Geschrieben von Samstag, 14 April 2012 18:55

Accept - Interview zum Album 'Stalingrad' mit Bassist Peter Baltes

ACCEPT-2012-Band

Im Rahmen der Deutschlandtour zu ihrem neuen Album „Stalingrad" trafen wir Peter Baltes, Bassist von ACCEPT, in der BigBox in Kempten. Wir sprachen über die aktuelle Tour, Titel und Themen der neuen Scheibe, Veränderungen in der Metalszene und die Arbeiten im Studio. Viel Spaß beim Lesen!


Zunächst einmal: Wie lief denn die Tour bisher?

Super, also wir sind so happy. Everything – manchmal spreche ich ein bisschen Englisch, sorry – alles ist super, wirklich, die Fans sind heiß...W ir wussten ja nicht, wie das neue Album ankommt, und jetzt ist es überall in den Charts und Amazon. Alles super so far.

Supporten Euch HELL auf Tour, weil Andy Sneap euer Produzent ist?

Ja, er hat uns gefragt, ob er mitkommen kann als Toursupport. Und wir haben so ein gutes Album gemacht, da haben wir gesagt, warum nicht? Und passt ja auch irgendwie.

Die Produktionen von ihm (u.a. ARCH ENEMY, MACHINE HEAD, MEGADETH) sind ja auch toll ...

Er ist in der Lage, uns den neueren Sound zu geben, und wir sind in der Lage, durch ihn ein bisschen zurückzugehen, noch mal an die 80er Jahre anzuknüpfen, also noch mal in so einer Zeitmaschine zurückzufahren und diese Riffs zu finden. Weil er so ein Fan ist, sagt er uns immer: „Nee, so nicht, macht mal so", und sobald wir was haben, was ihm gefällt, sagt er auch: „Okay, 80er Jahre, alles klar, so machen wir das". Darauf haben wir uns jetzt so ein bisschen mit ihm eingeschossen und das klappt wunderbar.

Ihr seid mit ACCEPT ja nun schon lange im Geschäft, habt oft getourt und viel erlebt in eurer Karriere. Was würdest du sagen, war für dich ein herausragendes Tourerlebnis?

Ich glaube, letztes Jahr mit AC/DC war ganz cool, wir haben ein paar Open Air Festivals gemacht. Türkei war super – Istanbul, ein Stadion voll mit 45.000! Es gibt so viel, jede Show hat irgendwas... Ich kann mich an Geiselwind erinnern, Geiselwind war super, weil es ausverkauft war, deutsch und die Fans absolut heiß waren. Als wir zurückkamen mit Mark [Anm.d.Red.: Mark Tornillo, Sänger seit der Reunion 2009] wusste ja kein Mensch, wie die Reaktionen sein würden. Manchmal geht es ja auch anders und die Leute sagen: „Der neue Sänger ist scheiße!", und das wussten wir ja nicht. Aber schon in New York sind die Leute ausgerastet. Aber es gab sehr viele Shows, die man erwähnen müsste... die erste Show in Russland war sensationell. Außerdem haben wir in Bolivien und Südamerika gespielt.

Dann will ich gleich mal an AC/DC anknüpfen. Mit „I'm A Rebel" habt ihr einen nicht veröffentlichten Song von ihnen übernommen. Gab es damals eine Reaktion von AC/DC?

Nee, die Geschichte ist eigentlich so: Die sind vier Brüder, einer ist der Manager, zwei spielen bei AC/DC und da ist noch ein anderer, der hat den Song geschrieben. Er wollte, dass die Jungs den Song spielen. Die waren gerade in Hamburg und haben den aufgenommen, wollten ihn aber selber nicht spielen. Unser Verleger war ein guter Freund von ihnen und hat den Song zu uns ins Studio mitgebracht. Wir haben ihn dann rausgeschmissen, weil wir keine Songs von anderen spielen wollten, wir waren ja noch ganz jung. Alle, die Plattenfirma, haben uns gedrängt, den Song zu machen. Damals ist der eingeschlagen wie eine Bombe... aber heute... ist ja wurscht (lacht). Ich hab' ihn aber gehört letztes Jahr. Unser Verleger kam mit seinem iPod und der Original AC/DC-Version, ist also schon interessant.

