Tatsächlich waren in der Laut&Hart-Reihe schon die unterschiedlichsten Genres zu Gast, von klassischem Heavy Metal bis „Tod und Verderben“, wie es die Veranstalter ausdrücken. Der schwarzmetallisch verästelte Schriftzug wurde leserlich entschlackt, der Name ist geblieben: Dieses Mal bringen sieben Acts mit melodischem Schwerpunkt die Cobra in Solingen auf Hochtouren.
18.10.2025: Laut kann das Publikum auf jeden Fall, das wird im Laufe des Abends mehrfach abgefragt. Härtegrad? Definitionssache, dem gemeinen SLAYER-Fan bekommt man das wohl nicht vermittelt. Aber Spaß macht’s auf jeden Fall. Auch wenn FREEDOM CALL diejenigen sind, die das Genre „Happy Metal“ für sich beanspruchen – heute scheint es das allgemeine Tagesmotto zu sein.
Violinenklang und Moshpitkloppe
FABULA RASA eröffnen den Nachmittag direkt mit ordentlich Wums. Ich stehe noch mit Kaffeetasse in der Gegend herum und rechne mit einem seichten Einstieg, aber die fünf Düsseldorfer lassen nichts anbrennen. Flotte Folkmelodien auf metallischem Unterbau, dazu ein Sänger, der klingt, als hätte sich Bruce Dickinson auf dem Mittelaltermarkt verirrt, und: Geige (lieb’s)! Letztere hätte in der Abmischung etwas beherzter herausstrahlen dürfen, aber das tut dem Gesamtgenuss keinen Abbruch. Ganz großes Kino! Spätestens bei ihrem Ohrwurm „Sanity“ haben sie das Publikum bis zur letzten Reihe für sich eingenommen.
Setlist FABULA RASA: 1. At Full Moon, 2. Brotherhood Of The Wolf, 3. Vengeance Is Mine, 4. Battlefield, 5. Deities Fight (Ladadei), 6. Sanity

Perfekter hätte der Teppich für SILENT REVENANTS kaum ausgerollt werden können, die in eine ähnliche Kerbe schlagen. Mit Dudelsack, Tin Whistle und – hach – abermals Geige mangelt es nicht an folkigem Arsenal; Keyboard sorgt für einen symphonischen Einschlag, unterstützt vom klassischen Metal-Instrumentarium – also nix mit silent. Sechs Profis, die ihr Handwerk verstehen und dabei eine solche Freude verbreiten, dass auch vor 16 Uhr schon bierplauzige Kuttenträger paarweise eingehakt im Kreis hüpfen. Wem da nicht das Herz aufgeht, hat an entsprechender Stelle wohl eine Solinger Klinge sitzen.
Setlist SILENT REVENANTS: 1. Behind The Curtain, 2. Flesh Golem, 3. Walk with Fire, 4. Embers, 5. Among Wolves, 6. Horizons, 7. Let The Dragons Fly Forever, 8. Foolish Heroes, 9. Midsummer Nights

TORIAN sind die einzige Formation der Veranstaltung, bei der ich – im engen Rahmen des Genres – das Attribut „hart“ wirklich durchgehen lassen würde. Hier scheppert es jedenfalls ganz ordentlich: im wörtlichen Sinne (der Sound wird drumlastiger, die Intonation nebensächlicher), aber auch, was die Energie angeht. Sänger Marc bezappelt die Bühne wie ein aufgeregter Jungpudel, während die Instrumentalfraktion ein Brett zusammenkloppt, das reaktionsmäßig keine Kompromisse zulässt. Der ein oder andere Nacken dürfte die Folgen vermutlich jetzt noch spüren. Erste Moshpits rumpeln durch den Raum und rotzig-charmante Ansagen zwischendurch sorgen für Lacher. Party läuft! Auf der Setlist steht auch unveröffentlichtes Material, das genauso begeistert angenommen wird wie das bekannte.
Setlist TORIAN: 1. Sons Of The Damned, 2. Old Friend Failure, 3. Flame Of Resistance, 4. Unbowed, Unbent, Unbroken, 5. Saint Of The Fallen, 6. Soul Vampires, 7. Torian

Mit der weiblich-männlichen Gesangsdoppelspitze bei DAWN OF DESTINY wird es wieder deutlich melodielastiger, was an dieser Stelle zunächst wie ein kleiner Bruch wirkt. Aber die Laut&Hart-Gemeinde ist da flexibel und groovt sich schnell auf das Kontrastprogramm ein. Mit meinem Sweetspot für gemischte Duette und Vokalharmonien komme ich jedenfalls voll auf meine Kosten und bin damit offenbar auch nicht allein im Raum. Eine Hymne jagt die nächste – und auf die Bremse wird hier keinesfalls getreten! Für Gründungsmitglied Jens findet heute übrigens eine kleine Premiere statt: nach 20 Jahren sein erster Auftritt als Vollzeit-Vokalist, komplett ohne Saiteninstrument in der Hand – wirkt aber, als wär’s nie anders gewesen. Top!
Setlist DAWN OF DESTINY: 1. Hide Our Sorrow, 2. Metal Storm, 3. A Child’s Hand, 4. Another Pain, 5. Better Hold Me Tight, 6. Healing Touch, 7. Childhood, 8. Dying In Your Arms, 9. Days Of Crying, 10. To Hell

