Soviel vorweg: Mit Podcasts konnte ich selbst bis vor kurzem kaum etwas anfangen. Bei meinen wenigen Versuchen war ich zu oft bei Formaten gelandet, in denen pseudolustige Selbstdarsteller ihren gequirlten Senf zu Themen gaben, von denen sie offenkundig keine Ahnung hatten. Zeitverschwendung, mich näher damit zu befassen.
Durchaus anders sieht es für mich beim Podcast meines Namensvetters Marcus Görner aus. Der 44-jährige Informatiker, der in Moers lebt, ursprünglich aber aus Essen stammt, startete Ende August 2023 seinen ersten Podcast mit den Worten:
Leute, wir müssen reden…!
Inzwischen nähert sich Marcus der Jubiläumsausgabe 100, die komplette Arbeit dafür erledigt er in seiner Freizeit. Allein oder mit wechselnden Gästen spricht er wöchentlich über Bands, Alben und besondere Konzerterlebnisse, interviewt Musiker und lässt nur zu gerne auch sein Publikum zu Wort kommen. Das Ganze aus der Sicht eines passionierten Metalfans, respektvoll, ohne sich selbst dabei allzu ernst zu nehmen.
Ein Mikro – und eine Eingebung
Erzähl doch mal bitte, wann und wie du zu deinem Podcast und dem Namen Metal Marcus gekommen bist.
Marcus: Das Ganze geht tatsächlich darauf zurück, dass ich bei meiner Arbeit auch im Betriebsrat tätig bin und mir für unsere Öffentlichkeitsarbeit ein gutes Mikro gekauft hatte. Das lag hier rum, und dann gab es im August 2023 ein Thema, dass mich ein bisschen umgetrieben hat: das Solo-Debütalbum von Chris Boltendahl unter dem Namen CHRIS BOLTENDAHL´S STEELHAMMER, das jetzt nicht so viel anders klang als seine Band GRAVE DIGGER. Ich habe mich gefragt: „Warum hat Chris Boltendahl das eigentlich gemacht?“. Dann habe ich am Rechner die Aufnahme gestartet, gesagt: „Leute, wir müssen reden…!“, und angefangen, einfach zu labern.
Meine Frau und meine Tochter meinten nach der Aufnahme: „Das musst du auf jeden Fall veröffentlichen!“. Und ich habe gefragt: „Ja, toll, aber wie soll ich das Ganze nennen – Metal Marcus´ Metal Podcast, oder was?!“. Und beide meinten nur: „Ja, warum denn nicht?“.
Das Ganze ist tatsächlich ein reines Zufallsprodukt – es gab keinen Masterplan, keine Vorlaufphase, keine gigantisch lange Ausarbeitung von Themen. Ich wollte einfach nur meine Gedanken in die Welt tragen, das war die Intention dahinter.
Die erste Folge war knapp zwölf Minuten lang. Seitdem ist das Format deutlich gewachsen, mit abwechslungsreichen Rubriken und zahlreichen Gästen, darunter Kollegen aus anderen Metal-Podcasts und regelmäßig auch deinem Freund Maik Englich, der als Redakteur beim Webzine Powermetal.de tätig ist. Was ist die Idee, die du inzwischen mit deinem Podcast verfolgst?
Marcus: Ich möchte ganz einfach Leuten, die auch Lust auf Metal haben, ein bisschen Unterhaltung bieten – vorrangig zu Bands, die mich interessieren und bei denen ich mich auskenne. Und das jetzt nicht nur in der Form, dass man Informationen über neue CDs rausbringt, sondern dass man miteinander darüber quatschen kann und in Kontakt kommt.
Das ist auch in den letzten Monaten sehr schön passiert, dass man Leute darüber kennengelernt hat, mit denen man sich wirklich austauschen kann, von denen auch Ideen und Anregungen kommen und die man stellenweise auch auf Konzerten trifft – so eine kleine Community, auch wenn das vielleicht ein bisschen hochtrabend klingt. Ich muss nicht von irgendjemanden hören: „Hey, das war die geilste Folge aller Zeiten!“. Es soll einfach Unterhaltung sein und ein Stück weit natürlich auch Spaß machen.
Reden ohne Limits
Bei deinen Interviews beschränkst du dich weitgehend auf Musiker aus der zweiten oder auch dritten Reihe, die in den größeren Magazinen oft keine besondere Rolle spielen. Entspricht das einer ganz speziellen Philosophie?