Kommen wir zu eurem neuen Album „Stalingrad". Was hat es mit dem Albumtitel auf sich und was hat euch dazu bewogen, diese Thematik anzugehen?

Wir waren im Tourbus, Wolf [Wolf Hoffmann, Gitarrist], ich und Gaby [Gaby Hoffmann, Wolfs Ehefrau und Managerin von ACCEPT] haben darüber geredet. Ich hatte da etwas gelesen und dann fiel uns ein, dass Stalingrad den 2. Weltkrieg quasi beendet hat. Wir haben dann ein bisschen recherchiert und es ging erstmal nur um das Wort, weil es so „metal" klingt. Wir haben dann weiter recherchiert und uns wurde bewusst, wie viele dort eigentlich gestorben sind. Und dann haben wir uns gedacht: Wie ist das wohl, wenn da zwei Soldaten – es ging da nicht um Seiten, Gewinner oder Verlierer – in der Schlacht voreinander stehen? Uns ging es darum, wie grausam diese Schlacht war, wie die Russen rein mussten und nicht zurück konnten. Stalin hat die ganzen Zivilisten drin gelassen, obwohl sie alle hätten raus gehen können. Er hat sie alle drin gelassen, als Ansporn zum Kampf für seine Soldaten.

Wir haben uns gedacht, dass das ja alles so ein Wahnsinn ist. Wie wäre das wohl, wenn da ein deutscher Soldat liegt und stirbt und alles hängt ihm raus, und ein Russe neben ihm? Sie ziehen sich aneinander, umarmen sich und gucken sich in die Augen, die können ja nicht miteinander reden. Der letzte Atemzug und alles für nothing. Die sind wie Marionetten und sterben hier. Da ist keine Glory und keine Honour, das ist für gar nichts. Da wird sich nie mehr ein Mensch daran erinnern. Daran sieht man, wie sinnlos das alles ist. Da kam das her – „Stalingrad – Brother in Arms". Die, die im Endeffekt sterben, und keiner erinnert sich daran, keiner denkt mehr daran – das macht überhaupt keinen Sinn. Im Norden waren die, die alles anzetteln, die Kriege anfangen. Irgendwie kommen die durchs Leben. Das ist eine ganz komische Sache. Das ist auch heutzutage noch so. Die Waffen werden verschoben, es ist ein Riesengeschäft und sie fangen Kriege an, nur damit sie Waffen verkaufen können.

Deshalb kam „Stalingrad". Über Dresden haben wir auch geschrieben. „Hellfire" handelt von der Stadt voller Flüchtlinge, die später vernichtet wurde. 
Dass die Menschheit nicht daraus lernt... In ein paar Stücken haben wir diese Thematik verwendet. Beispielsweise in „Shadow Soldiers", da geht es um diese Friedhöfe mit 50.000 weißen Kreuzen, auf denen kein Name steht. Du bist im Endeffekt nur so ein Kreuz, nur so eine Nummer. Alles wird vergessen. Im Prinzip ist das absoluter Wahnsinn und keiner redet mehr darüber. Wir haben uns gedacht, dann machen wir das eben.

Das ist für uns ein bisschen gefährlich, aber die Leute finden das super. Wir reden lieber über Relevantes, wo auch was herauskommt. Zum Beispiel: Jedes Ende bedeutet einen neuen Anfang. In diesem Fall auch für Russland und die russisch-deutschen Beziehungen. Immer wenn ein Ende da ist, kommt ein neuer Anfang. So brutal wie das Ende ist, irgendwas Gutes kommt dabei immer raus. Das ist ja auch in dem Fall passiert. Das ist vielleicht auch eine kleine Message für jeden: Was auch immer im Leben passiert, egal wie schlimm es ist, irgendwie geht es immer weiter.

