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Als RUSH im Frühjahr 2004 nach elf Jahren das erste Mal wieder in Europa auftauchten, ging für viele Fans ein Traum in Erfüllung. Für die Jüngeren war RUSH live nur eine Erinnerung, von der ältere Fans mit leuchtenden Augen erzählten, und auch die älteren Semester hatten wenig Hoffnung gehabt, das kanadische Prog-Trio jemals wieder auf der Bühne zu sehen. Und die Prog-Liebhaber wurden nicht enttäuscht, allerdings zeigte sich an den Besucherzahlen, dass die lange Bühnenabstinenz in Europa auch ihre Folgen hatte. Man hatte sich die Herzen der jüngeren Fans eben nie erspielt, außerdem war RUSH der kommerzielle Durchbruch in Deutschland nie wirklich gelungen. Eine weiter Tour durch Deutschland schien also unwahrscheinlich.
Doch drei Jahre später steht mit „Snakes & Arrows“ ein neues Album in den Regalen, RUSH sind zurück in Europa und auch die deutschen Fans können sich über zwei Termine freuen. Deshalb brechen BurnYourEars Redaktionskollege Alex und ich zur SAP Arena in Mannheim auf, um das Trio in seinem natürlichen Umfeld, der Bühne zu erleben.
Die SAP Arena füllt sich zunächst eher schleppend, doch als fast pünktlich nur wenige Minuten nach 8 Uhr der Intro-Video über den Bildschirm läuft, ist die Halle recht ordentlich gefüllt, ohne in sardinenbüchsenartige Zustände auszuarten. Einem gelungenen Abend steht als nichts im Weg und das Video läuft, in dem RUSH Gitarrist Alex Lifeson nach einem wirren Alptraum von Pfeilen und Schlangen feststellt, dass er sein Bett mit Drummer Neil Peart teilt. Bassist und Sänger Geddy Lee wird dagegen von einem rabiaten Schotten (gespielt von ihm selbst) aufgefordert, endlich seinen Hintern auf die Bühne zu bewegen und die verdammte Show zu beginnen, wenn er nicht wolle, dass der Schotte ihm die Hand in eine bestimmte Körperöffnung schiebe und ihn als Handpuppe in die Halle bringen würde.
Das kann natürlich niemand wollen, und so beginnt die Show dann auch mit dem „Moving Pictures“ Klassiker „Limelight“, und die Fans haben eine erste Gelegenheit, einen Blick auf den Bühnenaufbau zu werfen. Über der Bühne sind drei Leinwände angebracht, die mal die drei Musiker, mal Videoinstallationen zeigen. Über den Bandmitgliedern schweben drei Lichtufos, die im Verlauf der Show immer wieder abgesenkt werden. Lifeson hat seine Marshall-Wand dieses Mal mit Spielzeugdinosauriern dekoriert, sich dafür aber scheinbar von Mr. Potatohead getrennt. Zu schade! Und wo Geddy Lee bei der Vapor Trails Tour noch Waschmaschinen, und auf der R30 Rundreise Snackautomaten statt Verstärkerboxen auf der Bühne stehen hatte, steht dieses Mal eine Hähnchenbraterei, die im ersten Block noch von einer Köchin betreut wird, die die Broiler einpinselt, und im zweiten Teil von einem riesigen Huhn besucht wird. Drummer Neal Peart hat, wie schon auf der letzten Tour, sein Rundum-Schlagzeug dabei, wobei er die getriggerten Drums eigentlich nur während des Solos nutzt.
Damit aber erstmal genug von den Äußerlichkeiten. RUSH starten zunächst mit einigen Klassikern in den Abend, und das ist sicher nicht die schlechteste Idee. Einige Touren anderer Band in der letzten Zeit haben ja gezeigt, dass man sich nicht immer beliebt macht, wenn man den Fans gleich zu Anfang die neuesten Nummern um die Ohren haut. Nach „Freewill“ ist es dann aber so weit und RUSH spielen mit dem Instrumentalstück „The Main Monkey Business“ den ersten Song vom aktuellen Album. „The Larger Bowl“ wird mit einem Video der kanadischen Komiker The McKenzie Brothers eingeleitet, bevor sich die Band zunächst wieder älterem Material widmet. Nach „Dreamline“ vom „Roll The Bones Album“ bittet Geddy Lee um Verständnis, dass die Bandmitglieder jetzt eine Pause bräuchten, weil die ja „so schrecklich alt“ wären.
Die Pause sei ihnen gegönnt, und nach rund 75 Minuten Konzert ist die Unterbrechung auch eine willkommene Gelegenheit, für Getränkenachschub zu sorgen. Und so sind wir knapp 30 Minuten später wieder gestärkt an unseren Plätzen, als die zweite Hälfte des Konzerts beginnt.
