Geschrieben von Donnerstag, 28 September 2017 10:34

Edguy im Interview: "So lange weitermachen, wie es geht"

25 Jahre EDGUY – wer hätte gedacht, dass die noch zu Schulzeiten gegründete Power-Metal-Formation so lange im Geschäft sein würde? Die Band selbst wohl am allerwenigsten, und es ist noch kein Ende in Sicht. Getragen von einem enthusiastischen Publikum touren EDGUY in diesem Moment durch die ausverkauften Hallen der Tournee und wir haben die Gelegenheit genutzt, um uns in Stuttgart ein bisschen mit Drummer Felix Bohnke zu unterhalten. Ein Gespräch über 25 Jahre EDGUY, die schlimmsten Ausrutscher, die Tour sowie die Zukunft des Musikgeschäfts. 

25 Jahre EDGUY – könnt ihr euch überhaupt noch sehen?

Zum größten Teil, ja. (lacht)

Ihr habt in den letzten 25 Jahren jede Menge erlebt. Was war dein persönliches Highlight in dieser Zeit mit EDGUY?

Definitiv die erste Welttournee, und da war auf jeden Fall Japan ein Highlight oder überhaupt, in Asien mal zu spielen. Auch in Australien. Und dann natürlich, dass man auch immer wieder regelmäßig an diese Orte zurückkommt.

Du bist erst 1998 zur Band gestoßen. Hast du damals gedacht, dass ihr jemals die 20-Jahre-Marke überschreiten würdet?

Nein, so weit hat damals noch keiner gedacht. Ehrlich gesagt kannte ich vorher die Band auch gar nicht. Ich habe ja auch in einer ganz anderen Stadt gewohnt. Und das war eigentlich eher Zufall, dass ich da reingerutscht bin. Ist natürlich auch erstaunlich, dass das Line-Up über die Jahre so beständig ist. Es gibt ja auch andere Bands, bei denen es öfter mal Wechsel gab. Ich war bei uns eigentlich der Einzige, zusammen mit Tobias Exxel, der 1992 dazukam.

Was ist denn die nervigste Frage, die man von Interviewern bekommt, auf die du nach 25 Jahren echt keinen Bock mehr hast?

Gab es ehrlich gesagt bei mir noch nicht. Da müsste man Tobi (Sammet; Anm. d. Red.) fragen, der hat deutlich mehr Interviews gegeben. Es ist manchmal eher einfach anstrengend – keine Ahnung. Ich glaube, das war irgendwo in Südamerika, da sprach der Interviewer so gut wie gar kein Englisch. Und dann fragt man sich schon: „Warum lassen die so jemanden das Interview machen?“ Von uns spricht keiner Spanisch, er konnte kein Englisch und das war dann irgendwie nix. Der hatte sich auch nicht mal groß vorbereitet. Der kannte die Band nicht und wusste gar nicht, was er fragen sollte, was dann echt ein bisschen unnötig ist.

Bist du als Drummer eigentlich irgendwann einmal bei einem Konzert so richtig aus dem Takt gekommen?

Ja, dass man sich mal verhaut und verspielt – das ist klar. Das passiert aber eigentlich gerade den anderen täglich. (lacht)

Aber du bist noch nie so raus gekommen, dass ihr wirklich einmal einen Song abbrechen musstest?

Ne, mir ist das zum Glück noch nicht passiert. Ich stand nur mal bei einem Konzert so richtig auf dem Schlauch. Da ist mir einfach der Song nicht mehr eingefallen, der als Nächstes kommen sollte. Wir haben den Song die ganze Tour gespielt, aber irgendwie nach der zweiten oder dritten Woche – ich saß da auf der Bühne und habe krampfhaft überlegt: „Scheiße, geht das mit dem Keyboard los, muss ich einzählen?“. Ja, und dann musste ich erstmal Jens zu mir rufen und hab ihm gesagt, dass er mir mal das Anfangsriff vorspielen soll. Und er dachte erstmal, dass ich ihn verarsche. Aber dann hab ich zu ihm gesagt: „Ne, ich habe keine Ahnung mehr, wie das geht!“ Das ging dann gerade noch.

Aber bei einer Show, das war glaube ich auf'm Wacken, da hat Eggi (Tobias Exxel, Bassist; Anm. d. Red.) es geschafft, ein komplett anderes Lied zu spielen, als der Rest der Band. Und das ist ihm nicht aufgefallen. Uns ist es ehrlich gesagt erstmal auch nicht wirklich aufgefallen. Zum Glück hat es der Soundmann bemerkt, der hat ihn vermutlich gleich zu Beginn ganz leise gedreht. Und als das Lied dann zu Ende war, ging der Song, den Eggi gespielt hatte, offensichtlich noch weiter, weil er hat dann noch weitergespielt.

