Geschrieben von Donnerstag, 19 Oktober 2006 22:01

Opeth - Interview mit Gitarrist Peter Lindgren zu 'Ghost Reveries'


Opeth Band Interview
Neues Label, neues Glück? Nach fast fünfzehn Jahren ernten Opeth mit dem Wechsel zu Roadrunner Records den lang ersehnten Erfolg, der ihnen eigentlich schon längst zustand. Die auf fünf Mitglieder angewachsene Death-Prog-Götterband aus Schweden hat mit ihrem bereits achten Meisterwerk „Ghost Reveries" erneut eindrucksvoll bewiesen, wie man aus Metal Kunst machen kann. BurnYourEars las mit Gitarrist Peter Lindgren aus dem neuen Kapitel der hoffentlich unendlichen Opeth-Geschichte.


Zunächst einmal: Wie geht es Martin Lopez?


Es geht ihm besser. Er braucht noch ein bisschen Zeit, um sich zu erholen, und die soll er auch bekommen. Wir üben da keinerlei Druck aus. Natürlich müssen wir trotzdem weiterarbeiten, aber es wäre vermessen von uns, ihn mit einem Zeitplan zu stressen.

Entgegen anders lautender Gerüchte wird Martin aber doch ein festes Mitglied bleiben, oder?


Na klar. Wir könnten natürlich nicht ewig warten, aber jeder in der Band hat vollstes Verständnis für seinen gesundheitlichen Zustand. Wir wollen ihn unbedingt wieder in der Band sehen.

Auf seinen Drumhocker hat sich derweil Schlagzeuglegende Gene Hoglan gesetzt. Wie seid ihr mit ihm zusammen gekommen und wie verliefen die Shows bisher?


Die Sache mit Gene war nur ein Zwischenspiel für die US Tour und ergab sich auch nur zufällig. Heute Abend und für die restliche Zeit bis Martins Rückkehr wird Martin Irgendwas von Bloodbath hinterm Drumkit sitzen. Gene Hoglan war gleichzeitig mit seiner Band Strapping Young Lad auf US Tour und wir kannten uns auch schon früheren Shows. Also fragten wir ihn, ob er Lust hätte und er sagte OK. Er ist ein unglaublich genialer Schlagzeuger. Wir hatten keine Zeit zusammen zu proben, also hat er sich unsere Stücke angehört, dabei Airdrums gespielt und live auf der Bühne lief es fast perfekt. Sensationell der Mann!

Kommen wir zu eurem neuen Album „Ghost Reveries". Gratulation zu einem weiteren Meisterwerk in der Geschichte von Opeth. Einige Dinge haben sich allerdings geändert: Ihr habt ein neues Label, Steve Wilson war zum ersten Mal seit drei Alben nicht in die Produktion involviert, mit Per Wiberg habt ihr ein neues Bandmitglied und schließlich sind Opeth in den USA inzwischen weit mehr als nur ein Geheimtipp.

Bist du überrascht, dass ihr überall total abgefeiert werdet und auch kommerziell durchstartet oder denkst du nur „dieser Erfolg ist längst fällig. Es ist schließlich unser bisher bestes Album. Schön, dass die Leute das endlich zu schätzen wissen."?


Natürlich finde ich unser neues Album großartig, doch mit solch überschwänglichen Kritiken und den Nummer 1 Platzierungen in vielen Magazinen hätten wir bestimmt nicht gerechnet. Es ist schön, wenn man wie wir jahrelang soviel Energie, Aufmerksamkeit und Kreativität in seine Musik steckt und das Ergebnis plötzlich so hoch anerkannt wird.

Erklär mir doch bitte aus deiner Sicht, was „Ghost Reveries" von seinen Vorgängern unterscheidet. Findest du, es ist euer bestes Album? Wenn ja, warum?