Marcus: Ich bin jemand, der seine Sachen einfach gerne selbst regelt. Und wenn du kleinere Bands wie WARWOLF, LOST SANCTUARY oder DON´T DROP THE SWORD über Social Media anschreibst, kannst du dir eigentlich auch sicher sein, dass sie sich wirklich melden.
Natürlich würde ich auch große Bands mit Kusshand nehmen, aber das läuft dann meist über eine Promo-Agentur und ist gerade vor einem Album-Release mitunter irre eng getaktet, 20 Minuten, oft zu einer Uhrzeit, zu der ich selbst noch am Arbeiten bin.
Und es ist natürlich auch reizvoll, wenn du den zeitlichen Rahmen hast, dass du sagen kannst: „Hey, wenn es sich ergibt, reden wir auch mal anderthalb Stunden, und dann vielleicht auch mal über Themen, über die man in einem normalen Interview gar nicht sprechen würde“.
An das Interview mit Jens Faber von LEGIONS OF THE NIGHT und DAWN OF DESTINY erinnere ich mich zum Beispiel sehr gerne zurück, weil er auch viele Dinge über sich persönlich erzählt hat, über die Corona-Zeit und darüber, dass LEGIONS OF THE NIGHT aus Liebe zu SAVATAGE entstanden sind.
Kannst du mir sagen, wie viele Hörer du mit einer Ausgabe erreichst?
Marcus: Das ist eine sehr schwierige Frage und ich würde sie tatsächlich gerne beantworten, wenn ich es wirklich könnte. Das Problem ist, ich habe noch kein Tool gefunden, das dir eine zuverlässige Aussage darüber geben kann. Aber wenn ich mich darauf verlasse, was bei meinem Host Podigee steht, kann ich behaupten, dass jede Folge von irgendwas zwischen 50 und 120 Leuten gehört wird.
Wenn der Postmann einmal klingelt
Wie viel Arbeit steckt in einer Podcast-Folge? Beispielsweise einer Ausgabe zum „Album des Monats“, die ja etwas kleinteiliger ist, weil immer rund zehn Scheiben im lockeren Dialog besprochen werden und auch noch Tipps von Hörerinnen und Hörern eingespielt werden.
Marcus: Das kommt jetzt erstmal drauf an, was du unter Arbeit verstehst. Die Recherchearbeit dazu, was in dem Monat rauskommt, und das Anhören der Alben, das ich meist nebenbei mit Hilfe einer langen Playlist erledige, sehe ich nicht als Arbeit an.
Und wenn Maik und ich dann von mir aus um die zwei Stunden miteinander aufnehmen, ist das ja auch keine Arbeit in dem Moment. Du sitzt mit jemandem zusammen, mit dem du gerne Zeit verbringst, machst eine der schönsten Sachen der Welt, du quatschst über dein Hobby und hast noch Spaß dabei.
Die wirkliche Arbeit, hätte ich gesagt, ist halt, das Ganze zu schneiden und zu bearbeiten. Ich möchte einen angenehmen Fluss im Gespräch haben. Und dann kürzt du natürlich Pausen oder mutest mal was weg, weil einer sich räuspern musste oder der Postmann mittendrin geklingelt hat. Also rein die Bearbeitung, inklusive der Hörermeinungen und des Covers, bedeutet bei einer Zwei-Stunden-Folge etwa fünf Stunden zusätzlich am Rechner.
Standardfragen? Gähn!
Was ist die größte Herausforderung, wenn man selbst einen Podcast macht?
Marcus: Ganz im Ernst, es ist etwas, womit ich nie gerechnet hätte: Eine große Herausforderung ist oftmals einfach, wirklich eine gute Tonqualität hinzukriegen. Nicht alle, die in dem Podcast zu hören sind, haben ein gutes Mikro und gutes Equipment zuhause. Aber ich habe den Anspruch, dass es im Idealfall am Ende durchgehend so klingen soll, als könnte es auch im Radio laufen, daher muss vieles technisch nachbearbeitet werden.
Es gibt tatsächlich eine Folge, die ich ein zweites Mal aufnehmen musste, weil die Tonqualität vom Gegenpart leider nicht so gut war, was du aber erst beim Schneiden gemerkt hast. Das hat dann dazu geführt, dass ich improvisieren und stattdessen ganz spontan erstmal eine andere Folge rausbringen musste.
Ansonsten ist natürlich die Herausforderung, sich nicht zu wiederholen und bei den Interviews nicht in Standardfragen abzurutschen, wie etwa: „Wo habt ihr das Album aufgenommen?“ oder „Wer hat welchen Song komponiert?“. Sondern dass du das Album vorher auch wirklich gehört hast und die Leute ganz gezielt nach Songs oder Texten fragen kannst oder nach irgendwelchen Besonderheiten, die dir bei einem Song aufgefallen sind. Dafür musst du dich natürlich mit der Materie auseinandersetzen.
