Myrath – Reflections Tipp

Myrath – Reflections
    Progressive Metal

    Label: earMusic
    VÖ: 22.08.2025
    Bewertung:8/10

    www.myrath.com


Die tunesisch-französische Prog-Metal-Band MYRATH bringt mit "Reflections" erstmals eine Best-Of-Compilation heraus, veröffentlicht am 22. August 2025 über das Label earMusic.

2001. Der 13-jährige Malek Ben Arbia gründet mit zwei Freunden aus seiner Kindheit die Band X-TAZY. Vier Jahre später veröffentlicht er in seiner Heimat Tunesien das Demo-Album "Double Face" via USB-Stick (!), nachdem er mit seiner Band viele Coverversionen der gemeinsamen Lieblingsgruppe SYMPHONNY X spielte. Dieser Einfluss ist schon im Debütalbum "Hope" der mittlerweile in MYRATH umbenannten Band unüberhörbar – weshalb ich sie gerne als die tunesische Antwort auf Symphony X bezeichne – wobei sie dem komplexen Prog-Metal eine Brise Orientalik einhauchen, was zu den typischen Trademarks der Band avancierte und sie zu Wegbereitern des Oriental Metal machte. Als erste tunesische Band überhaupt ergatterten sie einen Plattenvertrag außerhalb des eigenen Landes.

Perfektioniert wurde dieser Sound 2007 mit dem Einstieg von Sänger Zaher Zorgati, der den Keyboarder Elyes Bouchouda ersetzte. Es folgten ab 2010 die Alben "Desert Call" sowie das starke "Tales Of The Sands", die beide musikalisch an das Debütalbum anknüpften. Mit den drei neuesten Alben "Legacy", "Shehili" und "Karma" verfolgten die Tunesier ab 2016 einen songdienlicheren Ansatz, der ihre Musik zugänglicher und "erwachsener" machte. Die Anfragen stiegen und die einhergehenden Shows und Festivals (Wacken, Hellfest, Rock Hard) führten zu einer größeren Bekanntheit in europäischen Prog-Metal-Kreisen.

Rückblick oder Überblick?

In Zeiten von schnelllebigem Streaming haben sich MYRATH dazu entschieden, ihre 24-jährige Karriere in aller Ruhe auf CD und Vinyl zu "reflektieren". Die Idee hinter Reflections ist sowohl Rückblick als auch Einstiegspunkt. Für eingefleischte Fans bietet sie eine kuratierte Auswahl, für Neulinge einen kompakten Überblick.

Aus dem Album "Legacy" (2016) eröffnet "Believer" in hymnischer Manier die Sammlung und wird zum Glaubensbekenntnis. MYRATH strotzen vor Selbstbewusstsein und haben es sich zur Aufgabe gemacht, mit ihren Geschichten den Hörer in die Welt aus 1001 Nacht zu entführen. Davon kann man sich auch in dem aufwändig produzierten Video (auf YouTube bereits über acht Millionen mal angeklickt) überzeugen, in dem sich die Band gegen einen despotischen Sultan behaupten muss.

Diese Story wird im Video zu "Dance" aus Shehili (2019) weiter gesponnen, auch wenn der Song von der wahren, berührenden Geschichte des Balletttänzers Ahmad Joudeh inmitten des Syrien-Krieges erzählt, der unter Todesdrohungen aufgefordert wurde, nicht mehr zu tanzen. Den Abschluss der Video-Trilogie bildet "No Holding Back", das auf der Compilation aus mir unerklärlichen Gründen leider nicht vertreten ist.

Prog meets Orient

MYRATHs "Blazing Desert Metal" ist eine Melange aus progressiver Härte und orientalischer Romantik, der eine unwiderstehliche Sehnsucht anheftet. Das ist vor allem Sänger Zaher Zorgati geschuldet, der mit seiner kraftvollen und gefühlvollen Stimme, die den tunesischen "ziehenden" Gesangsstil Malouf integriert und manchmal auch in der Muttersprache Darija vorgetragen wird, einen sofort in seinen Bann zieht. Driving Force der Band ist Gitarist Malek Ben Arbia, der mit seinen süchtig-machenden Riffs und virtuosen Soli seinem Vorbild Michael Romeo alle Ehre erweist und zum prägenden Sound der Band beiträgt. Hörbeispiel? Bitteschön: Beyond The Stars aus "Tales Of The Sands" (2011).

MYRATH haben sich voll und ganz dem Progressive Metal verschrieben, dem sie in den ersten Alben ausgiebig frönten, bis sie sich 2016 mit dem Album "Legacy" (übrigens der englische Begriff für Myrath) wohl auch auf Drängen des neuen Labels earMusic einem kommerzielleren Stil annäherten, der ihre Musik organischer und aufrichtiger machte. "Born To Survive" aus "Shehili" (2019) sei hier stellvertretend für diesen Wandel zu nennen, das auf dem überragenden DVD-Live-Album "Live in Carthage" noch mehr an Intensität gewinnt. Ein weiterer Live-Song aus der DVD und gleichzeitig der älteste aus den Anfangsjahren vom Album "Desert Call" (2010) ist auf der Best-Of ebenfalls vertreten, was Lust darauf macht, den Oriental Metal auch auf der Bühne mit Bauchtanz und Pyrotechnik zu erleben.

Give me MYRATH

Man kann nun in der heutigen Zeit die Sinnhaftigkeit dieser Zusammenstellung in Frage stellen, aber vielleicht bieten MYRATH gerade deswegen Interessierten eine greifbarere Möglichkeit, sich ausgiebiger mit ihnen auseinanderzusetzen. Der neue Song "Until The End" (mit Gastsängerin) erscheint am 04. November diesen Jahres, der ein neues Album ankündigt. MYRATH werden uns bald wieder mit ihren geheimnisvollen Geschichten beglücken ...

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Credit: Leo Margarit

Tracklist (CD):
1. Believer (Legacy)
2. Merciless Times (Tales Of The Sands)
3. Beyond the Stars (Tales Of The Sands)
4. Born To Survive (Shehili)
5. Get Your Freedom Back (Legacy)
6. Nobody’s Lives (Legacy)
7. Into The Light (Karma)
8. Dance (Shehili)
9. Endure The Silence (Legacy)
10. Candles Cry (Karma)
11. Duat  (Legacy)
12. Wide Shut (Tales Of The Sands)
13. Tales Of The Sands (Tales Of The Sands)
14. Madness (Desert Call / Live in Carthage)

Lineup:
Zaher Zorgati – Vocals
Malek Ben Arbia – Gitarre
Anis Jouini – Bass
Morgan Berthet – Schlagzeug
Kevin Codfert – Keyboard

Medien:
www.facebook.com/myrathband
www.instagram.com/myrathband

Wölfi

Stile: Progressive Metal, Heavy Metal, Power Metal, Thrash Metal, Death Metal, Alternative Prog, New Artrock

Bands (momentan): Alterium, Walk In Darkness, Symphony X, Sunburst, Evergrey, Angra, Lovebites, Crypta, Ne Obliviscaris, Leprous, Temic, Orbit Culture

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