschauern eine Lektion in Sachen klassischen Speedmetals. Lediglich beim Gesang scheiden sich die Geister. Während die einen absolut begeistert sind, finden andere die Leistung von Sänger Jaques Belanger bestenfalls mäßig. Kamelot sind für die kurzfristig nicht verfügbaren Virgin Steele ins Programm genommen worden und beweisen, dass sie es verdient haben, zum wiederholten Mal in Balingen auf der Bühne zu stehen. Die Band stellt ihr aktuelles Album „The Black Halo“ vor und nicht zuletzt dank ihrem charismatischen Sänger dürften Kamelot viele neue Freunde gefunden haben.

Bei Krokus darf man mit energiegeladenem Hard Rock rechnen, und das trotz brütender Hitze zahlreich erschienene Publikum wird nicht enttäuscht. Die Schweizer um Sänger Marc Storace rocken eine ¾ Stunde frisch von der Leber weg und hinterlassen eine glückliche Menge auf dem Messegelände. Auf Destruction und Amon Amarth kann ich ehrlich gesagt gut verzichten, und so ziehe ich es vor, lieber in Ruhe die zahlreichen Merchandising Stände zu durchstöbern. Beide Bands scheinen aber bei ihrem Publikum gut anzukommen, wobei die Wikinger in der Gunst der Masse eindeutig die Nase vorn haben.

Doro ist ein echtes Phänomen. Obwohl sie so oft auf Festivals auftritt, dass mancher schon um eine Pause bettelt, schafft sie es doch immer ihr Publikum in ihren Bann zu ziehen. So habe auch ich bei der Schnulze „Für Immer“ eine Gänsehaut, obwohl ich den Song eigentlich nicht ausstehen kann. Etwas anstrengend sind wie gewöhnlich die ständig zwischen Deutsch und Englisch wechselnden Ansagen, davon abgesehen legt die Metal-Lady aus Düsseldorf aber einen gelungenen Auftritt hin.

Gewinner und heimlicher Headliner an diesem Tag sind für mich U.D.O. Die Mannen um Udo Dirkschneider haben das Gelände vom ersten Ton an in der Hand. Die Menge singt, klatscht und grölt mit, und so gerät der Auftritt zum Triumphzug, den die Band sichtlich genießt. Etwas ungewöhnlich ist allerdings die Setlist, bei der Hits wie „Metal Heart“ oder „Balls To The Wall“ sehr früh abgefeuert werden, während „Fast As A Shark“ gar nicht erst gespielt wird. Entsprechend endet der Auftritt mit „Burning“ eher schwach.

Auch bei Gamma Ray nehme ich mir eine Auszeit, um bei der anhaltenden Hitze noch bis zum Headliner auszuhalten. Aus Erzählungen weiß ich, dass Kai Hansen und Konsorten Probleme mit der Technik hatten. Haben Saxon live schon mal enttäuscht? Auch dieses mal lassen Biff und seine Jungs nichts anbrennen und präsentieren ein mit Hits gespicktes Best Of Programm, das kaum Wünsche offen gelassen haben dürfte. Auch die neuen Songs kommen gut an, und so ziehen sich die Engländer nach knapp 90 Minuten zufrieden von der Bühne zurück.

Lemmy scheint einen schlechten Tag zu haben, zumindest präsentiert sich der Frontmann von Motörhead noch bärbeißiger als gewohnt. Da er außerdem mit dem Monitorsound alles andere als zufrieden ist, wird die Show immer wieder unterbrochen. So schnell wird also ein beinharter Rocker zur Diva. Alles in Allem gelingt es Motörhead nicht so recht, Kontakt mit den Fans aufzunehmen und so ist der Abschluss des ersten Festivalstages in Ordnung; mehr aber auch nicht. Das haben andere Bands bereits besser gemacht.

Wirklich kritisch wird es allerdings erst eine gute Stunde nach Ende des Konzerts, als recht überraschend ein heftiges Gewitter mit Sturm und Hagel losbricht, das laut Presseberichten 500 Camper ihre Zelte kostet und 40 Verletzte hinterlässt. Und auch auf dem Festivalgelände sind Verluste zu beklagen. Die Lichtanlage und die Boxen haben Einiges abbekommen und diverse Gastronomie- und Merchandisingstände müssen das Handtuch werfen.

