Geschrieben von Dienstag, 03 November 2020 18:23

Seraph: Interview mit Shinya (Dir En Grey) und Moa zu ihrem Piano/Schlagzeug-Duo-Projekt

Seraph: Interview mit Shinya (Dir En Grey) und Moa zu ihrem Piano/Schlagzeug-Duo-Projekt Foto zur Verfügung gestellt von SERAPH

Mit SERAPH hatte DIR EN GREY-Schlagzeuger Shinya 2017 überraschend ein eigenes Solo-Projekt ins Leben gerufen. Nach der Veröffentlichung der ersten Single "Génesi“ ist es allerdings rasch wieder ruhig um das ungewöhnliche Piano-Schlagzeug-Duo geworden. BurnYourEars hat sich mit SERAPH zusammengesetzt, um über den aktuellen Stand der Dinge, das Band-Konzept sowie die Auswirkung der Coronakrise zu sprechen.

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Hallo Shinya, hallo Moa! Es freut mich sehr, dass ihr beide noch etwas Zeit für uns gefunden habt! Wie geht es euch?

Shinya: Freut mich, dich kennenzulernen. Da ich die ganze Zeit zu Hause verbringe, geht es mir sehr gut.

Moa: Hi Theo. Freut mich ebenfalls, dich kennenzulernen. Mir geht es gut, vielen Dank.

Da die meisten unserer Leser SERAPH noch gar nicht kennen, würde ich euch kurz bitten, euch vorzustellen. Wer seid ihr und was hat es mit SERAPH auf sich?

Shinya: Ursprünglich bin ich ein Mitglied der Band DIR EN GREY. Da wir aber seit ungefähr 2013 auch eigene Projekte beginnen dürfen, wollte ich unbedingt etwas machen, was ganz anders ist als DIR EN GREY. Zu dieser Zeit kam mir die Kombination von einem Klavier und einem Drumset auf der Bühne in den Sinn. Deshalb habe ich mich dann mit Moa, die ich von früher kannte, in Verbindung gesetzt.

Moa: Ich bin Moa, Sängerin und Pianistin von SERAPH. Ich erinnere mich, dass ich mich sehr darüber gefreut habe, als mich Shinya, während ich noch in New York war, dazu eingeladen hat, mit ihm Musik zu machen. Nachdem ich nach Japan zurückgekehrt war, begannen wir Ideen und Konzepte auszutauschen und zusammenzusetzen. Wir hatten viele Diskussionen, was die Richtung des Images und des Musikstils anging, die wir als selbstproduzierte Gruppe kreieren wollten.

SERAPH steht für "The Sovereign Angel“. Gleichzeitig erwähnt ihr in eurem Teaser-Video zu den "Licht Of Genesis“-Shows, dass ihr eine Art Geschichte erzählt, wie die Welt der Menschen aus der Sicht von Göttern und Engeln wirkt. Was ist das Konzept hinter SERAPH und wie wichtig ist die Geschichte für die Band?

Shinya: Ich kannte das Wort SERAPH schon sehr lange und da ich schon immer die Bedeutung und den Klang mochte, wusste ich, dass ich es auf jeden Fall irgendwann für ein Projekt nutzen will. Als wir dann die Gruppe gründeten und über das Image nachdachten, fand ich, dass der Name perfekt passen würde und schlug ihn deshalb vor.

Moa: Als ein Seraph oder Seraphim (Plural) wird allgemein der höchstrangige Engel bezeichnet. Nachdem wir uns auf den Namen SERAPH festgelegt hatten, wurde die Weltansicht unserer Gruppe noch viel weitreichender und bedeutsamer. Dadurch kam es, dass die Liedtexte zu dem Konzept "SERAPH überbringt Nachrichten an Menschen“ führten, weshalb es zum Grundstein unserer Gruppe wurde.

Musikalisch zeichnet sich SERAPH durch einen recht ungewöhnlichen Sound aus. Klavier und Schlagzeug bilden das Grundgerüst eurer Musik, welche zudem mit orchestralen Elementen angereichert wurde. Damit entfernst du dich zudem sehr weit von der rockig-metallischen Ausrichtung DIR EN GREYs, Shinya. War es nach 23 Jahren Rock einfach einmal an der Zeit, etwas anderes zu wagen?