Felix Bohnke

Mit „Monuments“ habt ihr euer erstes richtiges Best-Of-Album auf den Markt gebracht. Wie schwer war es aus eurem großen Backkatalog mal auszusuchen, welche Songs auf die Platte kommen?

Das hat natürlich eine Weile gedauert, da ja auch jeder seinen eigenen Favoriten hat. Letzten Endes hat dann jeder Songs ausgesucht und dann haben wir das alles in einen Topf geschmissen. Letztlich hat Tobi nochmal drüber geschaut und das abgesegnet. Gut, ein paar mussten wir auch wieder rausschmeißen.

Ihr habt ja auch fünf neue Songs auf die Platte gepackt. Waren das Songs, die ihr in dem Prozess neu geschrieben habt oder hattet ihr die schon länger in der Schublade?

Einige wurden extra dafür geschrieben und andere hatten Dirk oder Jens schon als Demoversion vorbereitet. Ja gut, ob wir die für die Platte nehmen oder für die nächste, das hätte eigentlich keinen großen Unterschied gemacht. Wir hatten auch keinen großen Zeitdruck, da hat das alles ganz gut gepasst.

Hat man die Chance, die Songs auch mal live zu erleben? Ihr spielt ja jetzt das Best-Of-Set.

Vielleicht auf der nächsten Tour ... (lacht)

Apropos Tour: Ihr musstet die umfangreiche Tracklist der „Monuments“-Scheibe nun nochmal auf eine Setlist reduziere. Gab es dabei Härtefälle?

Schwierig zu sagen. Wir haben 25 Songs für die Tour vorbereitet und dann hat Tobi entschieden, was er vom Gesang her auf einer dreiwöchigen Tour ohne Probleme durchhalten kann. Neulich hat er vorgeschlagen, ganz alte Sachen wie „All The Clowns“ nochmal mit reinzunehmen. Dann ist nur die Schwierigkeit, was wir wieder aus dem Set rausschmeißen. Da tut man sich als Band auch schwer, weil man nicht einschätzen kann, was die Leute denn jetzt eigentlich genau hören wollen und was nicht.

Obwohl wir für das Set, wie wir es jetzt zusammengestellt haben, bis jetzt eigentlich nur gute Reaktionen bekommen haben. Das funktioniert irgendwie, da scheinen alle irgendwie Spaß daran zu haben – wir inklusive, und so lassen wir es. Er hat spontan in den letzten Tagen noch einen älteren Song von der „Vain Glory“ mit dazugenommen – ich weiß aber nicht, wie er dazu kam. Wir sind auf jeden Fall darauf vorbereitet, wenn aus irgendeinem Grund irgendein Song gespielt werden soll, der nicht auf der Setlist steht – das würde im Zweifelsfall auch funktionieren.

Ihr habt Songs, die ihr in all den Jahren ständig performt habt. „Lavatory Love Machine“ zum Beispiel. Wird das als Musiker nicht irgendwann langweilig oder brennt das Feuer weiter?

Ja, die Frage haben wir uns aber auch mal gestellt, als wir mit Bands wie AEROSMITH getourt sind, aber ihnen geht es ganz genauso. Keiner sieht es so, dass man die Songs spielen muss, weil irgendjemand anderes das möchte, sondern wir selbst wollen das ja auch. Das macht jeden Abend wieder Spaß. Und gerade wegen der Livekonzerte machen wir das eben auch. Mir persönlich macht das viel mehr Spaß, als die Studioarbeit zum Beispiel.

Was müsste denn passieren, damit ihr „Holy Water“ einmal live spielt?

Keine Ahnung. Irgendwann haben wir das mal gespielt, aber das ist lange her.

Du sitzt jetzt hier mit zwei Leuten, die noch nicht mal auf der Welt waren, als EDGUY sich gegründet haben. Wie ist das denn so, wenn man merkt, dass man auch Generationen erreicht, die den Aufstieg der Band gar nicht miterlebt haben – wie fühlt man sich da?