Aufgrund der Reparaturarbeiten kann die erste Band erst mit gut drei Stunden Verspätung beginnen. Um trotzdem noch alle Bands zum Zuge kommen zu lassen, müssen sich die ersten Combos mit Spielzeiten um die 15 Minuten begnügen, da in Balingen sehr strenge Auflagen bestehen, wenn es um das Überziehen des Zapfenstreichs geht. Demon können so nur vier Stücke zum Besten geben. Trotz der harten Nacht und der etwas unübersichtlichen Informationslage können sich die Briten über einen gut gefüllten Platz freuen und überzeugen mit ihrem eingängigen Hard Rock. Davon hätten viele sicher gern mehr gesehen.

Vicious Rumors versuchen aus der kurzen Zeit, die ihnen bleibt, das beste herauszuholen. Immerhin können die Amis mit den Reaktionen der Menge zufrieden sein. Warum Nasty Savage auf eine bessere Billingplatzierung gewählt wurden, als die beiden vorhergehenden Bands, werde ich wohl nie verstehen. Was die Amis zeigen ist nämlich einfach nur langweilig. Da Frontschrank Nasty Ronny nicht mal einen Fernseher auf seiner Rübe zerlegt, kann dieser Auftritt getrost als kompletter Misserfolg gewertet werden.

Jag Panzer gehörten sicher im Vorfeld zu den Bands, auf die viele Zuschauer gespannt gewartet haben. Leider kommt auch diese Band aufgrund des gestrafften Zeitplans kaum dazu, sich überhaupt warm zu spielen. Trotzdem gibt sich die Amis, ebenso wie alle anderen an diesem Morgen, alle Mühe und werden verdient gefeiert, wenn ich es auch etwas gewagt finde, in einem derartig kurzen Set noch ein neues Stück einzubauen. Tankard sind Geschmackssache, meinen Geschmack treffen sie überhaupt nicht. - Und da es auch am Samstag nicht weniger heiß ist als am Freitag, nutze ich die Zeit, um mich mit Getränken einzudecken. Auch Nevermore sind nicht unumstritten, wobei mir zumindest die epischeren Songs durchaus gut gefallen. Die Band zeigt, dass sie ordentlich Spaß an der Sache hat, muss sich aber auch schon bald wieder verabschieden, was Sänger Warrel Dane mit den Worten „Whatever you do, use a condom“ tut. Sicherheit geht halt vor. 

In der Umbaupause entert Festivalchef Horst Odermatt die Bühne, um seine engsten Mitarbeiter vorzustellen. Dabei heimst er gleich noch den Preis für den unromantischsten Heiratsantrag aller Zeiten ein, als er mehr so nebenbei um die Hand von Ines anhält. Als Trauzeugen kommen Dee Snider und Sebastian Bach auf die Bühne, während in den ersten Reihen ein Bang Your Head Kuchen mit den Logos aller Bands darauf verteilt wird. Ein schönes Bild auf einem Metalfestival, die ersten Reihen mümmeln im einsetzenden Regen (zum Glück der einzige Schauer an diesem Tag) Kuchen. Aber das Bang Your Head ist kein Kaffeeklatsch. Musikalisch ist Axel Rudi Pell ohnehin über jeden Zweifel erhaben. Wenn der dann noch Ausnahmemusiker wie seinen Sänger Johnny Gioeli und das Drumtier Mike Terrana dabei hat, kann eigentlich nichts mehr schief gehen. Sehr positiv fiel außerdem Keyboarder Ferdy Doernberg auf, der sich ganz offensichtlich wie ein Schneekönig über den Zuspruch der Fans freute. Absolut gelungene Show.

Die liefert im Großen und Ganzen auch Sebastian Bach. Leider hat die Ex-Skid Row Frontröhre mit technischen Problemen zu kämpfen, denn anfangs gibt das Mikro keinen Ton von sich, was der ehemalige Musicaldarsteller mit einem beherzten Griff zum Mikro seines Gitarristen löst. Nach dem dritten Stück funktioniert die Technik dann aber auch wieder und Bach serviert dem gut vorgewärmten Publikum eine astreine Rockshow. Allerdings fällt auf, dass Sebastian Bach physisch im Vergleich zum vergangenen Jahr abgebaut hat. Zum einen hat der Frauenschwarm deutlich zugelegt, zum anderen wäre er bei den letzten beiden Stücken seines Sets ohne die Backroundvocals seines Gitarristen verloren gewesen. Anschließend erteilen die zum wiederholten Male wiedervereinigten Candlemass eine Lektion in Sachen Doom. Bei sehr gutem Sound zelebriert die Band um Kuttenträger Messiah Marcolin ihre Doom-Messe vor einer begeisterten Menge. Ein würdiger Übergang zur Auflösung einer nicht weniger mystischen Frage:

