Portugal.The Man - Church Mouth


 



Stil (Spielzeit): Indie mit Blues-Einfluss (43:07)

Label/Vertrieb (VÖ): Defiance / Cargo (20.07.07)

Bewertung: 8,5 / 10

Link: www.portugaltheman.net/
www.myspace.com/portugaltheman

 
Es war gab da mal 'nen komischen Mann mit Namen Portugal, der sich seiner selbst nicht sicher war. Er zeigte Interesse an diesem, war hingerissen von jenem und konnte nichts so richtig zu seiner Zufriedenheit vollenden. Er war gut bei dem, was er tat, das wusste er, aber um etwas von wirklichem Wert zu schaffen, fehlte es ihm an zwei Dingen. Zum einen war da die Fähigkeit des Fokussierens und zum anderen spürte er tief in sich die Sehnsucht nach Vervollständigung seiner Persönlichkeit. Was er brauchte, war ein natürliches Gefühl für den Rhythmus, ja gar den Puls des Lebens an sich. Als er ihn in Person eines kleinen, auf Felle eindreschenden Männleins namens Jason Sechrist fand, da verschmolz ihrer beide vorher so unklare Version von wahrhaftiger, seelenvoller Musik, bis sie sich als kompakte, zwölf Zentimeter durchmessende und in Regenbogenfarben schillernde Scheibe manifestierte.

Äääääh…Stopp! Was zum Teufel soll der ganze Schmalz? Klar, die Rede ist von PORTUGAL.THE MAN, also jener im Kern zunächst nur aus den Alaska-Sprösslingen John Gourley (voc, gt) und Zack Carothers (b) bestehenden Indie-Band. Die hatte ja mit Unterstützung eines Keyboarders und einer Drum Machine das Album "Waiter: You Vultures!" aufgenommen, das man durchaus als kleinen Hit innerhalb der Indie-Szene bezeichnen kann. Bereits während der Aufnahmen zum Debütalbum stieß Jason Sechrist zur Band und gab ihr während der folgenden Tour den ersehnten echten Drum-Sound. Menschlich und musikalisch passte alles zusammen, so dass man die ungewohnt langen Auftrittszeiten während der Europatour zum ausgiebigen Jammen nutzte. Die neuen Möglichkeiten schlugen sich im aktuellen Material nieder, das nun unter dem Namen "Church Mouth" der Aufmerksamkeit harrt.

Ich kann nur sagen: Aufmerksamkeit hat das Zeug auch verdient! Endlich – und somit war die Einleitung nicht nur Geschwafel – scheint die Band ihre Seele gefunden zu haben. Und die existiert nicht in jenen irrsinnigen und sperrigen, teilweise von kühlen Drumloops untermalten Indie-Experimenten, deren innere Wärme, ja Hitze sich vielleicht sogar erst im Nachhinein so richtig offenbart. Klar, ich trauere dem ungestümen und bisweilen hektischen Songwriting ("Chicago" sei hier als Beispiel genannt) manchmal nach.
Aber war nicht schon damals der Kern des Ganzen nicht in der nordischen Kälte, sondern in Hitze und Schwüle des US-amerikanischen Südens zu finden?
Das Album "Church Mouth" ist Blues, ist Gospel, ist das Querlesen religiös aufgeladener Begriffe. Und es ist deren Entblößung, Verschiebung, Neueinordnung und Hinterfragung. PORTUGAL.THE MAN's Lyriker John Gourley, dieser notorische und in Interviews schwer zu packende Kapuzenjäckchenträger, wendet die sakrale Sprache auf zunächst indifferent erscheinende und doch hintergründig-scharfsinnige Weise gegen sich selbst. Mit seinem hohen Soul-Rock-Gesang vorgetragen entfalten seine sprunghaften Texte eine eigentümliche Faszination. Kaum ein Text ist auf einen Song beschränkt – die meisten sind verstreut und müssen vom fleißigen Hörer zusammengestückelt werden. Oder anders gesagt: Selten kann man einen Text isoliert betrachten, denn die Gedankenausläufer sind über die ganze Platte verstreut.
Wenn man "Church Mouth" komplett durchhört, dann kann man manche der ruhigen Momente des Vorgängeralbums in neu entdeckter Perfektion wiederfinden: "My Mind" zum Beispiel, ironischerweise ein Lied über drohenden Wahnsinn, gleitet so harmonisch dahin…hach ist das schön. Und dann wieder diese zwingenden Beschleunigungen wie im einleitenden Titeltrack "Church Mouth" oder "The Bottom". Zum Glück gibt es nach wie vor sperrige Momente, aber organischer, da mehr denn je das Produkt einer echten Band. Was Bass und Schlagzeug gemeinsam auf die Beine stellen, ist schlichtweg mächtig: da rumpelt's und ballert's variabel und mit Wumms. Ganz groß!
Ein einziges Mal, bei "Sleeping Sleepers Sleep" gönnen sich die Jungs etwas zu viel Chor, etwas zu viel Produktion, aber dann – irgendwie war das klar – klingt das Album mit "Sun Brother" wieder in einer Art und Weise aus…typisch PORTUGAL.THE MAN halt.

Sänger John Gourley sprach mal, sei's leichtfertig dahingesagt oder wohlüberlegt, von "Soul-Rock 'n' Roll", und ich verstehe jetzt, nachdem ich "Church Mouth" ohne Ende gehört habe, was er meinte.

Heiße Platte!