Nun, es wird ein paar Jahre brauchen, um sagen zu können, ob es unser bestes Album geworden ist. Es ist definitiv eines unserer besten Werke, und die Zeit wird zeigen, ob es unser bestes bleibt. Momentan bin ich aber schon dieser Ansicht.Einer der Hauptunterschiede zu unseren älteren Alben ist, dass Per nun fester Bestandteil der Band ist. Natürlich wartet er nicht im Dimmu-Borgir-Style mit fetten Keyboardwänden auf, sondern fügt sich dem traditionellen Opeth-Sound. Die Musik war auch schon fertig komponiert, als wir ihn baten, seinen Teil hinzuzufügen. Aber in diesem Prozess hatte er freie Hand und man muss sagen, dass er unsere Musik wirklich bereichert.

Für mich klingt die neue Scheibe mehr „down to earth", etwas wärmer und organischer. Gleichzeitig gehen einige Songs sehr direkt zur Sache und sind härter und dunkler als alles was ihr vorher gemacht habt, z.B. „Ghost Of Predition" oder „The Grand Conjuration". Lieg ich richtig mit meiner Einschätzung?


Oh ja, ich stimme dir zu. Obwohl wir auch schon härtere Alben geschrieben haben. Klar, „The Grand Conjuration" ist einer der fiesesten Tracks von Opeth. Insgesamt ist das Album sehr ausgewogen, in sich schlüssig und hat einen vollmundigen Charakter.

Steven Wilson, euer Freund, bisheriger Producer und Kopf von Porcupine Tree hat in einem Interview mal in Bezug auf Mikaels Lyrics gesagt, sie seien bloße Death-Metal-Poesi. Ich hätte gerne lieber Mikael direkt um einen Gegenkommentar gebeten, aber vielleicht kannst du auch etwas zu den Lyrics sagen.


So, hat er? Ich weiß, dass sich Mikael bei den Texten sehr, sehr viel Mühe gibt und die auch nicht so nebenher schreiben könnte. Ich bin ein Fan von Stevens Texten, aber man sollte Mikaels Arbeit nicht einfach so abtun. Die Texte sind sehr intelligent geschrieben und beinhalten viele Doppeldeutigkeiten, deren Hintergrund man nicht so leicht erkennen kann. Vielleicht hat Steven seine Texte bis jetzt nicht verstanden, haha.Letztendlich haben wir großes Vertrauen in Mikaels Texte. Er ist derjenige, der sie singen muss, also hat er absolut freie Hand beim Schreiben. Wir sagen unsere Meinung, pfuschen ihm aber nicht rein. Wir wissen, dass er keine zu offensichtlichen Texte schreiben mag, und das ist auch gut so. Die Leute sollten seine Texte individuell interpretieren können.

Ist das neue Album ein Meilenstein in der Karierre von Opeth oder bevorzugst du zu sagen, es markiert den Beginn eines neuen Kapitels?


Hm, irgendwie ist es beides. Ja, für uns ist es ein Meilenstein, wobei Meilenstein auch immer „sehr erfolgreich" bedeutet. Das wird die Zeit erst zeigen. Aber es ist auch eine Art Neuanfang, aufgrund des neuen Labels und des neuen Bandmitglieds. Wir fühlen, dass Opeth momentan gefragter denn je ist und sich Vieles für uns verändert. Es ist sehr aufregend.

Warum habt ihr diesmal nicht mit Steven Wilson zusammengearbeitet? Gibt es böses Blut zwischen euch?


Nein, keinesfalls! Wir haben ihn auch diesmal gefragt, ob er unser neues Album produzieren möchte, aber er war einfach zu beschäftigt mit Porcupine Tree. Wir haben unsere Terminpläne verglichen aber kamen leider zu keinem Kompromiss.

War dadurch eure Herangehensweise diesmal vielleicht eine andere, als ihr es gewohnt ward?


