Unisonic - s/t

Unisonic-st


Stil (Spielzeit): Hard/Melodic Rock
Label/Vertrieb: earMUSIC/edel (30.03.2012)
Bewertung: 7,5/10

unisonic.de

Obwohl Kai Hansen und Michael Kiske mit von der Partie sind, handelt es sich bei UNISONIC definitiv nicht um eine Band, die in seligen "Keeper"-Erinnerungen schwelgt – das muss einem von Anfang an klar sein. Auch ich habe das illustre Duo direkt mit den HELLOWEEN der Spätachtziger zu assoziiert. Ein Fehler, der einem trotz riesiger Vorfreude auf die erste Zusammenarbeit der beiden Musiker seit mehr als 20 Jahren eigentlich nicht passieren dürfte, schaut man sich Kiskes letzte Projekte und Bands an. Zum Glück zeigte schon die tolle EP "Ignition", in welche Richtung "Unisonic" gehen würde: Eingängiger Melodic Rock mit positiver Grundstimmung, der zum einen die Genialität der prominenten Musiker aufblitzen lässt, zum anderen aber auch das Gefühl vermittelt, dass die Band aus ihrem Debüt mehr hätte machen können.

Man muss sich zwingen, UNISONIC nicht auf Kiske und Hansen zu reduzieren, erst recht nicht, da der GAMMA RAY-Gitarrist und -Sänger als letzter zur Band stieß. Mandy Meyer, Kosta Zafiriou und Dennis Ward, von denen die beiden Letztgenannten als Instrumentalisten bereits mit Kiske bei PLACE VENDOME gespielt haben, vervollständigen das Lineup und sind gleichwertige Bandmitglieder und Songwriter. Trotzdem, man kommt nicht umhin, den ehemaligen HELLOWEEN-Mitgliedern den größten musikalischen Einfluss auf "Unisonic" zuzuschreiben. Zu charakteristisch sind manche Passagen, als dass sie nicht deutlich die Handschrift Hansens oder Kiskes tragen. Aber, und das ist für Viele wohl das größte Problem, eben nicht mit dem frühen Songwriting der Kürbisköpfe. Wer seine falsche Erwartungshaltung nicht gleich zu Beginn korrigiert, wird mit UNISONIC Schiffbruch erleiden.

Genug von HELLOWEEN, Promi-Bonus und überirdisch hohen Erwartungen, letztendlich geht's um die Songs. Und die klangen auf der "Ignition"-EP ja schon richtig klasse: "Unisonic" als eingängige Bandhymne und härtester Albumtrack, das vielschichtige, mit einem Refrain zum Niederknien versehene "My Sanctuary" und "Souls Alive" waren bereits bekannt. Letzgenannte ist eine der überzeugendsten UNISONIC-Nummern, klingt als Demo aber griffiger, packender, kurz besser als die Albumversion. Die schwebenden Pianotupfer im Refrain sind durch schnöde Violinen ersetzt worden, die Soli klingen gemäßigter, geschliffener. Man stelle sich nur vor, wie das gesamte Album ausgefallen wäre, wenn es so reduziert und rau wie das (hochwertige!) Demo geklungen hätte...

Für mich sind die bereits bekannten Songs gleichzeitig die besten, dazu gesellen sich noch "King For A Day", das durch Hansens Vocals im Chorus nach GAMMA RAY pur klingt und etwas ernsthafter ist, sowie der mit treibender Bassarbeit überzeugende Powerrocker "I've Tried". Der Rest, zwischen bombastischer, aber ziemlich zuckersüßer Powerballade ("No One Ever Sees Me"), melodischem Midtempo ("Star Rider", "Change", "Renegade") und heiter-flottem Rocksong ("Never Too Late", "Never Change Me") pendelt, ist  ebenfalls alles andere als schlecht. Michael Kiske hat in den vergangenen 25 Jahren nichts verlernt, seine samtene, helle Stimme klingt immer unverwechselbar. Auf "Unisonic" ruft er das ganze Können seiner Stimmbänder ab; klar, dass die Vocals ein Highlight der Scheibe darstellen und für einige als Kaufgrund reichen werden. Meyer und Hansen überzeugen mit wirklich grandioser Gitarrenarbeit, die sich vordergründig in schnellen Soli, Leads und griffigen Riffs äußert, im Hintergrund aber sogar noch mehr zum Entdecken bietet. Zafirious Drums und Wards Bass sorgen für den groovigen Rhythmus und geben den Takt an.

"Unisonic" bietet handwerklich exzellenten Melodic Rock, der ab und zu mal mehr nach Metal klingt, aber fast immer eine positive Grundstimmung verbreitet. Trotzdem fehlt das gewisse Etwas, das besondere i-Tüpfelchen, das man bei dieser Zusammenkunft von Musikern und Songschreibern erwarten sollte. Ohne Frage sind UNISONIC eine tolle Band mit hochklassigtem Einstand, man wird aber einfach das Gefühl nicht los, dass hier mehr Potential vorhanden ist und die Möglichkeit verschenkt wurde, gleich zu Beginn ein fulminantes Ausrufezeichen zu setzen. Meckern auf hohem Niveau, Luxusprobleme, das ist alles richtig – ich für meinen Teil bin trotz der tollen Songs und ohne an HELLOWEEN zu denken ein klitzekleines bisschen enttäuscht.