Was war in den letzten zwölf Monaten nicht alles spekuliert worden, wer als Special Guest in Balingen auftreten würde? Die wildesten Gerüchte und größten Namen waren in den Ring geworfen worden und jeder wollte es angeblich ganz sicher wissen. Bereits einige Stunden zuvor war durchgesickert, dass es jetzt zwei spezielle Gäste geben soll, auch die Namen kursieren bereits seit dem Mittag und die erste Band ist tatsächlich speziell... vielleicht etwas zu speziell.

Man muss Hanoi Rocks zugute halten, dass sie eine durchaus solide Leistung bringen, das Publikum können sie aber leider zu keinem Zeitpunkt auf ihre Seite ziehen. Eigentlich schade, denn hätten sich die Fans etwas mehr auf die Band eingelassen, hätten beide Seiten vielleicht etwas mehr Spaß gehabt. So aber bekommen die Finnen die ganze Enttäuschung des Publikums und leider auch diverse Becher ab. Wie ein Großteil der Anwesenden hatte ich zwar auch mit einem größeren Namen gerechnet, aber das haben Hanoi Rocks nicht verdient.

Der zweite Überraschungsgast ist Mike Tramp’s White Lion, was so viel heißt wie Mike Tramp und einige Angestellte spielen White Lion-Songs. Das Publikum nimmt den Australier deutlich freundlicher auf als Hanoi Rocks und so konnte Mike Tramp sein mit Klassikern gespicktes Best Of Programm an den Mann und die Frau bringen. Nun ist es Zeit für den kleinen Mann mit der großen Stimme. Ronnie James Dio gehört trotz seines Alters ohne Zweifel zu den Besten seines Faches und der Mann weiß, was auch einem Festival gefragt ist. Hits wie „Holy Diver“ oder Klassiker aus seiner Rainbow Phase wie „Man On The Silver Mountain“, „Long Live Rock’N’Roll“ oder „Gates Of Babylon“ werden begeistert gefeiert. Zudem hat Dio praktisch einen perfekten Sound und kann so sein ganzes Können ausspielen. Für mich ist er damit der heimliche Headliner des Festivals.

Alle, die 2003 den unglaublichen Auftritt von Twisted Sister erlebt hatten, fragten sich im Vorfeld, ob die verdrehten Schwestern an ihre Leistung von vor zwei Jahren würden anknüpfen können, und so viel gleich vorweg, sie können nicht! Das hat verschiedene Gründe. Zum einen ist das Publikum nach zwei Tagen in praller Sonne und einem Unwetter in der Nacht sicher nicht mehr wirklich fit und bringt nicht einmal annähernd die Energie ein, wie das Publikum 2003, aber das ist nur eine Seite. Die Idee, das komplette Stay Hungry-Album in einem Rutsch durchzuspielen, entpuppt sich als eher ungeschickt. Zum einen werden Hits wie „I Wanna Rock“ und „We’re Not Gonna Take It“ bereits sehr früh verbraten, zum anderen fehlen so unverzichtbare Songs wie „I am, I’m Me“ oder „Destroyer“ oder „Shot ’Em Down“. Dazu kommt, dass die Show der verdrehten Schwestern offensichtlich auf eine weitere DVD-Produktion ausgelegt ist und arg gestellt und unspontan rüberkommt. Kurz, den hohen Erwartungen der alten Bang Your Head-Gänger können Twisted Sister, trotz objektiv guter Leistung, nicht gerecht werden. 

Der Bang Your Head-Orga muss man schon ein riesiges Kompliment aussprechen. Nicht nur, dass sie seit Jahren eines der am besten organisierten Festivals Deutschlands anbieten. Auch dass sie es geschafft haben, trotz des Wetterchaos noch alle Bands auf die Bühne zu bringen, war eine Glanzleistung. Außerdem kann die gute Zusammenarbeit zwischen Besuchern, dem Roten Kreuz und dem THW und der Balinger Bevölkerung nicht oft genug betont werden. Vielleicht war es auch das, was Horst Odermatt dazu bewog, bereits vor dem Auftritt von Twisted Sister bekannt zu geben, dass es entgegen einiger Befürchtungen auch nächstes Jahr wieder ein Bang Your Head Festival geben wird.

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