Shinya: Wenn ich bei DIR EN GREY spiele, spiele ich in der Regel sehr intensive Lieder. Ich mochte aber auch immer schon klassische Musik und Musik mit heilenden Elementen. Daher war mir schon recht früh bewusst, dass ich irgendwann auch einmal solche Musik machen will. Außerdem hätte es bei diesem Projekt keinen Sinn gemacht, das Gleiche wie bei DIR EN GREY zu machen, sondern etwas ganz anderes, gegenteilig quasi.

Wie vereinst du die Arbeit in beiden Projekten zeitlich miteinander?

Shinya: Bei DIR EN GREY bekommen wir einen Zeitplan für das ganze Jahr, in dem auch freie Zeiträume zu finden sind. Und so lege ich alle Terminierungen für SERAPH in diese Zeiträume.

Ihr habt euren ersten Song "Génesi” 2017 veröffentlicht. Erzählt uns etwas zu eurem Songwriting- und Aufnahmeprozess.

Shinya: Es gibt einige andere Lieder von SERAPH, die wir aus älteren Ideen kreiert haben. Aber da wir schon am Anfang wussten, dass "Génesi“ das erste veröffentlichte Lied von SERAPH sein sollte, schrieb ich es erst, nachdem das Konzept festgelegt worden war. Deshalb hat der Prozess in diesem Fall in der Tat ziemlich lange gedauert. Da es das erste Lied ist, was die Leute von uns zu hören bekommen sollten, fand ich, dass es gut wäre, wenn schon in diesem einen Lied SERAPHs Weltanschauung und Konzept vermittelt werden würden.

Moa: Als ich die Demo dazu von Shinya erhielt, ist mir sofort ein Bild prächtiger, wunderschöner Natur in den Sinn gekommen. Das hat mir erlaubt, den Sound und die dramatische Ausdrucksweise des Orchesters, des Klaviers und der allgemeinen Atmosphäre zu kreiieren. Ich war am meisten beeindruckt von dem Sprung innerhalb einer gesamten Oktave, die vier Mal im Vers stattfindet. Shinya ist einfach ein großartiger Songwriter.

Abseits der drei von euch bisher gespielten Konzerte hatten Fans noch nicht allzu viele Möglichkeiten, weitere Songs von euch zu hören. Auf den "Licht of Genesis“-Shows habt ihr allerdings schon ein vollwertiges Set aus zehn Stücken gespielt. Gibt es schon Pläne für die Veröffentlichung dieser Stücke?

Shinya: Momentan ist da nichts geplant. In der heutigen Zeit geht deine Musik häufig unter, wenn du sie nur veröffentlichst, aber nicht mehr machst. Daher möchte ich irgendwann in der Zukunft die Musik zu einem passenden Zeitpunkt veröffentlichen.

Moa: Ich wünsche mir, dass jeder die Möglichkeit hat, auf die ein oder andere Weise unsere Musik zu hören.

Anders als viele andere Bands aus Japan verfasst ihr eure Texte auf Englisch. Was ist der Grund dafür?

Shinya: Da wir nicht vorhaben, uns nur auf Japan zu beschränken, sondern weltweit aktiv sein wollen, war Englisch eine absolute Notwendigkeit. Am Anfang habe ich kurz darüber nachgedacht, auch selbst Liedtexte zu schreiben. Aber da Moas Texte sogar meine Ideale überstiegen, überlasse ich das jetzt ganz ihr.

Moa: Danke, Shinya. Aber wie den Zuhörern vielleicht aufgefallen ist, beinhalten manche Lieder auch andere Sprachen, wie zum Beispiel Französisch. Zusätzlich sind die Liedtitel fast vollständig in verschiedenen Sprachen gehalten, die dem Image des Stils des Songs entsprechen; inklusive Deutsch. Außerdem sind die Texte recht philosophisch und poetisch. Auch die japanische Übersetzung ist sehr schön, wenn man sie verstehen kann.

Wer sich Aufnahmen eurer Konzerte anschaut, gewinnt schnell den Eindruck, dass das visuelle Element für SERAPH eine ebenso wichtige Rolle spielt wie das musikalische. Die großen Videoleinwände ziehen einen als Zuschauer quasi in eine andere Welt hinein. Erzählt uns ein bisschen über diese Art des Live-Auftritts.

