Richard Barbieri - Planets + Persona Tipp

Richard Barbieri - Planets + Persona
    Ambient, Experimental, Progressive Rock

    Label: Kscope
    VÖ: 03.03.2017
    Bewertung:8/10

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Mit seinem neuen Album „Planets + Persona“ beweist Keyboarder RICHARD BARBIERI zum wiederholten Mal, dass er zu den Musiktalenten gezählt werden darf, die die Grenzen des Progressive Rock überschreiten.

Vor 40 Jahren begann er seine Karriere als Mitbegründer der britischen New-Wave-Pioniere JAPAN. Nach Projekten mit JAPAN-Kollege Steve Jansen schloss er sich Ende 1997 Steven Wilsons PORCUPINE TREE an, wo er bis heute ein festes Mitglied ist.

RICHARD BARBIERI ist ein wahrer Meister synthetischer Klänge. Sein drittes Soloalbum widmet sich Ambientklängen, ist allerdings mehr fokussiert auf Ausdruck, Textur und Gefühl als auf technischen Tastenbombast. Im Albumverlauf findet man ätherische Momente, jazzige Übergänge, bassige Stimmungen, Weltmusik-Vibes und eindringliche Intermezzi. Das sieben Stücke starke Werk ist ein facettenreicher Genremix, kombiniert zu einem Experiment der Extraklasse, in dessen Zentrum das Thema Dualität steht, das der Albumtitel exakt auf den Punkt bringt. Auf der einen Seite vermitteln die elektronischen Synthies und verzerrten Stimmen ein spaciges „Planets“-Feeling, andererseits spürt man das menschliche „Persona“ in der Weltmusik und dem melancholischen Jazzelementen.

Reise in fremde Klangwelten

Das Album legt mit dem perkussiv-sperrigen „Solar Sea“ los. Ein drückender, blubbernder Bass, angepeitscht durch das Drumming von Kjell Severinsson, bildet ein ordentliches Groove-Fundament, zu dem sich verfremdete Gesangsfetzen aus Female Jazz Vocals, flirrende, ziehende Electro-Samples, dezente Trompeteneinsätze, echolotartige Signale und atmosphärische, kurze Keyboard-Motive gesellen. Im Mittelteil wird die Fahrt entschleunigt und mündet in einen schwebenden Trip durch endlose Sphären. Analog dem Cover-Artwork ergänzt das 360-Grad-Video des Künstlers Miles Skarin die hörbare Grenzerfahrung um eine visuelle Reise, die den Betrachter/Hörer durch kollidierende Planeten, Eiskristalle in ausgehöhlten Kometen, vulkanische, Lava speiende Asteroiden führt, und im offenen Weltraum ein atemberaubendes Finale findet.

„New Found Land“ hingegen klingt sphärischer und rückt das erhabene Trompetenspiel von Luca Calabrese ins Zentrum – ein Track voller jazziger Sehnsüchte und Zartgefühl. In „Night Of The Hunter“ schimmert dann Barbieris PORCUPINE TREE-Vergangenheit durch, die stets mit einer gewissen PINK FLOYD-Reminiszenz einhergeht. Das dreiteilige Stück beginnt unbeschwert mit sanfter Akustikgitarre von Christian Saggese und Harfenklängen, wohingegen sich der zweite Teil „Shake Hands With Danger“ zu einem instrumentalen Artrock-Asteroiden formt, der eine unheimliche, fast schon bedrohliche Stimmung hervorruft und sich in einen intensiven Rhythmus mit Dirty-Jazz-Akzenten steigert.

Vom gleichen Schlag ist das neunminütige „Unholy“. Hier treffen erneut die zwei Welten aufeinander: digital und analog – Alien und Mensch. Die stärkste menschliche Ausdruckskraft, die Stimme, wunderschön bewegend von Lisen Rylander-Löve, die in einer Sprache singt, die wiederum nur Aliens zu kennen scheinen, sowie des Menschen zweitstärkstes Instrument, das Klavier, begegnen abstrakten, oft abgehackten, digitalen 0/1-Soundschnipseln. Als gelungenen Gegenpart weiß die Schwedin auch mit ihrem gefühlvollen Saxophon-Spiel zu begeistern und setzt kleine Akzente mit dem Daumenkino Kalimba und ihrem elektronischen Pendant Omnichord. Die instrumentale Weltmusik-Vertreterin, die westafrikanische Kora, gespielt von Grice Peters, setzt den Eletronic Beats ebenfalls jede Menge Menschlichkeit entgegen. Die dualen Wechselwirkungen resultieren aus der sehr eleganten Verschachtelung beider Kontraste und verschmelzen zu einer musikalischen Einheit.

Oft lassen sich Vergleiche zu den Werken des Post-Miles-Trompeters Nils Petter Molvaer oder des Jazz-Gitarristen Eivind Aarset ausmachen, die beide ähnlich mit elektronischen Samples experimentieren. Einflüsse von Innovatoren wie Jon Hassell oder Brian Eno sind ebenso nicht von der Hand zu weisen. Einen besonderen Schlusspunkt setzt der Engländer mit „Solar Storm“, der Schwester des Openers. Mit dem Jazzfusion-Urgestein Percy Jones am Bass lässt er das Album in einem upbeatigen und funkigen Track, der dem Progressive Rock noch am nähesten kommt, fulminant ausklingen.

RICHARD BARBIERI hat nach längerer Pause mit „Planets + Persona“ zu neuer Kreativität gefunden. Die geniale Verknüpfung von kosmischen mit irdischen Klängen bietet Kopfkino vom Feinsten abseits des Mainstreams.

 

richardbabieri band pic

Tracklist & Besetzung:

01. Solar Sea (7:30)
Drums – Kjell Severinsson
Synthesizer, Electric Piano, Sampler, Programmed Percussion – Richard Barbieri
Trumpet – Luca Calabrese
Vibraphone – Klas Assarsson
Voice, Saxophone – Lisen Rylander Löve

02. New Found Land (7:18)
Acoustic Guitar – Christian Saggese
Drums – Kjell Severinsson
Keyboards, Synthesizer, Sound Designer, Sampler, Programmed Percussion – Richard Barbieri
Trumpet – Luca Calabrese

03. Night Of The Hunter (10:45)
Acoustic Guitar – Christian Saggese
Keyboards, Synthesizer, Sound Designer, Sampler, Programmed Percussion – Richard Barbieri
Trumpet – Luca Calabrese
Voice, Saxophone – Lysen Rylander Löve

03.1. Summer
03.2. Shake Hands With Danger
03.3. Innocence Lost

04. Interstellar Medium (5:38)
Keyboards, Synthesizer, Sampler, Programmed Percussion – Richard Barbieri

05. Unholy (8:58)
Grand Piano, Synthesizer, Sound Designer, Sampler, Programmed Percussion – Richard Barbieri
Kora – Grice Peters
Voice, Omnichord, Saxophone, Kalimba, Sound Designer – Lisen Rylander Löve

06. Shafts Of Light (6:38)
Acoustic Guitar – Christian Saggese
Bass Guitar – Axel Croné
Synthesizer, Sampler, Sound Designer, Programmed Percussion – Richard Barbieri
Trumpet – Luca Calabrese

07. Solar Storm (6:22)
Bass Guitar – Percy Jones
Drums, Percussion – Kjell Severinsson
Saxophone – Lisen Rylander Löve
Synthesizer, Electric Piano, Programmed Percussion – Richard Barbieri