Mit einem Video, das sich eher humoristisch mit dem buddhistischen „Leela, dem Spiel der Selbsterkenntnis“ bzw. dem davon abgeleiteten Kinderspiel „Snakes And Leddars“ auseinander setzt, das Texter Neil Peart die Idee zu Albumtitel und Albumcover der aktuellen Outputs lieferte.
Mit „Far Cry“, der Single des Albums, beginnt dann auch ein längerer Block mit insgesamt fünf aktuellen Titeln. So sehr ich das aktuelle Album auch mag, aber mir wären einige neue Songs weniger auch recht gewesen. Vor allem „Sword And Amor“ und „Spindrift“, die mich schon aus der Konserve nicht so überzeugt haben, wie der Rest des neuen Materials, wären meiner Meinung nach auch verzichtbar gewesen und hätten durch einen der vielen nicht gespielten Klassiker ersetzt werden können.
Danach geht es aber mit Stücken wie „Subdivisons“ und „Natural Science“ aus der ruhmvollen Vergangenheit weiter, und spätestens beim von vielen alten Fans sehnlichst erwarteten „Witch Hunt“ ist die Prog-Welt wieder vollkommen in Ordnung. Das zweite Instrumentalstück „Malignant Narcissism“ geht in das Drum-Solo über, auf das sicher viele in der Halle gewartet haben. Peart zeigt mit einem „normalen Solo“ (so weit man bei einem Ausnahmedrummer davon sprechen kann), einen Part mit getriggerten Drums und einer Jazz/Big Band Variation, dass er seinen Ruf sicher nicht zu Unrecht hat. Danach darf Lifeson beim reinen Gitarrenstück „Hope“ vom neuen Album sein Können zeigen.
Damit ist der Endspurt eigentlich schon eingeläutet. Nach „Distand Early Warning“ und einem meiner Lieblinge „Spriti Of Radio“ eröffnet ein South Park Video die letzte Nummer des regulären Sets „Tom Sawyer“. Doch all zu lange lassen sich RUSH nicht bitten und legen mit „One Little Victory“, „A Passage To Bangkok“ und dem Instrumentalstück „XYZ“ noch einmal nach, bevor das Trio endgültig die Bühne verlässt und die Lichter der Halle wieder angehen.
RUSH sind auch 2007 ohne Frage auf der Bühne noch eine Macht, und so haben sich sowohl die Anfahrt als auch das mit gut 50€ nicht unbedingt günstige Ticket gelohnt, vor allem weil niemand sagen kann, ob es noch eine weitere Tour in Europa geben wird. Was die Preispolitik angeht, muss man auch die Merchandise-Preise teilweise kritisieren. Die reichten von recht fanfreundlichen 10€ für einen Anhänger am Lederband und nachvollziehbaren 15€ für Bücher von Neil Peart bis zu happigen 30€ für ein Tourshirt und astronomischen 70€ für ein Baseballshirt.
Das Konzert an sich war ein Erlebnis, auch wenn es das eine oder andere kleine „aber“ gibt. Mit neun Stücken war das aktuelle Album sehr stark vertreten und ich persönlich hätte teilweise lieber den einen oder anderen alten Song gehört. Die Lichtshow war überragend, während die Videos teilweise etwas durchwachsen war. Während einige Videos sehr gut waren, hätten andere auch aus der Visualisierung eines beliebigen Mediaplayers kommen können. Leider wurden im Vergleich zur letzten Tour auch einige Songs wie „Roll The Bones“ oder „Trees“ gestrichen, zu denen es sehr aufwändige und beeindruckende Videos gibt.
Aber auch wenn die Setlist 2007 um eine Songs und rund 30 Minuten kürzer war als auf der R30 Tour, war dieser Abend, und da lege ich mich jetzt schon fest, mein Konzert des Jahres. Und alle Prog-Fans, die auf dieser Tour nicht dabei waren, sollten sich jetzt schon in Dehnübungen versuchen, um sich danach kräftig in den Arsch zu beißen.
Setlist Rush:
Limelight
Digital Man
Entre Nous
Mission
Freewill
The Main Monkey Business
The Larger Bowl
Secret Touch
Circumstances
Between The Wheels
Dreamline
Far Cry
Workin’ Them Angels
Armor And Sword
Spindrift
The Way The Wind Blows
Subdivisions
Natural Science
Witch Hunt
Malignant Narcissism
Drum Solo
Hope
Distant Early Warning
The Spirit of Radio
Tom Sawyer
One Little Victory
A Passage to Bangkok
YYZ