Ja, schon. Denn ehrlich gesagt waren die Aufnahmen zu „Deliverance" und „Damnation" eine einzige Katastrophe. Gut war, dass wir uns diesmal auf nur ein Album konzentrieren mussten. Außerdem haben wir in einem Studio aufgenommen, das in einem Pupskaff liegt, wo gähnende Langeweile herrscht und man sich dementsprechend nur mit seiner Musik beschäftigen konnte. Die Rahmenbedingungen waren diesmal einfach besser. Auch wenn alles zusammen länger gedauert hat, als wir es erwartet haben, kann man von einem flüssigen Ablauf sprechen.

Wie würdest du Per Wibergs Rolle in der Band beschreiben. Viele seiner Sounds, die er auf „Ghost Reveries" benutzt, erinnern mich an das „Damnation"-Album. War das Absicht, um möglicherweise eine Brücke zu diesem Werk zu bauen?


Auf dem „Damnation"-Album haben wir beinahe nur Melotron benutzt, was wir alle in der Band lieben. Auch auf dem neuen Album haben wir diesen für die 70er Jahre typischen Sound benutzt. Wir wollten die Musik nicht mit kitschigen Keyboards überfrachten. Aber wir hatten nichts zu befürchten, den Per und wir haben den gleichen Geschmack, was so was angeht. Soundtechnisch bestehen sicherlich Parallelen, aber die Spielweise ist größtenteils eine völlig andere.

Eine andere signifikante Veränderung im Opeth-Kosmos ist der neue Vertrag mit Roadrunner Records. Warum habt ihr gerade dieses Label ausgewählt? Hat sich der Wechsel schon bemerkbar gemacht?


Unser altes Label Music For Nations hat die Pforten dicht gemacht, woraufhin alle ihre Bands zwangsläufig gedropt wurden. Wir standen also ohne Vertrag da. In den darauf folgenden Wochen und Monaten haben wir sehr viele Labelangebote bekommen, wovon wir mehrere in Betracht gezogen haben. Am Ende haben wir uns für Roadrunner entschieden. Nicht weil sie in finanzieller Hinsicht das beste Angebot gemacht haben, eigentlich war es eines der schlechstesten, haha. Nein, im Ernst, die Wahl viel auf Roadrunner, weil wir davon ausgehen, dass dies unser letzter Vertrag mit einem Label sein wird. Und anstatt wieder bei einem kleinen Label zu unterschreiben und ewig auf der Stelle zu treten, wollten wir ein Label, dass uns mindestens ein Level höher pushen kann. Wir sind es leid, von den Fans ständig zu hören, dass sie dort und dort unsere Alben nicht finden können. Wir haben in der Vergangenheit unseren Teil getan, gute Alben aufgenommen und sind möglichst viel getourt, aber viel verkaufen konnten wir noch nie. Roadrunner ist ein Spezialist in Sachen Vermarktung und Vertrieb. Ist doch klar, dass wir wollen, dass unsere Alben sich gut verkaufen und wir eine möglichst große Fanbase haben.  

Ist es also euer bisher kommerziell erfolgreichstes Album?

Ja, es verkauft sich schneller und besser als jedes andere Album zuvor.

Ihr seid in vielen Ländern relativ hoch in die Charts eingestiegen. Interessieren dich solche Zahlen überhaupt?


Klar ist es cool, zu sehen, dass sich das neue Album gut verkauft. Aber im Endeffekt geht es nicht um Zahlen. Die sind natürlich nicht schlecht, wenn du nach Hause kommst und deinen Freunden erzählen kannst, in welchen Charts du wo gelandet bist. Ich weiß auch, dass wir es in die US Billboard Charts auf Platz 64 geschafft haben. Mich juckt das wenig, cool ist es aber schon.

Ihr habt zum ersten Mal ein Video für eine Single gedreht - „The Grand Conjuration". Welche Erfahrungen habt ihr dabei gemacht?