Gibt es einen Musiker oder eine andere Person aus dem Metal-Bereich, mit der du besonders gerne mal ein ausführliches Interview machen würdest?
Marcus: Ich glaube, jeder würde gerne mal mit Bruce Dickinson oder Steve Harris von IRON MAIDEN sprechen. Und wenn es um Deutsch sprechende Musiker geht, fände ich es unwahrscheinlich cool, mal mit Kai Hansen zu reden, weil er für mich mit HELLOWEEN und GAMMA RAY wirklich ein absoluter Held meiner frühesten Jugend ist, Mr. Power Metal!
Michael Kiske hatte ein Stück weit recht!
Michael Kiske wäre auch jemand, mit dem ich gerne mal sprechen würde, auch über seine Phase, als er Aussagen getätigt hat, die viele Leute gerne vollkommen falsch verstanden haben. Er hat sich ja Mitte der Neunziger sehr gegen diese Verbohrtheit, die im Metal vorherrscht, geäußert.
Das hat man dann runtergebrochen auf die Aussage „Heavy Metal ist für mich die Musik der geistigen Verdummung“, woraufhin ihn erstmal die Leser des Rock-Hard-Magazins zum „Deppen des Jahres“ gewählt haben, wo ich nur dachte: „Leute, ihr habt gerade absolut bewiesen, dass ein Stück weit das, was er sagt, vollkommen richtig ist – da wird jemand, der was gegen die heilige Kuh sagt, erst mal zum erklärten Feind gemacht!“.
Ich weiß nicht, ob Michael Kiske heute noch gerne auf diese Dinge angesprochen wird, aber das nochmal gemeinsam mit ihm zu reflektieren, wäre schon eine spannende Angelegenheit!
Ein Traum wird wahr
Und hat dich von all deinen Gesprächspartnern jemand ganz besonders beeindruckt?
Marcus: Mich beeindruckt immer sehr Markus Pfeffer (u.a. BARNABAS SKY, LAZARUS DREAM, MYSTERY MOON und ATLANTIS DRIVE), dem kannst du wirklich ein Stichwort geben und der quatscht los, ohne Punkt und Komma. Selbst wenn du mit so einem Unsinn anfängst wie bei dem Interview zu MYSTERY MOON: „Markus, was hältst du eigentlich von Dubai-Schokolade?“. Und er fängt sofort an zu erzählen.
Aber eigentlich waren alle Interviewpartner immer sehr angenehm. Es klingt jetzt doof, aber mein kleiner Traum ist ja in Erfüllung gegangen, als ich letztens tatsächlich auch mit Chris Boltendahl von GRAVE DIGGER reden durfte, damit hätte ich vor anderthalb Jahren niemals gerechnet.
Chris Boltendahl hat mich beeindruckt, weil er wirklich ein absolut netter und sympathischer Typ ist, den du vielleicht ein bisschen aus Reserve locken musst, aber der dann auch sehr bereitwillig Dinge erzählt – zum Beispiel, wie es überhaupt zu seinem Soloprojekt gekommen ist. Dass er dadurch „schuld“ an meinem Podcast ist, das hat ihn, glaube ich, schon ein Stück weit erheitert!
Abschließende Frage: Was am Produzieren eines Metal-Podcasts löst die größten Glücksgefühle in dir aus?
Marcus: Das ist, wie schon gesagt, die Möglichkeit, mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen, die eine ähnliche Passion verfolgen wie man selbst. Wie viele Leute haben mittlerweile bei diesem Podcast mitgemacht – und sei es auch nur, indem sie eine Sprachnachricht geschickt haben?
Natürlich macht es viel mehr Spaß, mit Leuten über Metal zu reden, als wenn du dich vor dein Mikro zu Hause setzt und irgendwas vor dich hin monologisierst. Also, wenn das hier jetzt jemand liest: Jeder ist herzlich eingeladen, sich zu melden und mit Ideen um die Ecke zu kommen! Und meistens finden sich dann Mittel und Wege.
„Metal Marcus´ Metal Podcast“ ist einer von rund 25 Metal-Podcasts, die in Deutschland produziert werden. Sämtliche Folgen stehen bei den gängigen Streaminganbietern zum Download bereit.
Marcus Görner ist auf Instagram zu finden unter @metal.marcus.81 und per Mail über metalmarcus@gmx.de erreichbar.