Alt. (lacht) Nein, das ist natürlich super! Ich meine, gerade deswegen ist es ja schön, dass es junge Leute gibt, die diese Art von Musik für sich entdecken, das toll finden und dass man damit generationsübergreifend Menschen erreichen kann. Dass es jetzt kein Phänomen ist, wie irgendeine Band, die kurz mal ein, zwei Jahre mal irgendwie „in“ ist und dann wieder verschwindet. Mit lauter Kindern als Fans. Das ist jetzt nicht abwertend gemeint ... (lacht) Ich meine so etwas wie TOKIO HOTEL. Klar, die waren super erfolgreich.

Und jetzt sind sie bei DSDS.

Stimmt. (lacht) Ne, also das freut uns natürlich. Wir würden natürlich gerne weitermachen, bis wir umfallen. Wenn man sich so die letzten sehr großen Bands anschaut, das sind AC/DC, METALLICA und so weiter, dann machen die auch einfach so lange weiter, bis es einfach nicht mehr geht – und das wäre natürlich unser Ziel. Schauen wir mal, ob das hinhaut.

Fühlst du dich eigentlich als Rockstar?

Nö. Also eigentlich nicht.

Denkst du, dass es durch die Digitalisierung schwieriger geworden ist, als junge Band von der Musik zu leben?

Ich glaube eher, dass es für uns Ältere schwieriger geworden ist, sich überhaupt auf diese ganzen neuen Dinge einzustellen, und ich habe auch immer wieder den Eindruck, dass es gerade den Deutschen echt schwerfällt. Alles hat sich unglaublich gewandelt, wenn man sich die ganzen Streaming-Dienste anguckt. Jetzt mal abgesehen von den ganzen Raubkopien, von denen alle betroffen sind: Musik, Filme, Bücher – letzten Endes alles. Ich glaube, die Musikindustrie tut sich da insgesamt noch ziemlich schwer, endlich mal Wege zu finden, wie man auch mit solchen Diensten die Künstler fair bezahlen könnte, wie es mit der CD der Fall war. Also das funktioniert noch überhaupt nicht.

Aber auf der anderen Seite muss man sich darauf einstellen und ich bin mir ziemlich sicher, dass irgendwann irgendjemand eine geniale Idee haben wird, wie man das in Zukunft handhaben kann, ansonsten wird das echt relativ schwierig. Man merkt ja jetzt schon, dass viele Plattenfirmen auch gar nicht mehr das Geld zur Unterstützung neuer Bands haben, weil kaum noch Platten verkauft werden.

Und bei uns ist es ja auch schon lange so, dass die Tourneen, also Livekonzerte und Merchandise-Verkäufe viel wichtiger sind und der Band mehr Einnahmen bringen, als die reinen CD-Verkäufe. Bei den ganz großen Bands ist das ebenso rückläufig geworden. Wenn man sich zum Beispiel Schweden anschaut, da werden ja gar keine CDs mehr verkauft. Und da muss man bei solchen Diensten wie Spotify dabei sein, sonst kann man da gar nicht touren, weil die Leute gar nicht mitkriegen, dass es die Band überhaupt noch gibt. Also das ist schwierig geworden.

Aber auf der anderen Seite, wenn man sich YouTube oder Facebook anschaut, was es da wieder für neue Bands oder auch einzelne Künstler gibt, die wahrscheinlich nur durch diese Plattform überhaupt auch ein breites Publikum gefunden haben, hat das natürlich auch seine Vorteile. Und das nutzen wir noch nicht optimal. (lacht)

Wie sieht die Zukunft von EDGUY aus?

Einen konkreten Schlachtplan, selbst für das kommende Jahr, haben wir noch nicht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es jetzt in absehbarer Zeit erstmal mit AVANTASIA weitergehen wird. Und mit EDGUY wird es auch weitergehen, da wird auch eine neue Platte kommen. Wir haben aber ehrlich gesagt noch keine Pläne. Wir werden erstmal die Tour zu Ende bringen und ich könnte mir vorstellen, dass hier und da für nächstes Jahr Festivalangebote kommen werden. Wir hatten in letzter Zeit auch noch gar keine Zeit, uns mal zusammenzusetzen und mal darüber zu reden. Das ist eigentlich der Plan für die Tour, denn wenn wir doch schon mal alle zusammen auf einem Haufen sind, bietet sich das ja an.

Theo

Stile: Heavy-, Power-, Folk-, Pagan-, Symphonic-, Death-, Black Metal, Rock

Bands: Nightwish, Arch Enemy, Amorphis, Children Of Bodom, Audn, The GazettE, Evergrey, Winterstorm, Black Star Riders ...