Enforcer - Nostalgia Tipp

Enforcer - Nostalgia

Die auf dem Vorgänger vollzogene Kursänderung vom klassischen Speed Metal hin zu deutlich melodischeren Rock-Anteilen hat einigen ENFORCER-Fans so gar nicht geschmeckt. In der Folge und als trauriger Höhepunkt sorgten Hasskommentare und ausgebliebene Buchungen dafür, dass das schwedische Quartett nun wieder zurück rudert - zumindest ein Stück.

ENFORCER auf der Nostalgieschiene?

Dabei beweist das programmatisch betitelte "Nostalgia", dass ENFORCER ihren "Zenith" noch nicht überschritten haben. Ganz im Gegenteil: Bandchef, Sänger und Gitarrist Olof Wikstrand, Sechssaiter Jonathan Nordwall, Neu-Bassist Garth Condit und Drummer Jonas Wikstrand gehen den vorherigen Widerständen trotzend auf Album Nummer sechs weiterhin herrlich unbekümmert und leidenschaftlich ans Eingemachte. Und, ganz wichtig: Sie machen dabei ihr Ding.

Der ungestüme, NWOBHM-beeinflusste Speed Metal der Anfangstage nimmt wieder mehr Platz ein. Gleichzeitig versehen ENFORCER das neue Material munter-fröhlich mit Seventies-Einflüssen, Achtziger-Stadionrock, höchst eingängigen Refrains, "Oh-oh-oh"-Chören, "Uh-uhs" in bester KISS-Manier, Keyboard- und Piano-Sprenklern. Klingt wild und ist doch genau das, was die Schweden heute ausmacht. "Nostalgia" ist ein abwechlsungsreicher, grenzüberschreitender Ritt, der so viel zu bieten hat, wenn man ein bisschen über den "Death By Fire"-Tellerrand hinaus blickt.

"Nostalgia" ist abwechslungsreich, ungestüm, eingängig und vielfältig

Stürmisch wie eh und je zeigt sich das Quartett im sich förmlich überschlagenden, Punk-Vibes atmenden "Coming Alive", "When The Thunder Roads (Cross Fire)", dem wilden "Metal Supremacia" mit spanischen Lyrics oder "Kiss Of Death", das an eine stürmische NWOBHM-Version von MÖTLEY CRÜEs "Too Young To Fall In Love" erinnert. "Demon" hingegen ist absoölut klassisches Headbang-Futter mit düsterer Ausstrahlung.

Der packende Opener "Unshackle Me" mit seinen eingängigen, beinahe billig anmutenden und doch absolut herrlichen Keyboards im Chorus hat was von JUDAS PRIEST zu "Turbo"-Zeiten, während die Halbballade "Heartbeats" zuerst durch einschmeichelnde Vocals, dann mit JOURNEY-Spirits, Tempowechseln, epischem Gitarrensolo und Piano-Sprenklern überrascht. Auch "Keep The Flame Alive" mit seinen prägnanten Gitarrenleads und KISS-Feeling sowie die waschechte AOR-Hymne "No Tomorrow" sorgen erstmal für Staunen.

Der trockene Stadionrocker "White Lights In The USA" sitzt ein bisschen zwischen den Stühlen. "At The End Of The Rainbow" ist so was wie die perfekte Mischung aus altem und "neuem" Sound der Schweden: in den Strophen tönt es herrlich klassisch, im Refrain mitsamt SCORPIONS-Gedächtnisgitarren besteht dann absoluter Eingängigkeits-Alarm.

Und der Titeltrack? Kommt als kitschfreie, hochmelodische Ballade mit Gänsehaut-Refrain ganz schnell auf den Punkt und ist mein persönliches Highlight. "Nostalgia" sorgt für eine willkommene Verschnaufpause zwischen all dem Abwechslungsreichtum, den Breaks, Tempowechseln und der Stilvielfalt, die nicht bloß auf Albumlänge, sondern oft innerhalb der einzelnen Songs herrscht.

Mit "Nostalgia" machen ENFORCER alles richtig

Mit Wikstrands charakteristisch hohen Vocals, exzellenten Riffs, Leads und Soli, prägnantem Bassspiel und variablem Drumming scheißen ENFORCER auf Konventionen. Auch, wenn der Speed-Metal-Anteil wieder zugenommen hat, sind die Schweden mutig genug, all den anderen Einflüssen großzügig Raum zu gewähren und machen damit alles richtig. Dazu passt die transparente Achtziger-Produktion. "Nostalgia" ist ein herrlich unkompliziertes, leidenschaftliches und eingängiges Album, das auf klassischem Metal basiert und doch so viel mehr zu bieten hat.

Übrigens: Das ziemlich bunt gezeichnete Cover macht in LP-Größe echt was her. Auch, wenn das dazu passende, durchsichtige Vinyl mit farbigen Sprenklern leider schon ausverkauft ist, kann ich die Vinyl-Version wärmstens empfehlen. Doch Vorsicht: "Nostalgia" macht süchtig!

"Nostalgia" Trackliste:

01. Armageddon
02. Unshackle Me
03. Coming Alive
04. Heartbeats
05. Demon
06. Kiss Of Death
07. Nostalgia
08. No Tomorrow
09. At The End Of The Rainbow
10. Metal Supremacia
11. White Lights In The USA
12. Keep The Flame Alive
13. When The Thunder Roars (Cross Fire)

ENFORCER Line-up:

Olof Wikstrand - vocals, guitars
Jonathan Nordwall - guitars
Garth Condit - bass
Jonas Wikstrand - drums, keyboads, piano