Nun, wir hatten uns das Ganze etwas anders vorgestellt. Ähnlich wie bei Metallica damals haben wir viel zu lange Songs dafür und haben uns auch stets gesagt, dass wir keine Videos drehen würden. Und plötzlich machst du doch eins. Für unser erstes Video wollten wir komplett involviert sein und alles durchdacht haben. Allerdings waren wir gerade auf einer US Tour, wussten vom Videodreh-Ablauf kaum etwas und hatten auch nur einen läppischen Tag Zeit. Wir haben unser Ding durchgezogen und waren dann schon wieder weg vom Set. Eigentlich ist es auch nur eine Möglichkeit für Roadrunner, uns zu vermarkten. Ich habe den vorläufigen Schnitt gesehen, der hat mir gar nicht so gut gefallen. Soweit ich weiß, wurde das Video aber noch einmal überarbeitet und dürfte jetzt ganz cool rüberkommen. Ist halt ein typisches Metalvideo ohne große Botschaft.

Wie erklärst du dir eigentlich eure boomende Popularität in den USA?


Die Sachen mit den USA ist sehr komisch. Wir werden dort stetig beliebter und spielen mit immer größeren Bands in immer größeren Hallen. Und das, obwohl wir dort erst sehr spät Fuß fassen konnten, weil wir bis „Still Life" einfach dort nie touren konnten. Das lag aber auch daran, dass - wie vorhin schon erwähnt - unsere Platten dort einfach nicht vernünftig erschienen sind. Deshalb konnte man uns auch nicht auf Tour schicken und alles entwickelte sich erst relativ spät. Jetzt läuft es aber so richtig gut. Man kann fast schon sagen, wir sind in den USA angesagt, haha.

Würdet ihr also auch auf dem Ozzfest spielen, wenn man es euch anbieten würde?


Wir wissen natürlich, dass die meisten dort auftretenden Bands sehr von diesem Festival profitieren und letztendlich ist es ein Metal-Event, egal wie kommerziell es ausgerichtet ist. Uns wurde vor einiger Zeit auch schon angeboten, beim Ozzfest zu spielen, allerdings hätten wir dafür zahlen müssen. Aber wir würden niemals etwas zahlen, um spielen zu können. Das ist absolut lächerlich, das machen wir nie. Klar gewinnt man viele neue Fans und die Tour ist immer ein voller Erfolg. Aber Sharon Ozzbourne kann sich eher ins Knie ficken, als dass sie mit unserem Geld herumläuft, haha. Wenn man uns noch mal anbietet zu spielen, ohne dass wir zahlen müssen, würden wir es uns sicherlich überlegen.

Welches ist denn eigentlich der beste Markt für euch? Deutschland? Das Konzert heute Abend ist restlos ausverkauft - 400 Zuschauer sind im Underground eigentlich erlaubt, 500 Karten wurden verkauft. Und wie es ausschaut werden auch die restlichen Dates sold out sein.


Ja, das Konzert heute Abend wird wohl großartig werden. Trotzdem läuft es für uns in Deutschland gar nicht mal am besten. Aber Deutschland ist extrem wichtig, nicht nur für uns, denn es ist das größte Metal-Land der Welt. Deshalb müssen wir oft hier spielen und um neue Fans kämpfen. Ausverkaufte Hallen sind ja schon mal ein gutes Zeichen. Die USA sind auch wichtig, weil die Bevölkerung so groß ist. In Kanada und in England sind wir sehr beliebt. Italien und Australien sind auch gute Märkte für uns. Eines der schlechtesten Länder für Opeth ist Schweden, keine Ahnung warum.

Wie kann das sein? In eurem Heimatland müsstet ihr doch besonders beliebt sein.


Es gibt einfach zu viele Bands aus Schweden. Obwohl oder gerade weil wir uns stark vom typischen Schweden-Sound abheben, sind wir nur die Jungs von nebenan.

Was hältst du von eurer Vorband Extol? Ich finde sie passen sehr gut zu euch.


Ja, das denke ich auch. Wir sind auch schon einmal zusammen getourt. Wir mögen die Jungs sehr, sie sind unglaublich talentierte Musiker und spielen ihren ganz eigenen Stil. „Blueprint" ist ein großartiges Album.

Peter, ich danke dir für dieses Gespräch. 

www.opeth.com
www.roadrunnerrecords.de/artists/opeth