Shinya: Da alleine durch das Hören von SERAPHs Liedern mit Leichtigkeit Bilder vor deinem geistigen Auge auftauchen, wollten wir diesen Aspekt auf unseren Konzerten noch einmal verdeutlichen, in dem wir Bilder auf die Leinwände projizierten. Da wir nicht nur Bilder sondern auch Texte projizieren, denke ich, ist es noch einfacher, tiefer in die Welt von SERAPH einzutauchen.

Moa: Als wir das Konzept von SERAPH kreiiert haben, wollte ich nicht nur Wert auf die Musik, sondern auch auf die räumliche Produktion und Visualisierung legen, um jede Komponente besser wertschätzen zu können. Deswegen hat jedes Lied ein Bild oder eine visuelle Darstellung. Deshalb gestalten wir die Background-Videos und Produktion jedes Konzerts eigens von Hand.

Abschließend würde ich gerne mit euch über die aktuelle Coronakrise sprechen. Auch die japanische Musikszene hat stark unter den damit verbundenen Einschränkungen zu leiden: Venues schließen und Ticketeinnahmen fallen weg. Wie nehmt ihr als Musiker die Situation wahr?

Shinya: In der momentanen Situation glauben wahrscheinlich einige, dass Musik keine Top-Priorität in der Welt hat. Das ist schade, aber man kann es nicht ändern. Ungeachtet dessen arbeite ich für die Menschen, für die auch jetzt Musik von äußerster Wichtigkeit ist, weiter an unserer Musik und sammele Kräfte für den Tag, an dem wir wieder zu unserer vorherigen Normalität zurückkehren können.

Moa: Wofür mache ich Musik? Für mich geht es nicht um Berühmtheit oder ein Ranking in den Musik-Charts. Ich möchte einfach etwas schreiben, was die Menschen bewegt. Ich möchte Menschen Courage und Hoffnung geben. Es gibt viele Menschen aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten, die momentan in einer schwierigen Situation sind. Deshalb möchte ich einfach alles in meiner Macht stehende tun und auf diese Zeiten und Veränderungen mit Zuwendung und Mitgefühl reagieren.

Habt ihr abschließend noch eine Nachricht an unsere Leser?

Shinya: Ich weiß nicht, wann es sein wird, aber wenn der Tag kommt, an dem wir wieder Konzerte geben können, möchte ich auch in Europa auftreten. Ich würde mich freuen, wenn ihr voller Vorfreude auf diesen Tag wartet.

Moa: Während dieser schwierigen Zeiten beten wir für jedermanns Sicherheit und für den Zusammenhalt der Menschheit, um Harmonie und Wohlwollen in die Welt zu bringen. Wir hoffen, unsere Musik erreicht all jene, die mit offenen Armen und einem offenen Herzen zuhören.

 

The Interview in English

Hi Shinya, hi Moa, nice to meet you. Thank you for making some time for us. Have you been well?

Shinya: Nice to meet you. Since I have been spending all my time at home, I am doing very well.

Moa: It’s nice to meet you. I‘m great, thank you. 

There are probably a lot of our readers who don’t know you too well yet. It would be great if you could shortly introduce yourselves. Please also tell us about your project SERAPH and how it came to be.  

Shinya: I am originally a member of the band DIR EN GREY. However, since about 2013 we were allowed to start our own projects and I really wanted to do something completely different from DIR EN GREY. At that time an image of piano and drums together on stage popped up in my mind and hence I reached out to Moa, whom I had known from earlier.

Moa: I’m Moa, the vocalist and pianist of SERAPH. While in New York, I remember being excited to be invited to do music together with Shinya. After I came back to Japan, we started piecing together ideas and concept. We had a lot of discussions about the direction of the image and music styles that we wanted to create as self-produced group.

I think SERAPH stands for „The Sovereign Angel“. You furthermore mentioned in your teaser video of the “Licht Of Genesis” show, that you are telling the story of "天使と神から見た人間世界の物語” What is the concept behind SERAPH and how important is the story for the band?

Shinya: I have known the word SERAPH for a long time already and since I have always liked the meaning as well as the sound of the word, I felt that I absolutely wanted to use it for some project at some point. Hence, when we founded the group and thought about the image, I thought that this name would fit perfectly and hence I proposed the name for our project.

Moa: A seraph, or seraphim (plural), are generally considered to be the highest rank of angels. Once the name of SERAPH had been decided, the world view of our group became much more expansive and meaningful. This led to the lyrics giving rise to the concept that “SERAPH conveys messages to humans”,  thus becoming the cornerstone of the group.

