Enforcer - Zenith

Enforcer - Zenith
    Irgendwas zwischen (Power) Metal und sleazigem Achtziger-Stadionrock

    Label: Nuclear Blast
    VÖ: 26.04.2019
    Bewertung:3/10

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Junge, was ist denn mit ENFORCER passiert? Zwar ist der direkte Vorgänger "From Beyond" an mir vorbei gegangen, dafür habe ich zwei Jahre zuvor "Death By Fire" groß gefeiert. Von dem energetischen, in der NWOBHM verwurzelten Speed Metal ist auf dem neuen Longplayer "Zenith" allerdings kaum noch was zu hören.

Gleich im Midtempo-Opener "Die For The Devil" mit seinen rockigen Riffs und eingängigem "Oh-oh"-Chorus fragt man sich, ob das schwedische Quartett während des Songwriting-Prozesses zuviel Sleaze Metal und Hardrock der Achtziger gehört hat. Im stampfenden, erst im letzten Drittel Fahrt aufnehmenden Quasi-Titeltrack "Zenith Of The Black Sun" klingt's dann plötzlich nach HAMMERFALL und SABATON inklusive furchtbarem Keyboardsolo – aber definitiv nicht mehr nach ENFORDER. Was ist hier los?!

What the fuck, ENFORCER?!

Den Vogel schießt "Regrets" ab: Schon als die Nummer mit kitschigem Piano beginnt, schwant dem Hörer nichts Gutes. Prima Beginn für eine GUNS N' ROSES-Ballade, aber bei ENFORCER? Und tatsächlich: Innerhalb von sechs Minuten handelt das Quartett alles ab, was einem bei dem Wort "Ballade" in den Kopf kommt – poppiger Chorus und stadiontaugliche "Oh-oh-oh"-Gesänge vor imaginär geschwenkten Feuerzeugen und Handy-Displays inklusive.

Und was bitte passiert in "Sail On"? Klingt wie auf Disco gemachter Siebziger-Rock. Der Mund bleibt offen, denn auch in "One Thousand Years Of Darkness" überraschen ENFORCER mit einem wohlwollend als "abgefahren" zu bezeichnenden Stilmix: Der Einstieg klingt, als hätte STING seine Finger im Spiel gehabt, danach kam erneut Besuch von SABATON, während für die hymnenhaften "Oh-oh-ohs" BLINK 182 vor dem Mikro standen und das Gitarrensolo MANOWAR in Reinkultur ist. Das cheesige, symphonisch-marschierende "Forever We Worship The Dark" mit seinem unglaublichen Kontrast aus guter Laune und diabolischem Text gibt mir den Rest. Leute, ich kann nicht mehr!

Ein kurzes Aufblitzen der glorreichen Vergangenheit

Irgendwie und irgendwo in dieser wilden Mischung aus Stadionrock, Sleaze Metal, teutonischem Gestampfe und Keyboard-Pomp lassen ENFORCER ab und zu dann tatsächlich doch noch ihre Wurzeln erkennen.

An frühere Zeiten erinnern zumindest teilweise "Searching For You", die Midtempo-Nummer "The End Of A Universe" mit MAIDEN-Gedächtnisgitarren (endlich!) und das pfeilschnelle "Thunder And Hell", das wie ein Überbleibsel aus den Sessions zu einem der Vorgänger wirkt. Auf "Death By Fire" wäre es höchstens Durchschnittskost, auf "Zenith" mutiert es zum traurigen Highlight.

Auch "Ode To The Death" geht mit viel gutem Willen noch als überdurchschnittliche, halbwegs packende Nummer durch, krankt aber an einem überladenen Sound. Selbst die hörenswerten Momente auf diesem Album leiden entweder an schwachen Refrains, künstlichen Effekten oder fehlender Dramatik. Eingängig waren ENFORCER zwar schon immer. Doch selbst ein simpler Mitsing-Chorus wie in "Take Me Out Of This Nightmare" (von "Death By Fire") spielt sämtliche Refrains auf "Zenith" locker an die Wand.

Dabei war es doch so schön mit euch!

An und für sich ist das Material gar nicht mal sooo schlecht und – das muss man den Schweden lassen – wirklich abwechslungsreich. Wer auf SABATON, BEAST IN BLACK und Konsorten steht, wird seine helle Freude an dem fünften Album der Schweden haben. Alle, die die Band bis "From Beyond" schätzten, sollten sich die Kohle für diese Dreiviertelstunde an sleazy-cheesy Achtziger-Metal mit Stadionrock-Feeling sparen, stattdessen "Death By Fire" oder "Diamonds" auflegen und trauern.

Auf "Zenith" ist nix mehr mit Düsternis, Dramatik, jugendlicher Energie, Frische und urwüchsigem, temporeichen Metal. Nix mehr mit galoppierenden Riffs, MAIDEN-Leads und packenden Refrains. Das hat kaum noch was mit dem bekannten Sound der Band zu tun. Immerhin können sich andere Bands etwas bei ENFORCER abgucken – nämlich, wie man eine Stilkorrektur mal so richtig in den Sand setzt.

"Zenith" Trackliste:

Die For The Devil
Zenith Of The Black Sun
Searching For You
Regrets
The End Of A Universe
Sail On
One Thousand Years Of Darkness
Thunder And Hell
Forever We Worship The Dark
Ode To Death

ENFORCER Line-up:

Olof Wikstrand | vocals, guitars
Jonas Wikstrand | drums, piano & keyboards
Tobias Lindqvist | bass
Jonathan Nordwall | guitars