Ist es vor diesem Hintergrund auch besonders für euch, auf dieser Tour in Russland zu spielen?

Klar, wir haben die russische Hymne da rein gepackt, einfach weil Wolf schon immer auf klassische Musik steht. Das passt natürlich wie die Faust aufs Auge. Die Russen warten schon darauf, dass wir kommen, das wird riesig.

„Stalingrad" ist jetzt euer 13. Studioalbum und gerade mit dem Vorgängerwerk „Blood of the Nations" ist euch ein starkes Comeback gelungen. Wie würdest du die musikalischen Veränderungen auf der neuen Scheibe beschreiben?

Ich glaube, wir sind härter geworden. Der Sound ist auf jeden Fall härter geworden, wie auch die Stücke selbst. „Teutonic Terror" – wir haben den Weg, epic anthems zu schreiben, wieder gefunden. Wir hatten ihn damals nach „Metal Heart" so ein bisschen verloren. „Metal Heart" war eine Hymne, ebenso „Balls" („Balls to the Wall") und ,,Fast as a Shark". Auf den anderen Alben waren die nicht mehr dabei, was jetzt wieder der Fall ist. „Teutonic Terror", „Stalingrad", wo die Leute sofort schreiben: „Das ist epic!".

So etwas macht auch keiner mehr, keine andere Metal Band. Überhaupt die Idee, dass man Riffs schreiben muss, die den Song tragen. Heutzutage ist alles herunter gestimmt und schnell mit einer schnellen rechten Hand. Ist ja auch eine neue Generation, das verstehe ich ja auch alles, weil jede Generation ihren eigenen Stil hat. Ich sehe so einen Trend, dass viele – auch meine Kids, die sind 20 und 22 – zurückgehen zu dem alten Metal, wie DIO oder RAINBOW. Allein diese Riffs oder so ein Gesang wie bei Ronnie James Dio, so was kriegst du heutzutage ja gar nicht mehr.

Demnach verfolgst Du die Entwicklungen in der Metalszene?

Ja klar, ich meine man guckt und hört mal, aber vieles gefällt mir nicht, vieles ist gleich. Wenn ich mal was Neues höre, dann hört man sofort hin: „Ah nicht schlecht", aber es ist ja auch schon alles gemacht worden. Es wird immer schwieriger, originell und dann auch noch gut zu sein. Da musst du wirklich proben ohne Ende. Viele versuchen das dann durch Dinge, wie sich zu schminken oder irgendwelche Stagesets... Bei RAMMSTEIN hat das geklappt. Aber es gibt viele andere Bands, die das gleiche versuchen. Aber der Weg ist wirklich, deinen eigenen Stil zu finden. Du musst ihn finden, wenn du ihn nicht findest, bist du einer von vielen. Da ist die Chance so gering.

Wäre das auch dein Rat an junge Bands, sich auf die Entwicklung eines eigenen Stils zu konzentrieren?

Ach, ich weiß nicht, es gibt kaum welche. Wenn ich mir das so überlege... da war mal so eine junge Band... I don't know... Ich versuche mir immer, das zu merken, aber ich hab' es schon wieder vergessen. Irgendeine Band aus Chicago, die hat mir mein Sohn gezeigt, irgendwas mit „Wolf" ...das ist auf jeden Fall so eine Band. Die sind noch ganz jung und machen 80's Metal. Die mischen das ein bisschen mit Thrash und das hat mir gefallen. Ich muss noch mal herausfinden, wie die heißen.

Ihr wart jetzt wieder eine ganze Zeit im Studio. Wie würdest du einen typischen Studiotag bei ACCEPT beschreiben?