SERAPH is quite an unusual project sound-wise. Piano and drums are building the basic framework of your music, enriched with instrumental elements. This is quite a difference to DIR EN GREYs hard rock music, Shinya. After 23 years of rock music, did you just feel that it was time for something new?

Shinya: When playing with DIR EN GREY I play very intense songs. However, I also always liked classical music as well as music with healing elements. Therefore, I always knew I wanted to make music like that as well at some point.  Furthermore, in this project it would not make sense to make music the way DIR EN GREY plays, so I have been thinking of trying to do something completely different from DIR EN GREY.

How do you manage working on both projects time-wise?

Shinya: With DIR EN GREY we get a plan for the whole year and there are some free periods of times. Hence, I put all of SERAPH’s scheduling into these open time slots.

You released your first song "Génesi” in 2017. Could you tell us about the recording and song writing?

Shinya: There are other songs of SERAPH that were created from older ideas. However, being aware of the fact that "Génesi" will be the first released song of SERAPH, I wrote it after the concept had been decided on. Therefore, it actually took a long time to be finished. Since it is the first song that everyone will hear, I thought it would be good if we could convey SERAPH’s worldview in this one song already.

Moa: When I received the demo data of the song from Shinya, a magnificent and beautiful image of nature came to mind. This allowed me to create the sound and dramatic phrasing of the orchestra, piano and ambience. In regard to the melody, I was most impressed by the full octave jump which happens four times in the verse. Shinya is a wonderful songwriter.

Besides the three concerts you played, there were not many possibilities for fans to listen to further songs of SERAPH. However, at the “Licht of Genesis” Shows, you already played a full set of eleven songs. Are there any plans on releasing these songs?

Shinya: Currently there are no plans to do so. In this era, if you just simply release music and stop there, it sadly often just gets buried. Hence, I feel that i want to release the music at a good timing in the future.

Moa: I wish for everyone to be able to hear our music in some way or form.

In contrast to other Japanese bands, you write your lyrics in English. What is the reason for that?

Shinya: Since we don’t plan to just look at Japan but the world, English was an absolute necessity. In the beginning I had been shortly considering whether to write lyrics myself too. However, since Moa’s lyrics exceeded even my ideals greatly, I have entrusted it to her completely.

Moa: Thank you, Shinya. However, as people may have noticed, some songs contain other languages such as French. In addition, the songs titles are mostly in various languages that fit our image for the style of that song individually including German. Furthermore, the lyrics are quite philosophical and poetic. The Japanese translation is also very beautiful if you’re able to understand it.

Looking at the recordings of your concerts, one gets the impression that visual elements are as important for SERAPH as musical elements. The big screens basically pull the audience into another world. Please tell us a bit about this kind of live-shows.

Shinya: Since even just listening to SERAPHs songs will make pictures come to your mind smoothly, we wanted to express that aspect even more strongly at our concerts as well through projecting pictures on the screens. Since we project not only the pictures but also the lyrics, I think it’s even easier to immerse even deeper into the world of SERAPH.

Moa: When first creating the concept of SERAPH, I wanted to value not only the music but also spatial production and visuals. So, each song has an image or visual representation. Therefore, we make the background videos and production of each concerts by hand.

Last but not least I’d like to talk to you about the current corona-crisis. The Japanese music scene as well is facing several problems due to the restrictions: venues are closing down, ticket income is omitted. How do you as musicians perceive this situation?

Shinya: In the current situation, many people would think music isn’t the top priority in the world. That’s sad but it can’t be helped. Despite that, I have been working on our music for the people who even now find music to be of utter importance and I am gathering an explosive power for the day on which we can return to our prior normality.

Moa: What am I making music for? For me it’s not about the fame or ranking in the music charts. I simply want to write something that moves people. I want to give people courage and hope. There are many people coming from all walks of life that are in a difficult situation right now, so I just want to do what I can and respond to the times and changes with care and compassion.

Do you have a final message for your readers?

Shinya: I don’t know when it will be, but when the day comes that we can give concerts again, I want to play concerts outside of Japan and in Europe as well. I would be glad if you could be looking forward to that day.

Moa: During these trying times, we pray for everyone’s safety and for the unity of mankind to bring together harmony and goodwill through the world. We hope our music reaches all who would listen with open arms and an open heart.