THORNBRIDGE zeigen im Anschluss, was „auf den Punkt“ bedeutet: vier Leute in klassischer Besetzung, Jeans und Shirts, straighte Songs mit viel Melodie, aber ohne Schnickschnack. Dargeboten mit absoluter Präzision und mitreißender Spielfreude. Besonders sympathisch: Wie etliche ihrer Genregenossen erzählen THORNBRIDGE Geschichten, in denen es nicht an Fantasie und Magie mangelt – sogar der obligatorische Drache ist heute dabei. Aber schaut man nur auf die Bühne, könnte man auch meinen, es ginge um die fünf besten Naturdokus der 90er oder um die Verkehrssituation auf der A46. Nicht, weil es auch nur eine einzige Sekunde langweilig wäre, sondern wegen dieser understatementartigen Attitüde der Selbstverständlichkeit, ganz ohne Gimmicks und große Gesten. Einfach nur gute Musik machen, fertig. Und Solingen weiß es zu schätzen: Die Party erreicht ein neues Level.
Setlist THORNBRIDGE: 1. Daydream Illusion, 2. Blow Up the Gates of Hel, 3. The Dragon's Reborn, 4. Kingdom Of Starlight, 5. Theatrical Masterpiece, 6. My Last Desire, 7. I Am The Storm, 8. Revelation

Mit Abstand die weiteste Anreise haben DRAGONY aus Wien auf sich genommen. Aber keine Spur von Müdigkeit: Bestens gelaunt zeigt die Symphonic-Power-Band, dass neben den All-Time-Klassikern auch die Songs ihres aktuellen Albums inzwischen bombenfest sitzen – noch akkurater als im Frühjahr. Die Jungs sind ein eingespieltes Team und geben ganz offensichtlich alles. Hier wird ein Bombastfeuerwerk nach dem anderen abgefackelt und mitgrölend fällt es mir schwer, den Blick von der Bühne abzuwenden – meine aber, im Augenwinkel viele weitere ausgelassen feiernde Zuschauer wahrzunehmen. Für Januar steht (inklusive neuer Co-Sängerin) eine große Europatour mit ENSIFERUM und dem heutigen Headliner auf dem Plan.
Setlist DRAGONY: 1. Twilight Of The Gods, 2. Gods Of War, 3. Lords Of The Hunt, 4. If It Bleeds, We Can Kill It, 5. Dragon Of The Sea (Sic Parvis Magna), 6. Perfect Storm, 7. The Einherjar (What Dreams May Come), 8. Wolves Of The North, 9. Legends Never Die, 10. Beyond The Rainbow Bridge

Nach einer erstmals etwas längeren Umbaupause betritt dieser dann auch die Bühne: FREEDOM CALL. Die selbsternannten Erfinder des Happy Metal liefern exakt, was der Name verspricht – Grinsegarantie ab Sekunde eins. Bei alten Hits (Nostalgie!), neuem Material (absolut livetauglich) und gelegentlich etwas ausufernden Quatschereien (sei’s drum) wird es bunt, fröhlich, singalong-tauglich, laut und – nicht hart, aber definitiv happy. Lange nicht mehr so viel gehüpft! Trotz meiner ausgeprägten Affinität zu metallischem Frohsinn gehören FREEDOM CALL nicht zu den Bands, die ich zu Hause auf regelmäßiger Basis durch meine Kopfhörer jage, aber ich merke mal wieder: Dafür lasse ich mich umso lieber live von ihnen durchpusten. Mit Karacho endet hier ein kleines Fest, das für viele Besucher den Sonnenscheinakku wieder ordentlich aufgeladen haben dürfte.
Setlist FREEDOM CALL: 1. Hammer Of The Gods, 2. Tears Of Babylon, 3. Supernova, 4. Silver Romance, 5. Union Of The Strong, 6. Out Of Space, 7. Mr. Evil, 8. Freedom Call, 9. Power & Glory, 10. Warriors, 11. High Above, 12. Metal Is For Everyone, 13. Land Of Light

Wohlfühl-Event auf Messers Schneide
Ein mäßig besuchter Instagram-Account, ein in die Jahre gekommenes Eckhaus an einer random Solinger Straße – ich hatte keinerlei Erwartungen an das „Drumherum“ dieses Tagesfestivals. Umso positiver die Überraschung: Ein wahnsinnig entspanntes Publikum, ein unglaublich freundliches Team, warmes Essen (sogar vegane Brat- und Currywurst), humane Merchpreise, saubere Toiletten und liebevolle Details (Glücksrad, Deko) – wenn das mal keine Rundum-sorglos-Atmosphäre ist!
Dies und all die organisatorischen und technischen Anforderungen im Hintergrund von Bühnenaufbau bis Künstler-Catering bewältigt ein kleines, hochmotiviertes Team ehrenamtlich mit viel Herzblut. Seit 2019 (damals alle gerade Anfang 20!) stemmen Klemens Kreuder, Heinrich Uhe und Jonas Vogt hauptverantwortlich das Laut&Hart-Festival, mittlerweile unter dem Dach eines kleinen gemeinnützigen Kulturvereins. Etwa 25 Personen tüfteln das ganze Jahr über an der Organisation, rund 40 Helfer setzen ihre Arbeitskraft am Veranstaltungstag unentgeltlich für die Metal-Sause ein. Nur so sind die immer weiter steigenden Kosten überhaupt in den Griff zu bekommen.
– Wenn überhaupt, denn ausverkauft wurden die Tickets dieses Jahr nicht. 2023 musste das Festival sogar wegen unzureichendem Vorverkauf abgesagt werden. Für den Antrieb, trotzdem weiterzumachen, sorgen zahlreiche begeisterte Rückmeldungen: „Wir werden von den Besuchern immer fast angefleht, das unbedingt zu wiederholen“, sagt Klemens Kreuder. Bleibt vor dem allgemeinen Hintergrund der gefährdeten Clubszene also zu hoffen, dass nächstes Jahr noch mehr Freunde gepflegter Livemusik den Weg nach Solingen finden werden – und, unabhängig vom Genre, mit einem breiten Grinsen wieder zurück.