Ein typischer Tag: Wir stehen früh auf, gutes Frühstück und dann fangen wir eigentlich schon an. Wir sind morgens am kreativsten. Früher, als wir jung waren, haben wir morgens geschlafen, weil man abends zuviel gesoffen hat (lacht). Wir trinken ja alle nicht mehr, sind nur am Workout, nehmen keine Drogen, essen nur Müsli und wir sind jetzt über 50. Wir wollen nicht auf der Bühne stehen und alt und schwabbelig sein. So ist das im Studio auch. Wir versuchen nicht so spät in die Nacht zu arbeiten, wir hören um 21 Uhr auf. Wir gucken dann noch einen Film, um uns ein bisschen davon distanzieren zu können und fangen am nächsten Tag wieder an.

Seid ihr dann alle zusammen als „Band" im Studio oder jeder einzeln?

Nee, weil der Hermann [Herrmann Frank, Gitarrist] ja in Hannover lebt und dort seine eigene Produktion hat. Der Stefan [Stefan Schwarzmann, Drummer], Marc und ich waren da, Wolf und Sneap. Heutzutage kann man ja Dinge hin und her schicken. Wir haben viel Zeit damit verbracht, tief in die Stücke hineinzugehen. Wenn etwas nicht gut genug war, gesagt: „Nee, das versuchen wir noch mal", um was anderes zu finden. Während der Schlagzeugaufnahmen sind Wolf und ich in einem anderen Raum gesessen und haben darüber nachgedacht, was den Songs noch fehlt, was wir da noch besser machen könnten. Gut genug war gar nichts.

Wie sieht die Planung nach der Tour für euch aus?

Die Tour geht bis Ende April, dann machen wir frei bis September. Dann geht's nach Kanada, USA, Südamerika, bevor wir zurück nach Europa kommen. Das Jahr 2013 werden wir wahrscheinlich ausschließlich mit Festivals verbringen. Dieses Jahr spielen wir gar keine Festivals, da haben wir alles abgelehnt. Wir wollen auch nicht so oft spielen, gerade auf den Festivals, wo man jedes Jahr spielt. Das wird sonst langweilig. Das Album hat jetzt Zeit, sich von Mai bis September zu etablieren und dann kommen wir noch mal zurück.

Auf längere Sicht, was wäre noch ein Meilenstein oder etwas, was ihr noch erreichen wollt?

Weiß ich nicht... ich glaube, darum geht es gar nicht mehr. Wir haben schon so viel gemacht, haben schon überall gespielt, wo man spielen kann. Ich glaube das Coole für uns wäre, einfach noch zehn, 15 Jahre weiterzumachen, ohne dass einer abkippt... you know? Einfach noch ein paar Alben machen, die miteinander mithalten können. Um am Ende unserer Tage zu sagen: „Das sind 20, 25 Alben, die sind sensationell geworden". Darum geht's. Wenn einmal die Luft oder die Puste raus ist, muss man auch gehen. Es gibt ja viele Bands, die dann daran festhalten, obwohl sie nicht mehr klarkommen.

Wir sind so froh, es gibt viele Leute, die sagen, dass es toll ist, dass wir wieder da sind. Gerade als „Combeback-Band", wenn da die Alben nicht richtig gut sind. Und wenn wir uns nur auf den alten Lorbeeren ausruhen würden, dann würden wir uns auch wie eine alte Band fühlen und das wollen wir nicht. Wir wollen mithalten können und zeigen, dass wir da sind, deshalb spielen wir auch über zwei Stunden. Unsere Show ist voller Energie und wir sind total erschöpft danach. Aber das ist es auch wert, die Leute zahlen viel Geld für ihre Tickets und die wollen auch was sehen. Wir wollen auch zeigen, wie Heavy Metal in den 80iger Jahren gespielt wurde. Solange wir das können, machen wir das.

Vielen Dank für das Interview, jetzt freue ich mich im Anschluss auf eine tolle Show!

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